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#EU-Aufbaufonds: Schritt in die Fiskalunion

EU-Aufbaufonds: Schritt in die Fiskalunion

Wird über mögliche dauerhafte Folgen der Krise debattiert, gilt das Interesse hierzulande meist der künftigen Balance zwischen Büro und Homeoffice, Dienstreise und Zoom-Meeting oder dem Vormarsch des Online-Handels zu Lasten lebendiger Innenstädte. Ein neues Gleichgewicht kann die Corona-Politik hier nicht vorgeben, es wird sich einspielen. Doch auf einem ganz anderen Feld – im Verhältnis zur EU – hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Pandemiebeschlüsse die Gewichte neu justiert.

Mitten im kurzatmigen Krisenmanagement und ohne große Notiz der Öffentlichkeit hat der Bundestag einen Teil seines Königsrechts, die Finanzhoheit, aufgegeben – zugunsten der EU. Sehr wahrscheinlich ist das der erste Schritt in eine Fiskalunion, den die deutsche Politik in der Euro-Schuldenkrise mehrheitlich noch vehement abgelehnt hatte.

Deutschland haftet damit für Schulden anderer Mitgliedstaaten. Das ist der qualitativ neue Kern des Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetzes, das am Donnerstag eine breite Mehrheit fand. Der kryptische Titel verschleiert die Tragweite. Das deutsche Parlament genehmigt der Europäischen Kommission erstmals die nennenswerte Aufnahme von Schulden, was die EU-Verträge nicht vorsehen.

Erstmals größere Schuldenaufnahme der EU genehmigt

Bis zu 750 Milliarden Euro darf sich die Kommission bis Ende 2026 an den Kapitalmärkten leihen, um die EU-Staaten im Kampf gegen das Virus zu unterstützen. Für diese Solidaraktion haften die EU-Länder in Abhängigkeit ihrer Wirtschaftskraft. Fällt ein Zahler aus, müssen die übrigen nachschießen.

Weniger klar als behauptet ist der Zweck. Das Geld diene „ausschließlich“ der Bewältigung der Folgen der Covid19-Krise, heißt es im Gesetz. Über einen „Wiederaufbaufonds“ soll es vor allem den besonders von der Krise getroffen EU-Staaten helfen. Der Großteil der Hilfe fließt aber wohl erst, wenn das Virus durch Impfung gebannt ist und die Erholung der EU-Wirtschaften, befeuert durch expansive Fiskal- und Geldpolitik, eingesetzt hat.

Daher dürfen die Milliarden – teils als Darlehen, teils als Zuschüsse – für wachstumsfördernde Investitionen aller Art zur Erneuerung der EU genutzt werden. Das hat wenig mit der Pandemie zu tun, die sinnvolle Verwendung ist kaum kontrollierbar. Die EU-Kommission, die die nationalen Programme überwachen soll, hat ihre Glaubwürdigkeit durch laxen Umgang mit den Maastricht-Kriterien ohnehin verloren.

„Alles nur befristet“

„Alles nur befristet“, beteuern die Unionspolitiker, denen das Gesetz Unbehagen bereitet. Sie sehen die EU-Schuldenerlaubnis und die Haftungsübernahme durch die Ausnahmeklausel in Artikel 122 der Europäischen Verträge gedeckt. Der Marsch in die Fiskalunion und dauerhafte Abgabe von Kompetenzen seien damit weder verbunden noch beabsichtigt.

Doch kurz vor der Abstimmung provozierte ihr Koalitionspartner SPD abermals mit der gegenteiligen Erwartung, das Gesetz werde und solle den Weg in die Fiskalunion ebnen. Einer EU-Haftungsgemeinschaft reden SPD, Grüne und Linke schon lange das Wort. Auch in Brüssel und Paris freute man sich über den „historischen Moment“, nachdem die EU-Staats- und Regierungschefs das Vorhaben vergangenen Mai ins Rollen brachten.

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Formal hat die Union recht. Das Gesetz verlagert die Kompetenz nur befristet, die Haftung ist gedeckelt. Aber die Tilgung zieht sich bis 2058, bindet also die nächste Generation. Es befördert zudem die Einführung eigener EU-Steuern, als kleine Anzahlung enthält es die neue Plastikmüllabgabe.

Wahrscheinlich glaubt auch in der Union niemand ernstlich, dieser Machtzuwachs der EU werde sich wieder umkehren lassen. Schließlich sind auch zunächst als befristet deklarierte Hilfen der Euro-Krise inzwischen institutionalisiert worden.

Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht 

Vor dem Bundesverfassungsgericht liegen erste Klagen. Juristen bezweifeln, dass die Beschlüsse vom Grundgesetz gedeckt sind. Für die Folgen fremder Willensentscheidungen dürften deutsche Steuerzahler nicht haften, erläuterte der Bonner Professor Matthias Herdegen in der F.A.Z. Aber schon der jahrelange gerichtliche Streit über die Kompetenzen der Europäischen Zentralbank hat nicht die erhoffte Klarheit gebracht.

Der Streit über die Befugnisse der EU und ihre Währungsunion muss daher politisch offen ausgefochten werden. Ökonomische Gesetzmäßigkeiten sollte die Politik dabei lieber nicht ignorieren. Die Handlungsfähigkeit der EU hängt davon ab, ob sie ihre Schulden nach der Pandemie wieder in den Griff bekommt. Das wird nur gelingen, wenn die Verursacher für die finanziellen Folgen ihrer Entscheidungen wieder haften. Verantwortlich sind die nationalen Parlamente, sie sind der Vertrauensanker ihrer Bürger. Wer das ändern will, muss für eine Korrektur der EU-Verträge werben und die Mehrheiten organisieren. Fragwürdige juristische Abkürzungen in eine „Politische Union“ werden die EU schwächen, nicht stärken.

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