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Die fehlenden Worte

Ihre Rede beginnt Charlotte Knobloch mit einem ungewöhnlichen Satz. „Ich stehe vor Ihnen als stolze Deutsche“, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München am Mittwoch im Bundestag. Knobloch, 88 Jahre alt, war drei Monate auf der Welt, als Hitler an die Macht kam. Sie hat als Kind die Verfolgung ihrer Familie erlebt.

Markus Wehner

Sie erinnert am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus an ihre Großeltern, „hochangesehen in der Bayreuther Kaufmannsgesellschaft“, und an ihren Vater, der als dekorierter Veteran des Ersten Weltkriegs ein deutscher Patriot gewesen sei. Seine Loyalität zu Deutschland und sein Eisernes Kreutz hätten ihn nicht vor Enteignung und Deportation geschützt. So wie die anderen deutschen Juden, die meist deutsche Patrioten gewesen seien.

Knobloch spricht von ihrer Mutter, die die Familie verließ, weil sie dem Druck nicht mehr gewachsen war, mit einem Juden verheiratet zu sein. Eines Tages, als sie als Kind zum Spielen auf den Hof ging, habe die Hausmeistersfrau gesagt: „Judenkinder dürfen hier nicht spielen!“ Es sei ihre erste Begegnung mit dem Anderssein gewesen. Damals habe sich das gesamte Leben nur noch zu Hause abspielen können, weil der Aufenthalt in der Öffentlichkeit für Juden Gefahr bedeutete. Wer aber die Beschränkungen der Corona-Pandemie mit der Verfolgung der Juden vergleiche, „der verharmlost den Nationalsozialismus“. Viele Abgeordnete applaudieren.

Als sie neun Jahre alt ist, verschwinden immer mehr Bekannte und Freunde in Zügen, die Richtung Osten fahren. Auch ein Alten- und Kindertransport ins KZ Theresienstadt ist geplant. Sie wird gerettet, doch die Großmutter trifft „die unmögliche Entscheidung“, sagt Knobloch und ihre Stimme wird ein einziges Mal brüchig. Die Großmutter sagte, sie selbst gehe zur Kur und komme bald wieder. „Ich aber wusste, was das bedeutet“, sagt Knobloch. Sie selbst wird von der Familie eines ehemaligen Dienstmädchens als uneheliches Kind auf einem fränkischen Bauernhof aufgenommen – und überlebt. Nach dem Krieg will sie nicht zurück nach München, „zu den Leuten, die uns hassten“.

Knobloch blieb in Deutschland

Doch dann trifft sie Samuel Knobloch, „die Liebe meines Lebens“. Ein Sohn wird geboren, das Ehepaar will nach Israel auswandern, sobald er laufen kann, dann kommen noch zwei Töchter. „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann mach` Pläne“, sagt Knobloch. Sie erlebt in den sechziger und siebziger Jahren, wie das Schweigen über die Nazizeit aufbricht. Sie beginnt sich zu engagieren, damit aus dem Nebeneinander von Deutschen und Juden ein Miteinander wird, wie sie sagt. Die Zuwanderung der Juden aus Osteuropa nach der Wiedervereinigung habe ihr gezeigt, dass Deutschland wieder eine gute, mit Hoffnung verbundene Heimat geworden sei. „Wir können stolz sein auf diese Bundesrepublik.“

Charlotte Knobloch bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 im Bundestag.


Charlotte Knobloch bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 im Bundestag.
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Bild: Jens

Doch sie erlebe auch, wie judenfeindliches Denken und Reden wieder hoffähig würden – auch im Internet, dem „Durchlauferhitzer für Hass jeder Art“. Antisemitismus gebe es nicht unter Rechtsextremisten, unter Linksextremisten und Dschihadisten. Wer ihn an der Wurzel packen wolle, müsse dahin schauen, wo es weht tut: in die Mitte der Gesellschaft. Sie wünsche sich, dass eine Kette mit einem Davidstern genauso selbstverständlich getragen werden könne wie eine mit einem Kreuz. Dennoch: Deutschland tue „viel dafür, dass Juden sich nicht mehr alleine fühlten.

„Ich bitte Sie: Passen sie auf auf unser Land“, sagt Knobloch zu den Abgeordneten des Bundestags. Dann spricht sie direkt die AfD an: „Diese Worte richte ich nicht an die ganz rechte Seite des Plenums.“ Sie wolle nicht vorschnell richten, vielleicht gebe es auch dort einige, die anders dächten. Den übrigen aber sage sie: „Sie werden weiter für ihr Deutschland kämpfen, wir werden für unser Deutschland kämpfen.“ Die Abgeordneten der übrigen Fraktionen applaudieren, als Knobloch zur AfD gewandt fortfährt: „Sie haben ihren Kampf vor 76 Jahren verloren.“

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