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#Die große Koalition hat das Land ermüdet

Die große Koalition hat das Land ermüdet

Deutschland hat sich verändert, seitdem Union und SPD zusammen regieren, das werden wenige bestreiten. Der politische Betrieb ist sanfter geworden, weil die großen Volksparteien ihre Lager auf eine Zusammenarbeit verpflichtet haben und in dieser Zusammenarbeit die jeweils Pragmatischsten unter den Politikern einen natürlichen Vorteil hatten. Die Versachlichung erstreckt sich längst nicht nur auf Union und SPD, sondern auf alle Parteien mit Ausnahme der AfD.

Wer das nur gut findet, verkennt die Probleme. Im Laufe der Jahre hat sich eine Spaltung im Land vollzogen, weil es in der pragmatischen Republik wenig Verständnis gibt für Leidenschaften. Die Volksparteien haben ihre Fähigkeit eingebüßt, solche Menschen einzubinden, die weniger klug und weise und diszipliniert auftreten, sondern nur eine Intuition haben. Erreicht werden vor allem jene, die rational entscheiden, also anhand wissenschaftlich überprüfbarer Erkenntnisse darüber streiten, welche Lösungen für reale Probleme möglich sind. In der Sache ist das gut, es rächt sich aber an anderer Stelle.

Außerhalb der vornehmen Gesellschaft gibt es Menschen, die niemand wegzaubern kann. Sie sind weniger reflektiert, treffen Entscheidungen eher nach dem Gefühl und kommen nicht auf ihre Kosten, wenn Volksparteien ihren kleinsten gemeinsamen Nenner in Gesetze gießen. Die in großen Koalitionen emporkommenden Sachpolitiker bleiben ihnen fremd, es fehlt die emotionale Mobilisierung einer Grundsatzfrage.

Sie sind im Leerlauf

Das vergessen viele, wenn sie mit der Kanzlerschaft von Angela Merkel eine Zeit verbinden, in der eine große Ruhe und Verbindlichkeit eingezogen ist in die Regierungsgeschäfte. Die Befriedung, die große Koalitionen erzwingen, ist zugleich eine Erlahmung. Wer sich Parteien als Maschinen vorstellt, in der vorne Intuitionen, Schicksale und Wut hineingesaugt werden und hinten rational begründbare Positionen herauskommen, könnte sagen: Sie sind im Leerlauf.

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In der Folge verlieren die Volksparteien an Elan, so wie jede Regierungspartei irgendwann erlahmt. In diesem Fall aber sind beide Lager betroffen. Der Schaden des einen ist nicht mehr der Gewinn des anderen. Wenn Regierungen nur noch unter der Flagge weit entfernter Inselstaaten geformt werden können, verlangt das den Beteiligten noch mehr Pragmatismus ab, und das Problem wird immer dringlicher.

Das Publikum nimmt das nicht unbedingt wahr. Vielen gilt eine Koalitionsfähigkeit aller mit allen als Ausweis pragmatischer Weisheit. Sie halten Schwarz-Grün für erstrebenswert, weil sie sich von dem Zusammengehen der Antipoden Ausgewogenheit versprechen. Dabei ist Schwarz-Grün die Fortsetzung einer großen Koalition mit anderen Mitteln. Genauso wie im Fall einer großen Koalition würden auch andere Parteien in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie sollen SPD und FDP überzeugend gegen eine Regierung polemisieren, wenn ihnen nahestehende Parteien daran beteiligt sind und alles sich in moderaten Bahnen bewegt?

Die damaligen Parteivorsitzenden von SPD, CDU und CSU, Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer, bei der Vorstellung ihres Koalitionsvertrages im Dezember 2013


Die damaligen Parteivorsitzenden von SPD, CDU und CSU, Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer, bei der Vorstellung ihres Koalitionsvertrages im Dezember 2013
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Bild: dpa

Auffallend ist, dass immer solche den Anschluss an die demokratischen Parteien verlieren, deren Überzeugungen noch nicht zu Argumenten gereift sind. Früher wurden ihre Leidenschaften von der jeweiligen Opposition aufgesogen. In der Konfrontation der politischen Lager wurde viel schärfer, viel belebender gesprochen. Diese rohe Energie in geordnete Bahnen zu lenken ist die vornehmste Aufgabe von Parteien. Das funktioniert im großkoalitionären Pragmatismus viel schlechter. Die Versöhnung der Lager bedingt Sachlichkeit, und diese endet in Abgehobenheit.

Die Schäden sind unübersehbar

Als das erste Kabinett Merkel im Jahr 2005 vereidigt wurde, war allen Kommentatoren diese Gefahr noch sehr präsent. Endlos wurde gewarnt, dass eine große Koalition die Ausnahme bleiben müsse in einer Demokratie, deren Lebendigkeit auch von wechselnder Verantwortung der politischen Lager abhänge. Durch die Gewöhnung wurde es in den vergangenen Jahren müßig, noch darüber zu reden.

Nach so langer Zeit, in der Deutschland – mit einer kurzen, schwarz-gelben Unterbrechung – lagerübergreifend regiert wurde, sind die Schäden unübersehbar. Die große Koalition hat viele Krisen mit Bravour gemeistert. Aber wie jede lagerübergreifende Politik ist sie zu einem grauen, verwaltungsmäßigen Akt geschrumpft.

Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Bundestagswahl so ausgeht, dass lagerübergreifende Bündnisse unvermeidbar sind und das Problem sich fortsetzt. Die Wähler sind die Einzigen, die diesen Bann brechen könnten. Zumindest dann, wenn sie den Wert von Koalitionen erkennen, die nicht die gesamte Parteienlandschaft ermüden.

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