#Die Ampel und die Gasumlage: Es braucht erwachsene Politik
Inhaltsverzeichnis
„Die Ampel und die Gasumlage: Es braucht erwachsene Politik“
Die handwerkliche Qualität von Politik kann man ganz gut daran messen, welche Rolle moralische Überlegungen und Forderungen spielen. Klar, ohne Moral geht es nicht, aber allzu oft wird sie genutzt, um handfeste Defizite zu überdecken. So auch jetzt bei der Debatte über die Belastung von Bürgern und Unternehmen durch die explodierenden Preise von Energieträgern. Erst hieß es in der Bundesregierung, einige Firmen sollten freiwillig auf die Gasumlage verzichten. So nobel soll man also sein, weil das Bundeswirtschaftsministerium es nicht geschafft hat, rechtssicher zwischen mehr und weniger bedürftigen Unternehmen zu unterscheiden? Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil setzte noch einen drauf und sprach von „unanständiger Trittbrettfahrerei“. So spricht keine souverän agierende Kanzlerpartei.
Was daran liegen könnte, dass die SPD gerade alles andere als selbstbewusst daherkommt. Denn sie schießt nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch heftig gegen den Spitzenvertreter ihres grünen Koalitionspartners, Wirtschaftsminister Robert Habeck. Neuer Stil, respektvoller Umgang, gemeinschaftliches Suchen nach Lösungen? Ach, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, hätte ein CDU-Kanzler gesagt.
Klingbeil zweifelt öffentlich an Habecks fachlicher Substanz, der Sprecher des Seeheimer Kreises meint zum Prinzip Habeck: Auftritt filmreif, handwerkliche Umsetzung bedenklich, und am Ende zahlt der Bürger drauf. Im Wahlkampf ging es zwischen den Parteien gesitteter zu als jetzt in der Koalition. Damals profitierte Scholz von den Fehlern der anderen. Das wollen einige in der SPD jetzt wieder.
Niemand will ernsthaft einen Bruch der Koalition
Muss das sein? Die größten Habeck-Kritiker in der SPD sind schließlich auch die größten Fans des Regierens. Niemand zieht den Bruch der Koalition ernsthaft in Betracht – und das ist angesichts der Größe dieser Krise auch richtig so. Aber es zeigt sich: Die SPD hat die Bundestagswahl nur knapp gewonnen, und ihr Fundament ist auch ein Jahr später ziemlich wackelig. Umfragen sehen sie auf Platz drei, die Beliebtheitswerte des Kanzlers sind mäßig.
Das ist erstaunlich, weil sich zumindest am Beginn einer großen Krise doch meist die Bevölkerung um die Regierungsspitze schart. So war es jedenfalls zu Beginn der Finanzkrise und der Corona-Pandemie. Und die Bevölkerung unterstützt die großen Linien von Scholz ja durchaus: Sanktionen gegen Russland, Ertüchtigung der Bundeswehr, Sparen im Winter. Aber wenn es um die Arbeit am Boden geht, dann springen die Wähler ab. Sie sind nicht überzeugt.
Das Kabinett muss die beiden Tage, die es jetzt in Meseberg in Klausur verbringt, nutzen, um seine Politik neu zu justieren. Bisher wurde versucht, mit Schnellschüssen wie der Gasumlage einem vermeintlich aufziehenden Volkszorn angesichts der rapide steigenden Energiepreise vorzubeugen. Was aber gerade erzürnt, ist die dürftige Problemlösungskompetenz der Regierung.
Es muss jetzt entschieden werden, was den Bürgern zugemutet werden kann und muss. Dazu gehört die Erkenntnis, dass manche noch ganz gut mit der Verteuerung von Strom und Gas klarkommen, andere hingegen nicht. Vor allem die nicht, deren Heizkosten nicht der Staat zahlt, sondern die mit der Arbeit ihrer Hände gerade so über die Runden kommen. Diese Gruppe dürfte es sein, die vor allem von der SPD enttäuscht ist. Grüne und FDP fischen in einkommensstärkeren Gewässern.
Die Ampel-Fortschrittskoalition hat sich selbst als Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bezeichnet. Die Gerechtigkeit stammt dabei von der SPD, und deswegen liegt im massiven Wiederaufflammen der sozialen Frage eigentlich eine große Chance. Aber sie wird nicht genutzt.
Schon sehr lange gelingt es den Sozialdemokraten nicht mehr, die Interessen der Marginalisierten und die der Mittelschicht zu verbinden. Wenn sozialer Ausgleich verlangt wird, muss die Mitte ran, etwa ganz gut verdienende Facharbeiter. Das ist die Klientel der SPD. Wer aber selbst nur eben so über die Runden kommt, dessen Solidarität ist begrenzt. Auf diese Leute zielt jetzt zum Beispiel der Vorschlag der SPD-Fraktion für eine Strom- und Gaspreisbremse.
Das wäre dann auch, man muss es so sagen, endlich mal wieder Politik für erwachsene und mündige Bürger. Zu lange gab es viel zu persönliche Politiker-Bekenntnisse zur Duschdauer und -temperatur und infantile Tipps zum Benutzen von Waschlappen. Auch da schwang zu viel moralischer Eifer mit – an dem sich der Kanzler richtigerweise nicht beteiligt hat. Es wird Zeit, dass wieder solide Politik gemacht wird, die Probleme löst. Denn auch nur dann wird die deutsche Bevölkerung weiterhin die Kraft und den Willen haben, den Kampf der Ukraine und des Westens gegen Putin zu unterstützen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.