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#„Es ist ein Albtraum, wenn es eine Infektion in einem Pflegeheim gibt“

„Es ist ein Albtraum, wenn es eine Infektion in einem Pflegeheim gibt“

Herr Schmidt, wie viele Menschen in den Altenheimen sind schon geimpft?

Theresa Weiß

Die Impfungen stehen hier in Hessen kurz vor dem Ende. Ich schätze, Ende des Monats haben alle die Erst- und Zweitimpfungen erhalten.

Und was ändert sich dadurch?

Wir überlegen gerade, wie die Öffnung der Einrichtungen weiter erfolgen kann. Im Moment sind zwei Besuche von zwei Menschen pro Heimbewohner in der Woche erlaubt. Wir werden uns für eine erweiterte Besuchsregelung für Ostern und eine umfassende Erweiterung durch die Verordnung des Landes Hessen einsetzen. Mit behutsamen Schritten wollen wir uns an die alte Normalität annähern. Wobei es nur eine Annäherung sein kann. Meine These ist, dass wir jahrelang mit dieser Pandemie und Mutationen leben müssen.

Also gibt es noch jahrelang nur begrenzte Besuche?

Alle kommen zu ihren Besuchen. Das Bild von völliger Vereinsamung, das häufig gemalt wird, kann ich in dieser Dramatik nicht bestätigen. Wenn es einem Bewohner schlecht ging, hat er immer Verwandtenbesuche ermöglicht bekommen. Die Bewohner konnten während der gesamten Pandemie die Einrichtungen verlassen und ihre Familien zuhause besuchen. Es gab nie Ausgangsverbote. In der ersten Welle haben wir uns mit Spaziergängen und Fensterbesuchen beholfen. Doch nun, wo die Schutzausrüstung da ist und die Testungen – leider verspätet – möglich sind, ist das Besuchsgeschehen eigentlich entspannt und kann jetzt mit weiteren Perspektiven versehen werden. In Einrichtungen, die nicht von Infektionen betroffen waren, gab es außerdem ein recht normales Leben.

Es gibt Berichte, dass es kein normales Leben gab. Wie ist das zu erklären?

Solange es noch ein Infektionsgeschehen gibt, wird man nicht den Speisesaal öffnen. Dass man sich vorstellen muss, die Leute hätten gezwungenermaßen auf ihren Zimmern gegessen, keine Kontakte gehabt oder nicht mal in kleineren Gruppen zusammengesessen – das ist kein zutreffendes Bild. Wir haben bei unseren Einrichtungen eine große Abfrage gemacht, wie der Alltag im Heim aussieht. Das hat gezeigt: Es gibt vielleicht Beispiele von Isolation, aber das ist nicht die Realität in der übergroßen Zahl der Einrichtungen. Dass es Ausnahmen gegeben haben mag, kann ich nicht ausschließen. Vielleicht aus Angst.

Wovor fürchten sich die Heimleiter?

Es ist ein Albtraum, wenn es eine Infektion in einer Einrichtung gibt. Denn sie ist gebrandmarkt: Hier sind Menschen gestorben. Das wollten wir verhindern. Aber wir konnten es nicht. In einem Drittel unserer Einrichtungen hatten wir Infektionen, und in einem größeren Teil davon kam es zu Sterbefällen. Das ist für alle Mitarbeiter im Pflegeheim, aber auch für uns als Träger im Backoffice der worst case, der GAU. Uns anvertraute Menschen erkranken oder sterben gar, weil wir die Pandemie nicht haben draußen halten können. Mitarbeiter hatten Angst, verantwortlich zu sein für eine Infektion. Es war der ethische Anspruch eines jeden Pflegenden: alles zu tun, um nicht derjenige zu sein, der die Infektion ins Haus bringt.

Was lief schief?

Die Tests kamen viel zu spät. Ich weiß, dass Kapazitäten teilweise nur zur Hälfte ausgeschöpft wurden. Wir hätten viel früher viel mehr testen müssen. Nicht, damit Menschen ins Kino können, sondern um Menschen zu identifizieren, die symptomlos infiziert sind. Bevor sie weiter infizieren können. Das war einer der schwerwiegendsten Fehler in dieser Pandemie. Das hat Menschenleben gekostet.

Umarmungen trotz Corona? Im italienischen Pflegeheim San Michele Arcangelo wurde dafür ein Raum mit einer Plastikplane zwischen Bewohner und Besucher eingerichtet.


Umarmungen trotz Corona? Im italienischen Pflegeheim San Michele Arcangelo wurde dafür ein Raum mit einer Plastikplane zwischen Bewohner und Besucher eingerichtet.
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Bild: dpa

Aber jetzt hat sich die Lage verändert. Wann ändern sich die Regeln?

Es war wie gesagt nie so, dass die Menschen völlig isoliert waren. Aufgrund der Impfsituation stellt sich die Frage, wie in kontrollierbaren Schritten gelockert werden kann, ohne dass ein Rückfall droht. Etwa Treffen in Kleingruppen oder Essen im Speisesaal, oder kleine Veranstaltungen zu Ostern. Aber wir müssen vorsichtig sein. Am Eingang muss weiter getestet werden, weil wir in der Bevölkerung noch zu wenige Impfungen haben. Bis wir sicher sind, dass alle geimpft sind und die Weitergabe von Infektionen ausgeschlossen ist. Vielleicht hält der Impfschutz ja nur fünf, sechs, acht Monate. Ich plädiere trotz der Impfungen und der endlich angelaufenen Tests, alle Regeln zu beachten.

Warum? Sie sprechen von der Möglichkeit eines Rückfalls – passen Sie die Hygienekonzepte deswegen nicht an?

Eindeutig. Wir haben die Pandemie noch gar nicht unter Kontrolle. Namhafte Wissenschaftler sagen, wir sind am Beginn der dritten Welle. Was ist, wenn Mutanten kommen, gegen die die Impfung nicht hilft? Auch sonst fehlen abschließende Erkenntnisse. Es ist noch nicht mal so, dass alle Wissenschaftler sagen, wer geimpft ist, kann keine Infektionen weitergeben.

Was muss also geschehen?

Schnell impfen, viel testen und parallel akribisch die Regeln einhalten. 

Es sollen trotzdem Lockerungen kommen. Welche würden Sie befürworten?

Eine Verdopplung des jetzigen Besuchsgeschehens zum Beispiel, wenn es keine pandemischen Katastrophen gibt. Die Lage hat sich durch Impfungen und Tests entspannt, aber wir wollen das Niveau nicht wieder erhöhen. Wir beraten außerdem über die Lockerung der Kontakte innerhalb der Einrichtung. 

Was sagen Sie Menschen, die argumentieren, dass sie nicht mehr viel Zeit haben? Die vielleicht die letzten Lebensmonate unter diesen Bedingungen verbringen müssen?

Wir haben in Hessen von Anfang an die gewählten Heimbeiräte der Bewohner einbezogen in die Entscheidungen. Wir haben gefragt, welche Bedürfnisse sie haben, sowohl nach Kontakten als auch nach Schutz. Natürlich gibt es die Menschen, die sagen: Mir ist das jetzt egal in meinem Alter. Aber wir haben auch sehr große Anteile von Bewohnern, die nicht wollen, dass viele Leute ins Haus kommen, weil sie Angst um ihr Leben haben. Auch da muss man beide Seiten sehen. 

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