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#Was wird aus dem dualen Gesundheitssystem?

Was wird aus dem dualen Gesundheitssystem?

Die Privatversicherten in Deutschland haben gerade noch einmal Glück gehabt. Angesichts des schwachen Abschneidens der Partei Die Linke bleibt ihnen eine rot-rot-grüne Koalition erspart. Dieses Bündnis hätte die privaten Krankenversicherungen abschaffen und ihre Mitglieder mehr oder minder zwangsweise in die gesetzlichen Kassen überführen können.

Denn alle drei Parteien, SPD, Linke und Grüne, wollen eine sogenannte Bürgerversicherung einführen. In diese müsste jedermann einzahlen, und sie würde nötigenfalls neben dem Lohn auch andere Einkommensarten mit Beiträgen belegen, zum Beispiel Mieteinkünfte.

Dieser radikale Umbruch ist aber vorerst vom Tisch, da an der nächsten Regierung die Union oder die Freien Demokraten beteiligt sein werden, die am Nebeneinander von gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und Privatversicherungen (PKV) festhalten wollen. Im Moment sieht es danach aus, dass es zu einer Ampelkoalition kommen wird, einem Bündnis aus der SPD unter Kanzler Olaf Scholz mit den Grünen und der FDP.

Abweichende Positionen dürften zu Spannungen führen

Die unterschiedlichen Positionen zwischen Bürgerlichen und Linken sorgten für „hohes Konfliktpotenzial“ in der Koalitionsbildung, schreibt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer noch unveröffentlichten Studie zur „Gesetzlichen Krankenversicherung nach der Wahl“.

Gesundheit und Pflege stehen in den Gesprächen nicht an erster Stelle. Aber die Themen dürften als Verhandlungsmasse in das Spiel um politische Kompromisse eingebracht werden. Und hier ist unklar, wie standfest die Liberalen sind in Fragen der Privatversicherung, der Vertragsfreiheit, der Eigenverantwortung der Patienten und Pflegebedürftigen oder in der Verringerung von Krankenhäusern, die sie anstreben.

In der schwarz-roten Koalition hatte es eine Art Burgfrieden gegeben, auch „Tu-nix-Deal“ genannt. Die SPD vertagte die Bürgerversicherung, während die Union auf ihre Pläne verzichtete, die PKV voranzubringen, etwa durch eine flexiblere Beitragsfestsetzung. Jetzt sind die Gewichte für die PKV-Seite ungünstiger als früher: Die FDP-Fraktion stellt im neuen Bundestag  nur ein Fünftel des Ampelbündnisses, während die Union in der alten Konstellation zwei Drittel in die Waagschale legte.

Bislang gibt es keine öffentlichen Äußerungen

Offen äußern wollen sich die Beteiligten nicht. Klar ist aber, dass die „Ampel“ an den unterschiedlichen Vorstellungen zu Gesundheit und Pflege nicht scheitern soll. Im Gegenteil gebe es einige Gemeinsamkeiten, heißt es. Etwa bei der Reform der Notfallversorgung oder bei die Einführung eines einheitlichen Vergütungssystems für ambulante und stationäre Eingriffe.

Dem Vernehmen nach wollen SPD und Grüne gegenüber der FDP nicht auf der Bürgerversicherung bestehen, wohl aber Elemente davon einführen. So möchte man die GKV für Beamte und Abgeordnete öffnen, aber freiwillig und ohne dass sie Nachteile erleiden. Dadurch, dass diese Personen in der Regel höhere Einkommen erzielen, dass sie gesünder sind und weniger Kosten verursachen, komme mehr Geld ins System.

Auf diese Weise könne man auch die Einnahmeausfälle der Ärzte  ausgleichen. Tatsächlich spielen die Privatversicherten eine große Rolle: Sie machen nur 10 Prozent der Bevölkerung aus, tragen aber mehr als 20 Prozent zu den Honoraren der niedergelassenen Ärzte bei.

Mehr als 50.000 Euro je Arztpraxis weniger

Insgesamt, so rechnet der PKV-Verband vor, würden nach Einführung einer Einheitsversicherung jedes Jahr 12,7 Milliarden Euro fehlen, davon die Hälfte in der ambulanten Versorgung. Sofern es keine Kompensationen gebe, müsste jede Arztpraxis auf 55 000 Euro im Jahr verzichten. Einem Gutachten zufolge würde ein solcher Ausgleich die Kassenbeiträge um 0,5 Prozentpunkte in die Höhe treiben. Für einen Durchschnittsverdiener wären das 200 Euro zusätzlich im Jahr.

Doch einen solch vollständigen Systembruch streben Grüne und SPD in einer Koalition mit der FDP nicht mehr an. „Wir werden einen Weg ohne Gesichtsverlust finden, in dem die finanziellen Defizite nicht zunehmen, sondern spürbar sinken“, sagt ein beteiligter Gesundheitspolitiker. Rot-Grün könnte den eigenen Wählern sagen, man befinde sich auf dem Weg zur Bürgerversicherung.

Die FDP könnte mit neuen Wahlfreiheiten im weiterhin dualen System werben und damit, dass niemand Verluste erleide. Die Privatversicherungen schließlich hätten die Möglichkeit, mehr Zusatz- statt Vollversicherungen anzubieten.

Kompromisse reichen nicht, um Milliardenlücke zu schließen

Eine ganz andere Frage ist, ob solche Kompromisse ausreichen, um die Milliardenlücken der Kassen zu stopfen. Nach Ansicht der Wissenschaft ist das System ohne höhere Steuerzuschüsse oder Beiträge nicht überlebensfähig, wenn es keine Leistungskürzungen geben soll. In einer neuen Studie schreibt das Wirtschaftsforschungsinstitut IW, dass zwar viel über „Zwei-Klassen-Medizin“ und „Solidarität“  gesprochen werde.

Aber keine Partei mit Ausnahme der FDP gehe die eigentlichen Schwachstellen an, dass nämlich umlagefinanzierte Systeme die stark steigenden Ausgaben auf die jüngeren Generationen überwälzten. Um eine  „intergenerative Solidarität“ herzustellen, müsse der beitragsfinanzierte Anteil an den Leistungsausgaben dauerhaft begrenzt werden, argumentiert der Autor Jochen Pimpertz.

Daneben gelte es, eine „zweite Säule“ aufzubauen, deren Prämien  sich nicht nach dem Einkommen richteten, sondern nach den abgedeckten Risiken. Diese kapitalgedeckte Variante mit Wahltarifen nach dem sogenannten Anwartschaftsdeckungsverfahren würde auch für Wettbewerb im Versicherungsmarkt sorgen und so die Effizienz steigern.

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