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#„Es geht ihnen nicht um Koexistenz“

„Es geht ihnen nicht um Koexistenz“

Hinter dem Kreisverkehr, in der Peripherie des internationalen Flughafens Ben Gurion, beginnt die Stadt Lod. Eingeschmissene Fenster an der Bushaltestelle. Ein ausgebranntes Auto auf dem Parkplatz. Verkohlte Reste einer Barrikade. Dann kommt die Maoz-Thoraschule neben einer Akademie, die auf den Wehrdienst vorbereitet. Um die Fenster im ersten Stock ist die blaue Farbe rußgeschwärzt. Sicherheitskräfte der paramilitärischen Grenzpolizei stehen vor dem Zaun neben ihren gepanzerten Fahrzeugen. Die Akademie liegt in einem palästinensischen Wohngebiet, in das in den vergangenen Jahren aus ideologischen Gründen vermehrt Juden gezogen sind. Siebzig Prozent der Einwohner haben im altstadtnahen Viertel Ramat Eschkol heute noch arabischen Hintergrund.

Jochen Stahnke

Politischer Korrespondent für Israel, die Palästinensergebiete und Jordanien mit Sitz in Tel Aviv.

Im Hof findet heute ein Familienfest statt. Kinder rutschen eine aufblasbare Rutsche herunter, es gibt ein Buffet mit Gebäck, dazu Plastikbecher und Softdrinks vor dem Eingang, aus dem Männer mit gehäkelter Kippa und Pistolen am Gürtel ein und aus gehen. „Wir können nicht schlafen, es wird immer geschossen um uns herum“, sagt Tsofia Dreyfuss, 37, am Tisch vor der Rutsche. „Meine Nachbarn auf demselben Stockwerk sind Araber, wir haben denen nie etwas getan“, sagt sie, während um sie herum einige ihrer sieben Kinder spielen. „Wir haben in dem Glauben gelebt, dass die Araber uns mögen“, sagt Dreyfuss, „aber jetzt nicht mehr so richtig.“

 Junge Männer retten die Heilige Schrift in der vergangenen Woche aus einer ausgebrannten Synagoge in Lod.


Junge Männer retten die Heilige Schrift in der vergangenen Woche aus einer ausgebrannten Synagoge in Lod.
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Bild: Reuters

Offene Straßenschlachten

Nach den Unruhen in Jerusalem ist die Gewalt in vielen gemischten Orten in Israel eskaliert, und besonders schlimm war es in Lod, einer Achtzigtausend-Einwohner-Stadt mit insgesamt dreißig Prozent arabischer Bevölkerung. Sie sind Nachkommen der einigen Hundert von insgesamt Zehntausenden Palästinensern, die 1948 nicht aus der Stadt vertrieben worden waren.

Vergangene Woche demonstrierten arabische Bürger unter anderem gegen die Polizeieinsätze in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Dabei kletterte ein Jugendlicher auf einen Mast in Lod und befestigte daran eine palästinensische Flagge. Das trieb einige jüdische Bewohner zur Weißglut, und in der Nacht kam es zu offenen Straßenschlachten. Vor dem Moscheeplatz erschoss ein jüdischer Israeli den 32 Jahre alten Moussa Hassouna. Aufnahmen zeigen, wie er sich in einer Gruppe aufhielt, die Steine in Richtung der Häuser mutmaßlich jüdischer Bewohner warf. Dann wurde Hassouna niedergestreckt, ohne dass der Schütze zu sehen war. Israelische Medien berichteten von Notwehr, bis die Staatsanwaltschaft drei Festnahmen anordnete und Ermittler sagten, angesichts der großen Entfernung der Schüsse sei Notwehr auszuschließen.

Ein Einwohner Lods besucht auf dem muslimischen Friedhof der Stadt ein zerstörtes Grab.


Ein Einwohner Lods besucht auf dem muslimischen Friedhof der Stadt ein zerstörtes Grab.
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Bild: AP

Am folgenden Tag, als der Tote in der Moschee aufgebahrt und dann zum Friedhof getragen werden sollte, verwandelte sich der Trauerzug in eine weitere Demonstration. Auf dem Weg von der Moschee zum Friedhof standen die Nationalreligiösen mit israelischen Flaggen, ebenso die Grenzpolizei. Es kam zu gegenseitigen Beleidigungen und Übergriffen, und die Sicherheitskräfte trieben die arabischen Demonstranten mit Tränengas auseinander. „Nur zwanzig Personen haben es mit dem Leichnam auf den Friedhof geschafft“, sagt Maha Elnakib, die bis vor wenigen Jahren im Stadtrat von Lod saß. „Tausende hatten den Trauerzug anfangs begleitet.“ Daraufhin eskalierten die Zusammenstöße weiter. In der Nacht griffen arabische Jugendliche jüdische Autofahrer mit Steinen an, wobei ein Fahrer schwer am Kopf getroffen wurde. An diesem Montag erlag Jigal Jehoschua seinen Verletzungen.

Schlägertruppen aus der jüdischen Siedler- und Hooliganszene

Am dritten Tag seien Schlägertruppen aus der jüdischen Siedler- und Hooliganszene in mehreren Bussen nach Lod gefahren, um sich am Straßenkampf zu beteiligen und Autos anzuzünden, sagt Elnakib. Die Hooligans hätten Spalier gestanden an den Straßen und geprüft, wer Araber sei, und diese Autos daraufhin mit Steinen eingedeckt. Auch Tsofia Dreyfuss kritisiert die Hooligans. „Wir wollen keine Gruppen, die herkommen, um sich an Ausschreitungen zu beteiligen. Weil wir es sind, die morgen noch mit den Arabern leben müssen.“

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Gegen zwei Uhr in der Nacht auf Mittwoch tauchte dann Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Lod auf. Fahl und übernächtigt versprach er: „Wir werden Ruhe und Ordnung mit eiserner Faust wiederherstellen.“ Die Behörden verhängten den Notstand und eine nächtliche Ausgangssperre und verlegten eine große Anzahl Grenzpolizei in die Stadt.

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