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#Entgleisungen im Plenum

„Entgleisungen im Plenum“

Es geht hoch her, als die Abgeordneten des Hessischen Landtags wieder einmal über die Energiewende streiten. Andreas Lichert vom rechten Flügel der AfD-Fraktion meint, dass hinter den immensen Ausgaben für den „sogenannten Klimaschutz“ die „internationale Hochfinanz“ stecke. Woraufhin Kaya Kinkel von den Grünen feststellt, dass dieser Begriff „ganz klar eine antisemitische Anspielung“ sei. Sie fordert den Tagungspräsidenten auf, dem Redner eine Rüge zu erteilen. Lichert nennt den Vorwurf „infam“ und eine „Sauerei“. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen) erklärt, dass der Ausdruck „internationale Hochfinanz“ ein antisemitischer Code sei. „Sie versuchen uns, den Mund zu verbieten“, empört sich Robert Lambrou, der Fraktionschef der AfD, und beantragt die Einberufung des Ältestenrates.

Das Gremium, in dem alle Fraktionen vertreten sind, hat grundsätzlich die Aufgabe, den Präsidenten des Landtags bei der Führung der parlamentarischen Geschäfte zu unterstützen. Es tritt unter anderem kurzfristig zu vertraulichen Beratungen zusammen, wenn Plenardebatten aus dem Ruder laufen. In diesem Fall muss die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrochen werden. Der Ältestenrat kommt schließlich in der Sache zu keinem einmütigen Ergebnis, aber immerhin verläuft die weitere Debatte dann weniger hitzig.

Im zu Ende gehenden Jahr hat es insgesamt elf Sitzungen des Ältestenrats gegeben, eine mehr als im Jahr 2021. Weil das Gremium nicht nur bei plötzlich auftretenden Konflikten tagt, sondern auch andere Angelegenheiten behandelt, eignet sich die Gesamtzahl aller Sitzungen als Indikator für das Klima im Parlament allerdings nur begrenzt. Eine stärkere Aussagekraft hat die Zahl der Rügen: In diesem Jahr wurden sechs erteilt, 2021 waren es nur drei.​

„Der Landtag ist wie immer“

Fällig werden sie, wenn ein Abgeordneter „persönlich verletzende Zwischenrufe macht oder die Würde oder Ordnung des Hauses verletzt“, wie es in der Geschäftsordnung des Landtags heißt. Das war aus der Sicht der Sitzungspräsidentin beispielsweise der Fall, als Frank Grobe (AfD) der Linken in einer sozialpolitischen Debatte vorwarf, dass es ihr nicht um Arbeiter gehe, sondern um „arbeitsfähiges Melkvieh“.

Bereits gerügte Abgeordnete, die sich in derselben Sitzung noch einmal danebenbenehmen, werden zur Ordnung gerufen. Dazu kann es „je nach Schwere des Verstoßes“ aber auch schon unmittelbar nach der ersten Äußerung kommen. So erging es Jan Schalauske, dem Fraktionschef der Linken, als er Abgeordnete der AfD „braune Hetzer“ nannte. „Das geht gar nicht“, ermahnte ihn der Sitzungspräsident Frank Lortz (CDU). Nachdem 2021 kein einziger Ordnungsruf nötig war, wurden im zu Ende gehenden Jahr zwei registriert.

In 31 Plenarsitzungen, die oft einen Tag lang dauerten, hielten die Abgeordneten insgesamt mehr als 2200 Reden, diese sind auf rund 2600 eng bedruckten Seiten wörtlich protokolliert. „Der Landtag ist wie immer“, sagte der heutige Ministerpräsident Boris Rhein im Gespräch mit der F.A.Z., als er Anfang des Jahres 2019 das Amt des Landtagspräsidenten übernahm. Aus der Sicht des Unionspolitikers, der den Betrieb in Wiesbaden seit mehr als zwei Jahrzehnten kennt, ist der Ruf, „das härteste Parlament der Republik“ zu sein, nicht verdient. In manch anderem Bundesland gehe es tatsächlich heftiger zu, meinte Rhein.

Astrid Wallmann, seit dem Sommer Rheins Nachfolgerin an der Spitze des Parlaments, sieht die Dinge ähnlich. In der Vergangenheit habe es wesentlich mehr Sitzungsunterbrechungen mit Gesprächen des Ältestenrats gegeben als heute, stellt die Dreiundvierzigjährige fest. „Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass der Ton allgemein rauer geworden ist.“ Die Demokratie lebe vom harten Ringen um die besten Argumente, aber es gebe selbstverständlich Grenzen. „Und ich nehme wahr, dass ein rauer Umgangston Menschen eher abschreckt“, berichtet die Parlamentspräsidentin. Darum sei sie erleichtert, dass die Streitkultur in den Plenardebatten in Wiesbaden sich positiv entwickle.

Dies liege nicht an ihr persönlich, sondern an der Disziplin der Abgeordneten. Allerdings: „Was überhaupt nicht zu tolerieren ist, sind persönlich verletzende Äußerungen.“ Gegen solche Grenzüberschreitungen werde sie auch weiterhin entschieden vorgehen, sagt Wallmann. Auch in der Demokratie gelte der Grundsatz: „Der Ton macht die Musik.“

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