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Er pflanzt Begriffe

Wirken und Einfluss eines Historikers lassen sich nicht nur an der Zahl der Publikationen messen, sondern auch daran, ob er Begriffe prägen konnte, die sich im wissenschaftlichen Diskurs etabliert haben und mit seinem Namen verbunden sind. Konrad Jarausch ist das mehrmals gelungen. Für den DDR-Sozialismus formulierte er 1998 den Begriff der „Fürsorgediktatur“. In einer Zeit der von Massenarbeitslosigkeit bestimmten sozialen Verwerfungen im Osten Deutschlands, in der viele ehemalige DDR-Bürger die Geborgenheit der alten Verhältnisse verklärten, erfasste der Terminus der Fürsorgediktatur recht treffend den Widerspruch zwischen Obhut und Repression.

Um das Verhalten der deutschen Universitäten und ihrer Studenten im Jahr 1933 angemessen zu beschreiben, wählte Jarausch den Begriff der „Selbstgleichschaltung“. Und mit dem nicht unumstrittenen Schlagwort von der „doppelten Vergangenheitsbewältigung“ bezeichnete er schließlich die spezifisch deutsche Herausforderung, gleich mit zwei Diktaturerfahrungen umgehen zu müssen.

Angeregt durch Fritz Fischer

Am Anfang seiner Karriere stand eine Biographie Theobald von Bethmann Hollwegs mit dem programmatischen Titel „The Enigmatic Chancellor“, die sich insbesondere der Verantwortung des von 1909 bis 1917 amtierenden Reichskanzlers für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges widmete. Mit der Arbeit, angeregt durch einen Vortrag Fritz Fischers, den Jarausch als dreiundzwanzigjähriger „teaching as­sis­tant“ in Madison gehört hatte, wurde er 1969 an der University of Wisconsin promoviert.

Weniger bekannt ist Jarauschs frühes Engagement für quantitative Methoden in den Geschichtswissenschaften zu einer Zeit, als es noch eine „verbreitete Aversion der Humanisten gegen Zahlen, Tabellen und Schaubilder“ gab, wie er im Vorwort des 1976 von ihm herausgegebenen Bandes zu „Problemen und Möglichkeiten“ der Quantifizierung in der Geschichtswissenschaft feststellte. 1996 gehörte der Pionier der Digital Humanities zu den Gründern der Rezensionsplattform H-Soz-Kult.

Jarausch bezeichnet sich selbst als Amerikaner; in den Vereinigten Staaten hat er den Großteil seines Lebens verbracht. Der gebürtige Magdeburger ging 1960 mit neunzehn Jahren zunächst als Campusgärtner nach Wyoming. Er blieb seiner deutschen Herkunft aber stets verbunden und verstärkte sein Engagement als transatlantischer Kommunikator insbesondere nach der „Wende“ – um einen Begriff zu gebrauchen, den er selbst zugunsten der „friedlichen Revolution“ vermeidet.

1998 wurde er ausdrücklich mit Verweis auf die Interdisziplinarität seiner Forschungen und seine exzellenten Kontakte zur internationalen Wissenschaft als Ko-Direktor an das Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam berufen. Das Institut war aufgrund einer Empfehlung des Wissenschaftsrates als Auffanggesellschaft für Zeithistoriker der außeruniversitären Forschungsinstitute der DDR gegründet worden, erster Direktor war Jürgen Kocka. Zum Zeitpunkt der Berufung von Jarausch war die Fortexistenz der jungen Einrichtung ungewiss. Jarausch trug erheblich zur Konsolidierung des Zentrums bei, das 2009 in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen wurde. Seine Professur in Chapel Hill behielt Jarausch bei.

Er prägte eine ganze Doktorandengeneration diesseits und jenseits des Atlantiks, die das „Modell Jarausch“ schätzen lernte, welches das Beste aus beiden akademischen Welten vereint. Den intellektuellen Austausch der jungen Wissenschaftlergenerationen hat er auch nach seiner Emeritierung 2006 stets gefördert. Am 14. August 2021 feiert Konrad Jarausch seinen achtzigsten Geburtstag.

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