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#Drag-Lesung: Drag-Lesung: München zeigt Regenbogenflagge




Eine Lesung von Dragkünstlern erhitzt die Gemüter. Die AfD ruft zum Protest, aber viel mehr Menschen kommen, um vor der Stadtbibliothek für ein buntes München zu demonstrieren.

Ob die Scheiben der Münchner Stadtbibliothek in Bogenhausen kugelsicher seien, hatte vor einer Weile jemand gefragt. Jemand der findet, Kinder sollten nicht von Drag-Queens oder Drag-Kings vorgelesen bekommen. Weil ihnen das schade und sie gefährde. Das berichtet der Direktor der Stadtbibliothek, Arne Ackermann, am Dienstagabend auf der Pressekonferenz nach einer Drag-Lesung. Aus Sicherheitsgründen hatte diese wie die anschließende Pressekonferenz im oberen Stock des Hauses stattgefunden – auf Anraten der Polizei

Schon vor Wochen hatte die Ankündigung der Drag-Lesung für Kinder ab vier Jahren für Hunderte von Hassnachrichten gegenüber der Stadtbibliothek und in den sozialen Netzwerken gesorgt. Selten dürfte eine Lesung in München so kontrovers diskutiert worden sein. Bereits mehr als einen Monat zuvor hatte der Fraktionsvorsitz der CSU die Veranstaltung im Münchner Stadtrat als ungeeignet für Kinder erklärt. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Huber Aiwanger (Freie Wähler) twitterte Anfang Mai, er sehe darin „Kindeswohlgefährdung und einen Fall fürs Jugendamt“. Wer die Veranstaltung gut finde, sei eine Gefahr für Deutschland. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er werde die Veranstaltung mit seinen Enkeln nicht besuchen, sprach sich jedoch deutlich gegen ein Verbot der Lesung aus. Er sagte, es sei Eltern überlassen, zu entscheiden, ob sie mit ihren Kindern zu der Veranstaltung gingen. Er unterstütze queere Menschen weiterhin.

„Wir lesen euch die Welt, wie es euch gefällt“ lautete das Motto der Lesung. Mit „wir“ waren gemeint: die Drag-Queen Vicky Voyage, 34, der Drag-King Eric BigClit, 33, und ursprünglich auch die 13-jährige Transgender-Autorin Julana Gleisenberg. 

Julana Gleisenberg nimmt wegen Anfeindungen nicht an der Lesung teil

Bis kurz vorher hatte Julana geplant, aus ihrem Buch „Julana – endlich ich!“ vorzulesen. Letztendlich hatte ihre Familie jedoch abgesagt. Zu heftig seien die Anfeindungen gegen Julana in den vergangenen Tagen gewesen. Zu sehr hatte laut Ackermann zum Teil auch die Presse an der Familie gezerrt. 

Ziel der Veranstaltung war es, Kindern durch fünf Geschichten aus Bilderbüchern altersgerecht zu vermitteln: Es gibt verschiedenen Lebensweisen und Blickwinkel – egal, ob queere oder nicht-queere. Außerdem: jeder ist gut so, wie er ist, und muss sich nicht verbiegen, um anderen zu gefallen. Alle Menschen dürfen beispielsweise auch die Kleidung tragen, die ihnen gefällt, solange sie sich darin wohlfühlen. Das thematisiert die Geschichte „Der Junge im Rock“, in der Felix lieber ein rotes Kleid als eine Hose trägt, weil er damit besser rennen und klettern kann. Im Kindergarten wird er ausgelacht, andere Kinder zeigen mit dem Finger auf ihn, wollen nicht mehr mit ihm spielen. Felix stellt sich die Frage: „Warum dürfen Jungs keine Röcke tragen, wenn Mädchen doch auch Hosen anziehen dürfen?“. 

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Als Vicky und Eric stellen sich die Drag-Künstler den etwa 70 Besucherinnen und Besuchern vor. Vicky tänzelt in einem wallenden weißen Kleid in den Raum, trägt großen Perlenschmuck, eine weißblonde Perücke, die zu einem geflochtenen Zopf gebunden ist, eine Krone und auffällige Schminke. Eric wippt in der Verkleidung eines Fuchses auf glitzernden Plateauschuhen erst einmal im Hintergrund hin und her, pustet Konfetti in die Luft. Die bläulichen Haare seiner Perücke sind pfeilgerade in die Höhe drapiert und formen eine Art spitzen Hut. Er hat sich einen Kinnbart, buschige Augenbrauen und einen Schnurrbart geschminkt. 

„Was ist eure Lieblingsfarbe?“, fragt Vicky die Kinder in Anlehnung an das rote Kleid des Jungen aus der Geschichte. „Blau“, „grün“, „eigentlich alle Farben“, tönt es durch den Raum. „Oh, schön, alle Farben, also die Regenbogenfarben“, sagt Vicky. Für Pressevertreter wurde die Veranstaltung per Livestream übertragen, nur den angemeldeten Gästen war es erlaubt, direkt an der Lesung teilzunehmen, um für die Kinder und ihre Familien einen geschützten Raum zu schaffen. Deswegen erschienen sie in der Übertragung auch nicht. 

