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#„Ein Schlag in die Magengrube“

„Ein Schlag in die Magengrube“

Auf der Wahlparty der Linken geht ein kurzes Stöhnen durch den Festsaal Kreuzberg, als die ersten Zahlen verkündet werden. 5,0 Prozent werden vorausgesagt, die Linke muss bangen, ob sie in den Bundestag einzieht. „Wir haben deutlich verloren, und das müssen wir deutlich diskutieren“, sagt Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler. Spitzenkandidatin Janine Wissler diskutiert derweil schon in einem Nebenzimmer mit anderen Linken-Politikern. Mit einer Stellungnahme will sie noch warten. Doch auch die ersten Hochrechnungen gehen nicht über die 5,0 Prozent hinaus. Wissler müsste erklären, warum die Linke offenbar gar nicht davon profitiert hat, dass sie auf eine rot-grün-rote Regierung setzte. Diese Machtoption, die sich allein aufgrund der gewachsenen Zustimmung der SPD eröffnete, löste sich am Sonntagabend sogar in Luft auf, weil es nach Hochrechnungen auch bei einem Einzug der Linken ins Parlament für Rot-Grün-Rot wohl nicht reichen würde.

Offenbar hat die Aussicht, dass die Linkspartei im Bund mitregieren will und dafür bereit wäre, Kompromisse einzugehen, eher Wähler von der Linken abgeschreckt als für sie gewonnen. „Wir müssen uns fragen, ob dieses progressive Bündnis für uns der richtige Ansatz war“, sagt Spitzenkandidat Dietmar Bartsch in der ARD. Auch wirbt Bartsch dafür, wieder stärker Sahra Wagenknecht nach vorn zu stellen – sie ist nach wie vor die beliebteste Politikerin der Linken, liegt allerdings mit ihrer Partei so oft über Kreuz, dass Genossen sogar ein Parteiausschlussverfahren gegen sie angestrengt haben.

„Unser Platz wird in der Opposition sein“

Die Verluste sind für die Partei schmerzlich, das Wort vom Desaster macht die Runde. Vor vier Jahren hatte die Partei, damals mit der Spitzenkandidatin Wagenknecht, 9,2 Prozent erreicht. Das bedeutete einen Vorsprung von 0,3 Prozentpunkten vor den Grünen. Nun liegt man rund vier Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2017. In der Linken-Führung war bis zuletzt auf ein Ergebnis von sieben Prozent gehofft worden.

Um kurz vor sieben treten dann Wissler, Bartsch und die Ko-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow auf der Wahlparty gemeinsam auf. Wissler spricht von einem schweren Abend, Hennig-Wellsow von einem „Schlag in die Magengrube“. Bartsch sagt, die Gründe für die Niederlage lägen vor der Zeit, in der Wissler und Hennig-Wellsow Vorsitzende geworden seien – ein Hinweis auf die destruktive Wirkung der jahrelangen Grabenkämpfe, vor allem zwischen der früheren Vorsitzenden Katja Kipping und Wagenknecht. Bartsch macht aber auch klar, dass der Traum von einem rot-grün-roten Bündnis geplatzt ist. „Unser Platz wird in der Opposition sein.“

Halt finden die Linken am Sonntagabend in einer Besonderheit des Wahlrechts: Selbst ein Absturz unter die Fünfprozentmarke bedeutet nicht automatisch das Ausscheiden aus dem Bundestag. Denn drei gewonnene Direktmandate heben die Sperrklausel sozusagen auf; in der Linken gilt diese Regel als „Lebensversicherung“. Die Vorläuferpartei der Linken, die PDS, erlebte das schon 1994, als sie bei der Bundestagswahl nur 4,4 Prozent erreichte, aber durch vier Direktmandate mit 30 Abgeordneten in den Bundestag einzog. Vor vier Jahren holte die Linke fünf Direktmandate, vier in Berlin und eines in Leipzig.

Am Sonntag schauen die Linken deshalb gebannt in den Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick, wo Linken-Veteran Gregor Gysi kandidiert, und nach Lichtenberg, wo die frühere Parteivorsitzende Gesine Lötzsch ihren Wahlkreis hat. Auch der Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, die sich im Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf Chancen auf das Direktmandat ausrechnete, werden die Daumen gedrückt. Schließlich gibt es in Berlin noch den Wahlkreis Pankow, aber der dort früher siegreiche Kandidat Stefan Liebich trat nicht mehr an. Eine weitere Hoffnung ruht auf dem Leipziger Süden, wo Sören Pellmann ein Direktmandat anstrebt. Er sei sich sicher, dass die Linken eine „weiche Landung“ erleben würden, sagt Bartsch. Ob es aber am Ende wirklich für drei Direktmandate reicht, bleibt am Sonntagabend erst einmal unsicher.

Die Linke hat sich in den vergangenen Wochen darum bemüht, eine rot-grün-rote Koalition auf Bundesebene vorzubereiten. Während Wissler und Bartsch die wichtigsten Wahlkampftermine bestritten, nahm Hennig-Wellsow im Berliner Karl-Liebknecht-Haus die Zeit nach 18 Uhr am Wahlsonntag in den Blick. In Thüringen hatte Hennig-Wellsow ein Bündnis mit SPD und Grünen schon 2014 mit aus der Taufe gehoben – allerdings unter Führung der Linken.

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Das sollte unter veränderten Bedingungen auch im Bund gelingen. Dafür wurden die Wahlprogramme von SPD und Grünen neben das der Linken gelegt, Kontakte zu den Führungszirkeln der anderen Parteien geknüpft. Das Ergebnis war naheliegend: In der Sozial- und Steuerpolitik gibt es große Gemeinsamkeiten, in der Außen- und Sicherheitspolitik ganz erhebliche Unterschiede. Entsprechend hatten die führenden Linken-Politiker darauf hingewiesen, dass es für sie auf die sozialen Fragen wie einen höheren Mindestlohn, Anhebung der Regelsätze bei Hartz IV oder eine Kindergrundsicherung ankomme. Die strittigen Fragen der Verteidigungspolitik wurden kleingeredet: Der NATO-Austritt sei kein Muss, es gehe ja darum, langfristig ein neues kollektives Sicherheitssystem anzustreben.

Die Vision eines Linksbündnisses war nicht zuletzt als Rettungsversuch für eine Partei angesehen worden, deren Daueropposition sich offenbar erschöpft hat. Hennig-Wellsow hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass 80 Prozent der Parteimitglieder für das Regieren seien. Auch konnte die Linke auf starke Kräfte im linken Flügel der SPD verweisen, die ein solches Bündnis einer Ampelkoalition mit der FDP klar vorziehen würden. „Linke oder Lindner“, hatte Bartsch das genannt. Doch diese Alternative gibt es nun nicht mehr.

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