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#Entspannung auf niedrigem Niveau?

Entspannung auf niedrigem Niveau?

Dieser Tage werden Bilder der ersten Begegnung des sowjetischen Parteichefs Michail Gorbatschow mit dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan hervorgeholt: November 1985, Genf, Kaminfeuer, Beginn der amerikanisch-sowjetischen Entspannung am Ende des Kalten Kriegs. Vor ihrem ersten Treffen am Mittwoch in Genf dürften sich Joe Biden und der russische Präsidenten Wladimir Putin hingegen nur in einer Einschätzung einig sein: dass das bilaterale Verhältnis zwischen Amerika und Russland an einem Tiefpunkt angelangt sei.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Derzeit haben beide Länder nicht einmal die Möglichkeit, über ihre Botschafter miteinander zu kommunizieren. Im März berief Moskau seinen Vertreter in Washington zurück, nachdem Biden in einem Interview gesagt hatte, Russland werde für die Einmischung in die amerikanischen Wahlen einen „Preis bezahlen“ und der Einschätzung zugestimmt hatte, Putin sei ein „Killer“. Im April drängte Russland den amerikanischen Botschafter in Moskau zur Rückkehr nach Washington und setzte die Vereinigten Staaten (sowie die Tschechische Republik) im Mai auf seine neue Liste „unfreundlicher Staaten“. Das hat zur Folge, dass die diplomatischen Vertretungen der Vereinigten Staaten in Russland keine Ortskräfte mehr beschäftigen dürfen.

Biden hat auf den ersten Stationen seiner Europa-Reise bekräftigt, er suche nicht den Konflikt. „Ich werde Präsident Putin klar machen, dass es Bereiche gibt, in denen wir kooperieren können, wenn er es will“, sagte Biden am Montag nach dem NATO-Gipfel in Brüssel. Er werde Putin aber auch aufzeigen, „wo die roten Linien sind“. Schon beim G-7-Gipfel in Cornwall hatte Biden gesagt, er wolle, dass die Verletzungen internationaler Normen aufhörten. Die Nachrichtendienste hätten ihm bestätigt, dass Moskau sich in die amerikanischen Wahlen eingemischt habe und an Cyber-Angriffen beteiligt gewesen sei. Darauf habe er reagiert – und darauf werde er auch künftig reagieren.

Cyber-Kriminelle ausliefern?

Die Gründe für amerikanische Sanktionen gegen Russland sind seit der Annexion der Krim und dem Beginn der Aggression gegen die Ukraine 2014 immer mehr geworden: das Vorgehen gegen Regimegegner, Anschläge mit dem verbotenen Kampfstoff Nowitschok, Cyber-Attacken, Wahleinmischung. Jenseits „spiegelbildlicher“, routinierter Diplomatenausweisungen fehlen Russland die Mittel, es Washington mit gleicher Münze heimzuzahlen, weil die wenigsten Amerikaner etwas mit Russland verbindet.

Stattdessen hat man zwei (erklärtermaßen russophile) frühere amerikanische Soldaten während Moskau-Besuchen unter fragwürdigen Vorwürfen zu langen Haftstrafen verurteilt, offenkundig mit dem Ziel, sie gegen Russen in amerikanischer Haft wie den Waffenhändler Viktor But auszutauschen. Zur Cyberkriminalität, in der die Vereinigten Staaten regelmäßig russische Angreifer ausmachen (jüngst auf eine Pipeline und einen Fleischproduzenten) und die Biden in Genf ansprechen will, sagte Putin nun, man sei bereit, Kriminelle auszuliefern, wenn Washington seinerseits dazu bereit sei; Details fehlten.

Demonstration von „Augenhöhe“

Für Putin ist die Begegnung in Genf ein Selbstzweck. Gipfeltreffen mit dem großen Gegner Amerika – wie nun mit Biden im Anschluss an dessen erste Auslandsreise zu den G7 und der NATO – sind für ihn symbolisch höchst bedeutsam. Sie zeigen ihn auf Augenhöhe oder gar als Punktsieger, wie bei dem Treffen mit Bidens Vorgänger Donald Trump in Helsinki im Juli 2018. Der innenpolitische Skandal, der auf Trumps Parteinahme für Putin und der Brüskierung der eigenen Geheimdienste folgte, soll jetzt den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Biden eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem russischen Machthaber ablehnte.

Öffentlich äußerte er in Großbritannien, es gehe nicht um einen Wettbewerb darum, wem es vor der Kamera besser gelinge, den anderen in Verlegenheit zu bringen. Ihm gehe es darum, klarzustellen, unter welchen Bedingungen sich die Beziehungen beider Staaten verbessern ließen. Putin hatte als Reaktion auf Bidens „Killer“-Vorwurf (über den es in Washington hieß, seine Berater seien darüber nicht erfreut gewesen) auf das Alter des Amerikaners angespielt: Er wünsche ihm „gute Gesundheit“ – das sage er ohne jede Ironie. Eine Bühne für derlei Spielchen wollen die Amerikaner dem Russen nicht geben.

Washingtons Interesse an Deeskalation

Aus amerikanischer Sicht ist der Zweck der Genfer Begegnung tatsächlich der Versuch herauszufinden, ob sich die Beziehungen stabilisieren lassen. Washington hat kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Abgesehen davon, dass irgendwann ein gefährliches Konfliktniveau erreicht wäre, bindet die Auseinandersetzung aus Sicht der Biden-Regierung nur Ressourcen, die man lieber anderweitig einsetzen möchte. Für Washington ist Peking die eigentliche Herausforderung – nicht Moskau. Putin freilich agiert als Störer, nicht nur im Westen. Ließe er es zu, dass Amerika sich auf den neuen Systemkonflikt, die Rivalität mit China, konzentrieren könnte, würde er unfreiwillig den Status als Regionalmacht bestätigen, den Barack Obama Russland einst zugeschrieben hat.

Putin legte in einem Interview mit dem Staatsfernsehen mögliche Themen dar, bei denen man mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten könne: Gespräche über Konflikte wie in Syrien und Libyen, Klimawandel, Rüstungskontrolle. Um Letztere ist es längst nicht mehr gut bestellt. Nach Bidens Amtsantritt wurde zwar New Start, ein wichtiges Abkommen zur Begrenzung der Trägersysteme und der einsatzbereit gehaltenen Nuklearsprengköpfe, bis 2026 verlängert, doch andere Rüstungsabkommen liefen unter gegenseitigen Schuldzuweisungen aus.

Das Problem geht tief: Es gehört zu Putins Markenkern, mit Wunderwaffen zu prahlen und von Eroberungsplänen westlicher Feinde zu raunen, die mit inneren Verrätern gemeinsame Sache machten. Doch könnte ihm an einer Entspannung auf niedrigem Niveau gelegen sein, um schmerzhaftere amerikanische Sanktionen etwa im Handel mit Staatsobligationen zu vermeiden.

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