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#Dienst, Dienen und Bedienen

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„Dienst, Dienen und Bedienen“

Als der Rookie-Polizist Wayne Jenkins im Jahr 2003 zum ersten Mal mit seinem Partner in den Straßen von Baltimore für Ordnung sorgen soll, erklärt ihm dieser die Logik ihrer Arbeit wie folgt: „Wenn wir die Ecken säubern, hören sie auf, sich zu erschießen. Wenn sie aufhören, sich zu erschießen, sinkt die Mordrate. Wenn die Mordrate sinkt, wird der Bürgermeister Gouverneur.“ Die Serie „We Own This City“ unternimmt nun den Versuch, all das zu zeigen, was sich zwischen diesen drei Sätzen abspielt – etwas, das Jenkins’ erster Partner als Amerikas „stabilste Diktatur“ bezeichnet.

Aus dem gefeierten Buch „We Own This City: A True Story of Crime, Cops and Corruption“ des Journalisten Justin Fenton, Polizeireporter bei der „Baltimore Sun“, formten David Simon (ebenfalls einstiger Reporter der „Sun“) und George Pelecanos – die beiden Schöpfer der Serie „The Wire“ – ein komplexes Skript, das im Zeitraum von 2003 bis 2017 nicht nur Schlaglichter auf das marode Innenleben des Baltimore Police Department wirft, sondern auf das gesamte amerikanische Rechtssystem und seine blinden Flecken. Die Serie verlangt einen hohen Grad an Aufmerksamkeit: Von Beginn an wird der Zuschauer mit Figuren und rasch wechselnden Zeitebenen bombardiert. Zusammengehalten werden sie von den Fragmenten, die die Karriere des Polizisten Wayne Jenkins (gespielt von Jon Bernthal) erzählen.

Die Haupthandlung führt ins Jahr 2017, zwei Jahre nachdem der fünfundzwanzigjährige Freddie Gray schweren Verletzungen erlegen war, die ihm in Polizeigewahrsam zugefügt worden waren. Friedliche Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung waren die Folge ebenso wie Unruhen mit Plünderungen. Die Nationalgarde wurde eingesetzt, und Baltimores damalige Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake verhängte eine Ausgangssperre. Die Mordrate stieg 2015 wie seit zwanzig Jahren nicht mehr: 342 Morde in einem Jahr bei nur 600.000 Einwohnern. Deshalb bitten hohe Polizeibeamte den Polizisten Jenkins und seine „Gun Trace Task Force“ (GTTF) – eine launige Truppe, die in ihren Kapuzenpullis in Kombination mit schusssicheren Westen stets aussieht, als treffe sich ein Junggesellenabschied zum Paintball – um Hilfe, damit sie die Drogen- und Waffenprobleme der Stadt einhegen. Jenkins und seine Kollegen entdecken dabei die dunkle, aber lukrative Seite ihres Berufs.

Fentons Buch basiert auf Gerichtsdokumenten, Hunderten von Interviews und Stunden an Videomaterial – die Serie nimmt all dies auf und versucht diese Quellen auch zu visualisieren, indem sie immer wieder in die Überwachungskameraperspektive schaltet oder Verhörraumsituationen inszeniert, die jedoch nie langweilig werden, weil man als Zuschauer von der ersten Minute an das beunruhigende Gefühl hat, an jeder Szene als unsichtbarer Dritter beteiligt zu sein. Das muss eine Serie, zumal eine Polizeiserie, die sich schnell in stereotypen Darstellungen von Polizeiarbeit verlieren kann, erst einmal schaffen.

Vor allem die brutalen Schnitte, Tempowechsel und der Schlagabtausch zwischen abgebrühten und weniger abgebrühten Polizisten rütteln den Zuschauer immer wieder wach wie die plötzlichen Ohrfeigen, die Verdächtige hier oft aus dem Nichts kassieren. Dadurch schafft es Regisseur Reinaldo Marcus Green nicht nur, über das intellektuelle Begreifen hinaus unseren Kampf-und-Flucht-Nerv zu aktivieren, er schärft auf diese Weise die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer, sodass einem gemütlichen Fernsehabend vor allem der erhöhte Puls im Wege steht, mit dem man das Geschehen gebannt verfolgt.

Und das bleibt so, wenn die anfangs unheimlich schweigsamen FBI-Agenten Erika Jensen (Dagmara Domińczyk) und John Sieracki (Don Harvey) die Mitglieder der GTTF verhören, von denen die meisten selbst dann noch ihr gewaltbereites Lausbubentum zur Schau stellen, wenn längst klar ist, dass zehn Jahre hinter Gittern das Mindeste ist, was ihnen blüht.

Die einzige Person, die vergleichsweise illusionslos über all den bürokratischen Mätzchen und der politischen Strippenzieherei zu stehen scheint, ist die schwarze Anwältin Nicole Steele (Wunmi Mosaku) von der Bürgerrechtsabteilung des Justizministeriums, die die Polizeigewalt in Baltimore untersuchen soll und sich fragt, wie es sein kann, dass Polizeibeamte wie Daniel Hersl mehr als fünfzig Dienstaufsichtsbeschwerden anhäufen, ohne je dafür belangt zu werden. Stattdessen werden sie befördert. Hersl selbst vermutet ihr gegenüber einmal: Wer keine Beschwerden anhäuft, macht seinen Job nicht richtig.

Die Art, in der die Serie ihre dargestellten Figuren – von denen die meisten ihre Entsprechung in der Wirklichkeit haben – präsentiert und sie verschiedene Häutungen vollziehen lässt, bevor man als Zuschauer überhaupt ahnt, welchen Weg sie beschreiten und wie tief sie bereits im Dreck stecken, wirkt manchmal unübersichtlich und ist doch von beängstigender Virtuosität.

We Own This City läuft bei Sky.

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