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#Die Demokratie ist besser als ihr Ruf

Die Demokratie ist besser als ihr Ruf

Viele Menschen sehen zunehmend kritisch auf die Staatsform Demokratie. Dabei bewährt sie sich in Deutschland gerade recht ordentlich. Schiebt man den Vorhang der allfälligen Nörgelei beiseite, so haben sich in der endenden Legislaturperiode die Institutionen der parlamentarischen, repräsentativen Demokratie weitgehend als vital und durchsetzungsfähig erwiesen. Das geschah in Konkurrenz zueinander und in unterstützender Weise.

Das erste Beispiel findet sich im Schloss Bellevue. Das Grundgesetz sieht für den Bundespräsidenten eine sehr eingeschränkte operative Macht vor. Aber als sich gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Parteien bei der Koalitionsbildung heillos verhakten, trug Bundespräsident Steinmeier ohne formalen, aber mit argumentativem Einfluss dazu bei, dass noch eine Regierung entstand.

Laschets und Söders Ehrgeiz

Zwei Jahre später, also in der Mitte der Legislaturperiode, wurde das Institutionengefüge der Demokratie durch die Pandemie mit einer noch nie da gewesenen Herausforderung konfrontiert. Wie in jeder Krise größeren Ausmaßes war zunächst die Exekutive gefragt. Da die meisten der im Kampf gegen das Virus ergriffenen Maßnahmen in die Kompetenz der Bundesländer fielen, entstand rasch der Eindruck, dass jenseits von Kanzleramt und den 16 Regierungschefs der Länder niemand mehr etwas zu sagen habe.

Anfangs wirkte das Miteinander der Regierungen in Bund und Ländern noch einigermaßen harmonisch. Es gab zwar schon früh prominente Ausreißer. So wich der bayerische Ministerpräsident Söder gelegentlich ebenso von der gemeinsam beschlossenen Linie ab wie der nordrhein-westfälische Regierungschef Laschet. Wer sich weismachen ließ, das habe mit persönlichem Ehrgeiz nichts zu tun, wurde eines anderen belehrt, als es in der Union um die Kanzlerkandidatur ging.

Allerdings hatte der Bund nie eine umfassende Dominanz über die Länder. Das führten einige Landesregierungen immer wieder vor, indem sie kurz nach gemeinsamen Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz von diesen abwichen. Solches Verhalten täuschte darüber hinweg, dass die übergroße Mehrheit der in den MPK-Runden gefassten Beschlüsse flächendeckend eingehalten wurden. Aber die Ausnahme macht mehr Schlagzeilen als die Regel.

Jedenfalls hatten die Länder stets starke Durchgriffsrechte. Die gelegentliche Verzweiflung von Kanzlerin Merkel, dass einzelne Länder ihrem Kurs nicht folgten, rührte gerade daher, dass sie nicht einfach durchregieren konnte, wie sie es sich vor vielen Jahren einmal wünschte. Wie wankelmütig einige Länder waren, zeigte sich daran, dass sie je nach Pandemielage den Kurs des Kanzleramts mal als zu streng bezeichneten, dann wieder zugestehen mussten, dass er richtig gewesen sei.

Das Aufheulen mancher Ministerpräsidenten über den Beschluss der Bundesnotbremse im Bundesrat war kein Hinweis auf ein institutionelles Defizit der Demokratie. Die Länder hätten den von der Kanzlerin gewollten Beschluss nicht mittragen müssen, wenn ihnen etwas Wirkungsvolleres eingefallen wäre.

Parlament in entscheidender Rolle

Bleibt das Parlament. Nachdem die Abgeordneten den Vorrang der Exekutive zunächst schweigend zu billigen schienen, wurde bald der Eindruck erweckt, der Bundestag habe nicht genug zu sagen in der Pandemie. Solche Reaktionen sind bekannt aus anderen großen Krisen, in denen das Parlament schon früher die Neigung entwickelte, die eigenen Beschlüsse nur noch als Vollzug der Wünsche des Kanzleramts darzustellen. Natürlich gibt es stets das Bemühen der Regierung, die eigenen Wünsche vom Parlament nur noch abnicken zu lassen. Aber immerhin müssen sich die Abgeordneten das gefallen lassen. Oder nicht.

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In der Pandemie spielten sie in Wirklichkeit von Anfang an eine entscheidende Rolle. Bereits im März vorigen Jahres verabschiedete der Bundestag einen Beschluss über eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, der später verlängert wurde. Auch alle finanzwirksamen Beschlüsse fasste das Parlament, später wurde das Infektionsschutzgesetz präzisiert und schließlich die Bundesnotbremse beschlossen.

Allerspätestens im Rückblick lässt sich also sagen, dass auch dieses Organ der Demokratie gut funktioniert hat. Seine Rolle gegenüber der Regierung wurde in dieser Legislaturperiode noch dadurch gestärkt, dass bei der Regierungsbefragung in den Sitzungswochen anders als bis dahin nicht Parlamentarische Staatssekretäre erschienen, sondern die Minister selbst. Mehrfach kam sogar die Kanzlerin.

Also alles bestens? Nein. Das unglückselige Zusammenwirken von Parteiegoismen und fehlender Entschlusskraft vor allem in der Unionsfraktion lassen auch diese Legislaturperiode ohne eine Wahlrechtsreform enden, die das weitere Anwachsen des Bundestages verhindert. Nur ein Reförmchen wurde verabredet. Das ist nicht nur ein Ärgernis, weil die Räumlichkeiten für die große Zahl von Abgeordneten fehlen. Da hat die Demokratie versagt.

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