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#„Die Branche befindet sich in einem dramatischen Überlebenskampf“

„Die Branche befindet sich in einem dramatischen Überlebenskampf“

Gerade sei es wieder bergauf gegangen, „doch dann kamen die rasant wachsenden Inzidenzen und die Nachrichten zu Omikron“, konstatiert CTS Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg im Gespräch mit der F.A.Z.: „Zu Weihnachten 2020 lagen wir beim Kartenverkauf 95 Prozent unter dem Niveau von 2019, 2021 sind es ‚nur‘ 60 Prozent, was aber natürlich immer noch viel zu wenig ist.“

Eventim ist Europas größter Veranstaltungs- und Ticketingkonzern. Vor der Pandemie erwirtschaftete das M-Dax-Unternehmen einen Umsatz von 1,44 Milliarden Euro und verkaufte 250 Millionen Tickets über seine Kanäle – der allergrößte Teil für konzernfremde Veranstalter aus verschiedensten Bereichen. Vielleicht 6 Millionen seien für Konzerte aus dem eigenen Veranstalternetzwerk, hatte Schulenberg im Sommer erklärt. Zu diesem gehören allein in Deutschland prominente Namen wie FKP Scorpio, Semmel Concerts, die Peter Rieger Konzertagentur. Außerdem betreibt Eventim zum Beispiel die Waldbühne in Berlin und die Kölner Lanxess Arena. Erst Anfang Dezember übernahm der Konzern obendrein die Verkaufsplattformen Kölnticket und Bonnticket.

„Kultur muss Entschlusslosigkeit der Politik ausbaden“

Das Geschäft an sich lief freilich auch das Jahr über nur schleppend. Zwar ging es im dritten Quartal mit einem Umsatz von 114,7 Millionen Euro weiter bergauf – ein Plus von 279,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Doch mangels großer Festivals und Konzertreihen blieb das Vor-Pandemie-Niveau nach wie vor weit entfernt. Unter dem Strich stand im dritten Quartal ein Gewinn in Höhe von 4,5 Millionen Euro zu Buche, nachdem im zweiten Quartal die 102 Millionen Euro an November- und Dezemberhilfen maßgeblich für rund 48 Millionen Euro mehr verantwortlich waren. Mit dem neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen und dem Aufkommen der Omikron-Variante wurden dann auch die wenigen hierzulande für den Winter 2021 geplanten Konzerte größtenteils wieder gestrichen.

Klaus-Peter Schulenberg im Juni diesen Jahres in Hamburg


Klaus-Peter Schulenberg im Juni diesen Jahres in Hamburg
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Bild: Daniel Pilar

Für Schulenberg liegen die Gründe für die neuerliche Zuspitzung der Lage zum Teil auch im Sommer: „Die Kultur muss die Entschlusslosigkeit der Politik während des Wahlkampfs ausbaden“, sagt er. Schließlich hätten zu dieser Zeit die Weichen gestellt werden müssen, damit es keine oder zumindest eine schwächere vierte Welle gibt. „Leidtragende ist wieder einmal massiv die Veranstaltungswirtschaft, für deren Weiterbestehen die Politik nach wie vor keine schlüssigen Lösungen bereithält. Denn die Branche befindet sich längst in einem dramatischen Überlebenskampf.“

„Veranstalter hoffen auf Loyalität und Verständnis der Konzertfans“

Eventim kann nach wie vor auf liquide Mittel im hohen dreistelligen Millionenbereich bauen. Für viele kleinere Veranstalter, Spielstättenbetreiber, aber auch Technikvermieter und gerade die vielen Solo-Selbständigen stellt sich die Lage allerdings naturgemäß ganz anders dar.

Schulenberg verweist noch auf einen weiteren Aspekt: „Veranstaltungen können nur ohne oder mit sehr geringen Kapazitätsbeschränkungen wirtschaftlich durchgeführt werden.“ Viele Veranstalter hätten auch deshalb von vorneherein Tourneen nicht ins erste Quartal 2022 verlegt, „weil sie anders als die Politik die Pandemie-Lage haben kommen sehen“.

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Für den Zeitraum vom zweiten Quartal an sei Eventim aktuell deutlich zuversichtlicher. „Wir glauben, dass wir unsere vielen Festivals und auch große Open-Air-Tourneen wie die von Ed Sheeran durchführen können“, sagt Schulenberg. Ein Problem für die Branche könnte indes die auslaufende Gutscheinlösung sein.

Um die Liquidität der Veranstalter zu schützen, war im Mai 2020 beschlossen worden, dass für vor dem 8. März erworbene Tickets bei einer Absage Gutscheine ausgegeben werden können, anstatt den Preis zu erstatten. Aus der Branche war wegen der weiterhin schwierigen Lage und zahlreicher mittlerweile mehrfach verschobenen Shows zum Teil auf eine Verlängerung der Regelung gedrungen worden. Mit Beginn des neuen Jahres können Verbraucher aber nun die Auszahlung eines Gutscheins verlangen.

US-Geschäft läuft gut an

„Die Veranstalter hoffen auf die Loyalität und das Verständnis der Konzertfans“, sagt Schulenberg: „Wenn es im Januar zu einer Flut an Rückerstattungswünschen kommt, könnte es für manchen eng werden.“ Zumindest bei bisherigen Verlegungen hätten aber meist 80 bis 90 Prozent ihre Karte behalten. Für die staatlichen Hilfen sei man generell sehr dankbar: „Auch dass die Überbrückungshilfe 3 weitergeführt wird, ist ein wichtiger Schritt. Aber die Veranstaltungs-/Kulturbranche leidet wie kaum eine andere. Sie hat seit bald zwei Jahren keine nennenswerten Umsätze erzielt.“ Er hoffe daher, dass die neue Regierung bald „eine nachhaltige und zielgerichtete“ Unterstützung für die besonders betroffenen Branchen wie die Veranstaltungswirtschaft in die Wege leite.


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Vergleichsweise optimistisch blickt Schulenberg auf die USA. Im Heimatmarkt des weltgrößten Live-Entertainment-Konzerns Live Nation , zu dem auch die Plattform Ticketmaster gehört, ist Eventim seit Ende September im Ticketing aktiv. Schon im Februar 2020 wurde mit dem Branchenveteranen Michael Cohl ein Joint Venture zur Veranstaltung von Tourneen in Nordamerika gegründet.

„Wir sind außerordentlich zufrieden mit unseren Live-Entertainment-Aktivitäten in den USA“, sagt Schulenberg. Mitte Dezember habe man gerade eine ausverkauft Genesis-Tour beendet und neben anderen Themen die Weltrechte für die Harry-Potter-Exhibition erworben. Auch das Ticketportal laufe gut an. „Der Markt dürfte sich 2022 besser entwickeln als der europäische“, erwartet er, „nicht zuletzt weil in den USA die Booster-Kampagne zwei Monate früher begonnen hat als etwa in Deutschland.“

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