Sprechgesänge zwischen Befürwortern und Gegnern der Veranstaltung wechseln sich ab

Sprechgesänge und Buhrufe dringen ins Gebäude, Bässe wummern, – trotz geschlossener Fenster und Türen. Im Freien wehen zahlreiche Regenbogenflaggen, Seifenblasen schweben in der Luft, einige Drag-Queens sind unterwegs, geben sich Küsschen auf die Wangen, haben sich Glitzerkleider angezogen und überdimensional lange Wimpern angeklebt. Die Drag-Queen Same4Fame sagt, sie sei da, um der Propaganda der AfD entgegenzuwirken. „Nichts liegt uns ferner, als Kindern Schaden zuzufügen.“ Viele Menschen recken Schilder in die Höhe, auf denen etwa steht: „Bunt ist das Volk“, „Euer System kostet uns Leben“, oder „Drag ist nicht das Problem, sondern eure Queerfeindlichkeit“. Direkt gegenüber: eine deutlich kleinere Gruppe, die Plakate und Transparente umklammert. „Hände weg von unseren Kindern“, „Gott schuf Mann und Frau. Wie sehr vergeht ihr euch noch an der Schöpfung?“ Sprechgesänge zwischen „Nazis aus München raus“ und „Wir schützen unsere Kinder“ wechseln sich ab. Eine Vertreterin der AfD schreit von einer Bühne, die Veranstaltung diene dazu, Pädophilie zu verharmlosen. 

Eine Münchner Psychoanalytikerin und Mutter zweier Kinder, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist der Meinung, Drag-Queens sollten unter sich bleiben, denn sie könnten Kinder zu potenziellen späteren Opfern machen. Gefahrenpotenzial sei da und die Grenzen der Kinder würden missachtet. Sie sagt: „Das ist bereits Missbrauch, was durch diese Lesung passiert, dafür braucht es gar keine Berührung!“ Dabei überschlägt sich ihre Stimme. 

Katharina Dentinger ist mit ihrem Partner und dem gemeinsamen zweijährigen Sohn auf einer Gegendemo zur AfD. Sie sagt: „Unser Grundsatzstatement ist: Wir wollen, dass unser Sohn in einem weltoffenen München aufwachsen kann. Wir möchten ihm ein Vorbild sein und ihm signalisieren, dass Menschen schon richtig sind, wie sie sind.“

Laut dem Münchner Kreisverwaltungsrat waren bis Dienstagvormittag fünf Demonstrationen angemeldet worden. Unter anderem der AfD-Kreisverband München und evangelikale Kreise protestierten vor der Stadtbibliothek gegen die Veranstaltung und eine „Frühsexualisierung von Kindern“. Etwa 225 Menschen waren deren Aufruf gefolgt. „München ist bunt“ sprach sich dagegen für Solidarität mit den Organisatoren der Veranstaltung und queeren Menschen aus. Der gemeinnützige Verein hatte eine Demonstration mit nur 50 Personen angemeldet, letztendlich seien aber etwa 500 gekommen. Die Münchner Polizei war mit knapp 200 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen war es laut Polizei nicht gekommen. Allerdings warte auf sieben Jugendliche nun eine Anzeige. Sie h

Der katholische Pfarrer Wolfgang Rothe zeigte die AfD an

Einige Tage vor der Veranstaltung hatte die AfD mit Plakaten zu einer Protestkundgebung aufgerufen. „Hände weg von unseren Kindern! Genderpropaganda verbieten“ war darauf zu lesen. Seit Ende der vergangenen Woche waren die Plakate in München an verschiedenen Stellen aufgestellt worden. Darauf abgebildet: Ein geschminkter Mann mit langen Haaren, der mit seinen Händen lächelnd eine Art Klaue formt und von hinten nach einem Jungen greift. 

Der katholische Pfarrer Wolfgang Rothe des Pfarrverbands Perlach sah den Strafbestand der Volksverhetzung damit als klar erfüllt und erstattete am Freitag Anzeige. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er: „Die Plakate sind so unsäglich und grauenhaft. Sie bedienen sich aus der Mottenkiste der Nazipropaganda.“ Er findet, gerade die Kirche sei gefordert, diskriminierte Menschen und Gruppen zu schützen. Rothe kritisierte, queere Menschen würden durch das Motiv pauschal als Missbrauchstäter abgestempelt. 

Vicky Voyage sagte auf der Pressekonferenz, es sei gut auf Eric BigClit uns sie geachtet worden; sie hätten keine Angst haben müssen. Und die Kinder reagierten ausnahmslos sehr positiv auf die Lesung und sie beide, stellten Fragen, wollten gemeinsame Fotos. „Wir haben die Welt heute ein kleines bisschen bunter gemacht.“ Voyage schließt jedoch an: „Aber es ist peinlich und widerlich, dass man überhaupt so gut auf uns aufpassen muss.“ Sie hatte vor der Veranstaltungen Morddrohungen erhalten. Schließlich steigen die Drag-Künstler in den ersten Stock der Bibliothek hinunter. Letzte Fotos und Interviews für die Presse. Dann öffnet ein Security-Mann die abgeschlossene Glastür nach draußen. 

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