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#Die Atom-Debatte ist wieder in vollem Gange

Die Atom-Debatte ist wieder in vollem Gange

In Italien hat der Plan der EU-Kommission, die Atomenergie als bedingt klimafreundlich einzustufen, die Debatte über die Rückkehr zur Kernkraft neu entfacht und zum Streit in der Koalition geführt. Der frühere Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega begrüßte die Aufnahme der Kernenergie in die sogenannte Taxonomie durch die EU-Kommission und forderte eine Wiederaufnahme der in Italien bereits 1990 eingestellten Stromerzeugung durch Kernspaltung. Dazu werde die Partei, die nach jüngsten Umfragen hinter den Sozialdemokraten die zweitstärkste politische Kraft ist, eine Volksabstimmung herbeiführen, kündige Salvini an.

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Die Atomkraft als „sichere und saubere Technologie“ werde das Land „in eine Zukunft der energetischen Unabhängigkeit“ führen, sagte der Lega-Chef. Auch die christlich-demokratische Partei Forza Italia des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist für den Wiedereinstieg in die Kernenergie. Sowohl die Lega wie die Forza Italia gehören zu der seit Februar 2021 bestehenden breiten Koalition unter Führung des parteilosen Ministerpräsidenten Mario Draghi.

Fünf Sterne bekräftigen Ablehnung

Die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung, die nach Parlamentsmandaten stärkste Kraft in der Koalition Draghi, bekräftigte dagegen ihre entschiedene Ablehnung der Kernenergie. Weder die Atomenergie noch die von der EU-Kommission ebenfalls als bedingt klimafreundlich eingestufte Verstromung von Erdgas könnten „als nachhaltig und damit als ,grün‘ eingestuft werden“, hieß es in einer Mitteilung der Parteiführung. Zurückhaltend äußerten sich die Sozialdemokraten.

Auf der Grundlage einer ersten Empfehlung der EU-Kommission und ohne Kenntnis von deren detaillierter Begründung sei es „derzeit nicht möglich“, eine belastbare Position in der Frage einzunehmen, sagte Brando Benifei, Sprecher der italienischen Sozialdemokraten im Europaparlament.

Will zurück zur Atomkraft: Lega-Chef Matteo Salvini


Will zurück zur Atomkraft: Lega-Chef Matteo Salvini
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Bild: dpa

Die EU-Kommission hatte am Silvesterabend die Verstromung von Erdgas und die Kernenergie als bedingt umweltfreundlich eingestuft und damit die Förderung von Investitionen in diese Technologien empfohlen. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Seine Annahme kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten.

Die Bevölkerung Italiens hat sich bereits in zwei Referenden für den Ausstieg aus der Kernenergie ausgesprochen. Bei der ersten Volksabstimmung vom November 1987, als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986, sprach sich eine Mehrheit von gut 80 Prozent für den Ausstieg aus. Die vier Reaktoren des Landes, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren in Betrieb genommen worden waren, wurden bis 1990 abgeschaltet. Der Bau zweier weiterer Anlagen wurde eingestellt. Der Rückbau der Atomkraftwerke dauert an.

Zustimmung zu Atomkraft in Umfragen

Ein erster Anlauf zum Wiedereinstieg in die Kernenergie unter Berlusconi von 2009 kam nach der Katastrophe von Fukushima vom März 2011 abrupt zum Stillstand. Bei einer zweiten Volksabstimmung zur Kernenergie sprachen sich im Juni 2011 mehr als 94 Prozent gegen den Bau neuer Meiler aus. Befürworter einer Wiederaufnahme der Stromerzeugung durch Kernenergie verweisen auf jüngste Umfragen, wonach sich vor allem die jüngere Bevölkerung für die Wiederaufnahme der Atomkraft zur emissionsfreien Stromerzeugung ausspricht.

Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SWG vom vergangenen Juni äußerten 33 Prozent der Befragten aller Altersgruppen Zustimmung zur Kernenergie. Die Forschung an der neuesten Reaktortechnologie befürworteten 56 Prozent der Befragten.

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Italien deckt 16 Prozent seines Elektrizitätsbedarfs durch Importe, wobei etwa die Hälfte des vor allem aus der Schweiz und aus Frankreich bezogenen Stroms aus den Atomreaktoren der beiden Nachbarländer stammt. Der in Italien selbst produzierte Strom wird zu 44 Prozent aus importiertem Erdgas erzeugt. 17 Prozent stammen aus Wasserkraft, elf Prozent aus Kohleverstromung sowie acht beziehungsweise sechs Prozent aus Wind- und Solarkraft. Italien ist das einzige Land in der G-7-Gruppe der wichtigsten Indus­trienationen, das schon seit Jahren keine eigenen Atommeiler mehr betreibt.

Die zuletzt sprunghaft angestiegenen Strom- und Gaspreise haben die Energiedebatte neu befeuert. Seit Juli hat die Regierung den Preisschock mit Zuschüssen in Höhe von acht Milliarden Euro an bedürftige Familien sowie an Kleinbetriebe abzufedern versucht. Weitere knapp vier Milliarden Euro zum Ausgleich für die gestiegenen Strom- und Gaskosten will die Regierung allein im ersten Quartal dieses Jahres zur Verfügung stellen.

Im September hatte der parteilose „Minister für ökologische Transition“ Roberto Cingolani prinzipielle Kernkraftgegner als „Salon-Umweltschützer“ bezeichnet, die „schlimmer sind als die Klimakatastrophe, auf die wir zusteuern, wenn wir nichts unternehmen“. Eine Industrienation wie Italien dürfe nicht auf Forschung an der vierten Generation von Atomreaktoren verzichten, die ohne angereichertes Uran und ohne Schwerwasser auskämen, forderte er.

Diese Technologie werde in absehbarer Zeit produktionsreif sein. „Wenn sich eines Tages herausstellt, dass bei dieser Technologie nur ein paar Kilo radioaktiver Müll anfallen, dass diese Anlagen zudem sicher und die Kosten niedrig sind, dann wäre es aberwitzig, diese Technologie nicht in Betracht zu ziehen“, sagte Cingolani.

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