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#Die „Budget-Rebellen“ bleiben hart

Die „Budget-Rebellen“ bleiben hart

Das Treffen der beiden Regierungschefs Viktor Orbán und Mateusz Morawiecki am Donnerstag in Budapest hat offensichtlich dazu gedient, die Entschlossenheit der beiden „Budget-Rebellen“ Ungarn und Polen zu demonstrieren. Denn was bisher in Brüssel vorgeschlagen worden sei, sei keine Grundlage, um dem mehrjährigen Finanzrahmen und dem Corona-Hilfen-Budget zuzustimmen, sagte Orbáns Kanzleramtschef Gergely Gulyás. Das dürfte sich vor allem auf den Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beziehen, die Ablehnung von Haushalt und Rechtsstaatlichkeitsmechanismus voneinander zu entkoppeln. Ungarn und Polen könnten das von ihnen als vertragswidrig angesehene Verfahren anschließend vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten. Aber gerade die Koppelung ist ja die Trumpfkarte Orbáns und Morawieckis.

Gerhard Gnauck

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Stephan Löwenstein

Sie schlugen daher in einer abgestimmten gemeinsamen Erklärung eine andere Entkoppelung vor: jetzt schnell den Haushalt verabschieden und dann irgendwann im Europäischen Rat darüber diskutieren, ob eine Verknüpfung zwischen Rechtsstaatlichkeit („Rule of Law“) und den finanziellen Interessen der Europäischen Union eingeführt werden sollte. Das hieße im Klartext: eine Verschiebung auf Sankt Nimmerlein. Denn der Rat, also die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, ist ja jenes Gremium, das nur mit Einstimmigkeit Beschlüsse fassen kann. Und es war ja schon die Kompromissformel des vergangenen Rats im Juli, dass eine „Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts“ eingeführt werden solle, die dann so fundamental entgegengesetzt aufgefasst wurde.

Orbán: Kein Cent weniger werde nach Ungarn fließen

Dieses Zurück-auf-Los wird von den beiden Regierungschefs mit Formeln der Kompromisswilligkeit eingewickelt und mit Vorwürfen bewehrt: „Die gegenwärtige Lage, die einen schnellen Abschluss des Gesetzgebungsprozesses verhindert, ist von denen hervorgerufen worden, die eine Verknüpfung zwischen der Rechtsstaatlichkeit und dem EU-Budget hergestellt haben.“ Man bleibe bereit, einen Lösungsbeitrag zu leisten – das verlange allerdings eine substantielle Änderung des gegenwärtig vorgeschlagenen Mechanismus. Polen und Ungarn stünden weiter auf der Basis loyaler Kooperation und der Solidarität. Damit ist gemeint: nicht nur miteinander. Miteinander stellen sich die beiden Regierungschefs freilich auf eine noch festere Basis, die mehr an die Nato-Beistandsklausel als an ein EU-Kompromisspapier erinnert: „Weder Polen noch Ungarn wird einen Vorschlag akzeptieren, der dem anderen unannehmbar erscheint.“

Die Regierungschefs sehen sich, was das Budget und den Corona-Hilfstopf betrifft, in einer Position der Stärke. Orbán hat den Ungarn mehrmals in Interviews versichert, man werde keinesfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, kein Cent weniger werde nach Ungarn fließen. Außerdem sei Ungarn auf den Corona-Fonds nicht angewiesen, denn dank seiner Schuldenquote könne es ohnedies unter günstigen Bedingungen Anleihen geben. Tatsächlich hat Ungarn erst kürzlich Anleihen im Wert von 2,5 Milliarden Euro zu historisch niedrigen Zinssätzen zwischen 0,5 und 1,5 Prozent verkauft. Auch in Warschau haben zahlreiche Politiker des Regierungslagers versucht, die Bedeutung der EU-Mittel für Polen zu relativieren, oder verwiesen darauf, dass die Wirtschaft der alten EU-Länder unvergleichlich stärker von der EU-Erweiterung profitiert habe als die Wirtschaft Polens und Ungarns. „Die Niederlande zahlen jährlich knapp sieben Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein und gewinnen dank dem Binnenmarkt 84 Milliarden“, twitterte Maria Koc, Senatorin der Regierungspartei PiS, unter Berufung auf EU-Statistiken. Orbáns rechte Hand Gulyás stieß in das gleiche Horn, als er sagte, Ungarn beziehe derzeit netto vier Milliarden Euro jährlich von der EU, während EU-Firmen sechs Milliarden Euro an Profiten jedes Jahr in Ungarn gewännen. Es sei also ein beiderseitiger Vorteil. „Wir schulden niemandem irgendetwas dafür, dass wir EU-Mittel erhalten. Es ist unser Geld, das uns auf jeden Fall zusteht“, sagte Gulyás.

Interne Kritik am Kurs von Morawiecki

In Warschau wird die polnische Politik gegenüber Brüssel derweil immer mehr als Teil einer Auseinandersetzung im Regierungslager gesehen. So sagte Justizminister Zbigniew Ziobro am Mittwoch: „In den Verhandlungen darf man kein Weichling sein, man muss hart sein und das Interesse seines Landes vertreten.“ Viele Länder hätten in der EU schon mit einem Veto gedroht, zuletzt im Juli die Niederlande, „aber niemand hat dem Ministerpräsidenten der Niederlande vorgeworfen, das bedeute den Zerfall der EU“.

Zur Aussage der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die Kritiker des Rechtsstaatsmechanismus könnten sich an den Europäischen Gerichtshof wenden, sagte Ziobro, von der Leyen handele „in schlechtem Glauben“ und forciere „Regelungen, von denen sie weiß, dass sie Unrecht sind“. Das Wort vom „Weichling“ wurde als Kritik an Regierungschef Mateusz Morawiecki gewertet, der in der Debatte im Ton versöhnlicher auftritt. Das führte in polnischen Medien zu der Frage, ob denn jetzt der Justizminister die Europapolitik bestimme.

Ziobro, als Gegenspieler Morawieckis bekannt, führt im Regierungslager eine Kleinpartei, deren Ausscheren den Verlust der parlamentarischen Mehrheit bedeuten würde. Allerdings hat sich auch der frühere Banker Morawiecki in der Sache hart gezeigt: „Wir kämpfen dafür, dass nicht in fünf, sieben Jahren Italien oder Spanien, Schweden oder Bulgarien angegriffen werden, weil jemandem in Brüssel nicht gefällt, dass sie auf diese und nicht jene Art ihr Land reformieren“, sagte er am Donnerstag vor dem Abflug nach Budapest.

Die liberale Opposition wirft der Regierung vor, das Land in Richtung eines „Polexits“, eines Ausscheidens aus der EU oder aus ihren Finanzierungsmechanismen, zu führen. Dagegen titelte ein rechtes Magazin in dieser Woche: „Wenn du in der EU bleiben willst, bereite den Polexit vor“, und berief sich auf die Maxime: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor.“

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