#Ein böser Geist des Konzentrationslagers
Inhaltsverzeichnis
Bereits 1944 wies Ruth Kempner zusammen mit ihrem Mann Robert, einem der Hauptankläger der Nürnberger Prozesse, auf das „ernste Problem“ der SS-Frauen hin. Im Gegensatz zu dieser frühen Thematisierung habe sich die Geschichtswissenschaft, so die Eingangsprämisse von Alexandra Przyrembels Buch „Im Bann des Bösen“, SS-Ehefrauen und SS-Aufseherinnen nur zögerlich angenommen. Die moralische Beurteilung, bei ihnen habe es sich um eine „bemerkenswert brutale und machtbesessene Minderheit“ gehandelt, habe eine differenzierte Auseinandersetzung erschwert. Genau dazu möchte die vorliegende Studie einladen und es zugleich nicht dabei bewenden lassen.
Im ersten Teil „Peinigen“ rekonstruiert die Autorin die Spezifika der Täterschaft von Ilse Koch als Ehefrau des Kommandanten des Konzentrationslagers Buchenwald zwischen 1937 und 1943. In den anschließenden drei Teilen „Konfrontieren“, „Entscheiden“ und „Leugnen“ analysiert Przyrembel, wie Ilse Koch zum Symbol für die nationalsozialistische Gewalt in den Vereinigten Staaten und den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften wurde und welche Auswirkungen das auf die Konzeption von Schuld und Verantwortung hatte.
Koch, 1906 als Ilse Köhler in bescheidenem Milieu in Dresden geboren, trat im Mai 1932 in die NSDAP ein. Zwei Jahre später lernte sie den SS-Führer Karl Koch kennen, im Sommer 1937 heiratete das Paar auf dem Gelände des Konzentrationslagers Sachsenhausen, dessen Kommandantur Karl Koch ab 1936 innehatte. Przyrembel wertet die Eheschließung innerhalb des „Eliteordens“ der SS als Radikalisierung und Karriereschritt, der Ilse Koch ein Leben in bisher ungekanntem Wohlstand, mit Pelzmänteln, Autos und zwangsarbeitendem Personal in der burgenhaften Kommandantenvilla der SS-Führersiedlung ermöglicht habe.
Zu lebenslanger Haft verurteilt
Obwohl Ilse Koch, anders als SS-Aufseherinnen in Frauenkonzentrationslagern, keine offizielle Funktion innehatte, habe sie den Lageralltag geprägt. Koch habe in beliebigen Situationen die Nummern von Häftlingen erfragt und weitergereicht, etwa wenn diese eine Zigarette aufgehoben, sie selbst angeblich angeschaut oder zu langsam gearbeitet hätten, was jeweils grausamste Bestrafungen durch die SS-Wachmannschaften zur Folge gehabt habe.
Alexandra Przyrembel: „Im Bann des Bösen“. Ilse Koch – ein Kapitel deutscher Gesellschaftsgeschichte 1933–1970.
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Bild: S. Fischer Verlag
In den Außenbereichen des Lagers habe Koch persönlich mit einer Reitpeitsche zugeschlagen. Häftlinge hätten übereinstimmend von der für sie überlebenswichtigen Notwendigkeit berichtet, nicht in die Aufmerksamkeit von Ilse Koch zu gelangen. Noch innerhalb der Häftlingsgemeinschaft des Konzentrationslagers sei Koch zu einer mythischen Figur geworden, zu einem omnipotenten „böse[n] Geist des Lagers“.
Im August 1943 wurde das Ehepaar Koch wegen der Veruntreuung von Geldern verhaftet und von der SS-Gerichtsbarkeit angeklagt. Karl wurde wegen Korruption und Mord an Belastungszeugen zum Tode verurteilt und im April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald hingerichtet; Ilse wurde nach 16 Monaten Untersuchungshaft in Weimar freigesprochen und ging zu Verwandten nach Ludwigsburg. Dort wurde sie im Juni 1945 von der amerikanischen Armee als mutmaßliche Kriegsverbrecherin inhaftiert. Im August 1947 verurteilte sie die amerikanische Militärjustiz im Dachauer Buchenwald-Hauptprozess zu lebenslanger Haft.
Wie Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit Kochs Schuld begründeten
Aufgrund umfangreicher Medienberichterstattung habe das Bild einer sadistischen Exzesstäterin in dieser Zeit weiter an Kontur gewonnen, wofür der Vorwurf des Besitzes von Gegenständen aus menschlicher Haut zentral gewesen sei. Bei der Befreiung des Lagers habe die amerikanische Armee drei aus Medizinverbrechen stammende tätowierte Hautstücke gefunden. Przyrembel rekonstruiert, dass die Pathologie des Konzentrationslagers über zahlreiche tätowierte Häute verfügt habe, für die mutmaßlich Häftlinge mit Tätowierungen gezielt getötet worden seien, dass Ilse Koch jedoch „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ entgegen der unzähligen anderslautenden Berichte keine Objekte aus Menschenhaut besessen habe.
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