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#Fallzahlen treiben Mutationen: Das Risiko Evolution

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Fallzahlen treiben Mutationen: Das Risiko Evolution

Es bleibt ein gnadenloser Wettlauf. Das Virus oder wir. So wollen wir es sehen. So sollten wir es wohl auch sehen. Durchhalten. Aber nach einem Jahr Pandemie ohne Pause, nach inzwischen zwei Millionen Covid-19-Toten weltweit und offiziell mehr als 90 Millionen gemeldeten Infizierten und vor allem mit der Aussicht auf eine neue, vielleicht entscheidende Phase in dem evolutionären Wettlauf zwischen Erreger und seinem Wirt, heißt es, dem Gegner und dessen Stärken offen ins Auge zu sehen. Gut möglich nämlich, dass die Evolution nicht auf unserer Seite ist.

Joachim Müller-Jung

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Die neue Gefahr hat vor einem Monat einen Namen bekommen, der leicht in die Irre führt: „britische Variante“. Es handelt sich um eine Linie des Sars-CoV-2-Erregers, eine Kombination von siebzehn Mutationen im Virenerbgut, die zwar in England zuerst beschrieben wurde, aber keineswegs dort auch entstanden sein muss. In 43 Ländern hat man diese Variante inzwischen identifiziert, Virengenome mit dem entsprechenden Profil aus fast drei Dutzend Ländern sind in der Gendatenbank von „Gisaid“ hinterlegt. Keine Frage: Diese Virusvariante, wissenschaftlich als B1.1.7. bekannt, ist etwas Besonderes. In England und in Irland hat die Ausbreitung dieser Mutanten in den vergangenen drei Wochen offenbar für einen raketenartigen, bisher beispiellosen Anstieg der Corona-Fallzahlen geführt.

Fitnessvorteile für das Virus

Vor Neujahr, in Woche 51, war ihr Anteil unter den in Irland genetisch sequenzierten Viren von Covid-19-Patienten noch bei knapp acht Prozent, zwei Wochen später waren es 25 Prozent. Die neue Variante verdrängt die „alten“ Virusstämme. Zufall? Vermutlich nicht. Aus unterschiedlichen Untersuchungen – epidemiologischen Daten, Experimenten und Modellierungen – schließen die Virologen: Diese besondere Kombination von Mutationen verleiht der Variante einen evolutionären Vorteil, sprich: mehr Fitness. Es wird leichter übertragen, die Menschen können sich schneller anstecken.

Solche Fitnessvorteile entstehen oft zufällig und sind meist schwierig zu ermitteln. Seitdem sich das Virus in Menschen ausbreitet, hat es sicher diverse solcher Zufälle gegeben, neue Mutationen, die dem Virus Fitnessvorteile bringen. D614G etwa, eine schon im Februar (zuerst in München und in China) aufgetauchte Einzelmutation, dominiert mittlerweile in allen derzeit zirkulierenden Sars-CoV-2-Viren. Monatelang versuchte man sie zu verstehen. Im Dezember ist nun die Mutation im Spike-Protein des Erregers in einer „Science“-Publikation überführt worden: Das Virus bindet durch den Austausch einer Aminosäure im Spike-Protein tatsächlich leichter an den ACE2-Rezeptor, kann sich schneller vermehren. Im Prinzip also eine ähnliche Situation wie bei der Variante B1.1.7. – mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass die Kombination von so vielen Mutationen in einer Variante, deren jeweilige biologische Wirkung bisher nur marginal verstanden wird, offenbar einen noch viel gewaltigeren Fitnessvorteil bringt.

Die Reproduktionszahl (R-Wert) des Pandemie-Erregers wird dadurch um 0,4 bis 0,6 angehoben, so haben Wissenschaftler um Neil Ferguson und Erik Volz am Imperial College ausgerechnet. Britische Regierungswissenschaftler sprechen von einer um 50 Prozent gesteigerten Übertragungsrate. Übersetzt in die Corona-Maßnahmen, heißt das: Ein Lockdown, der bisher den R-Wert auf 0,7 drücken konnte und damit die Neuinfektionszahlen jede Woche etwa halbiert, genügt bei der B1.1.7.-Variante nicht mehr zur Eindämmung. Stattdessen würden der R-Wert über eins und die Fallzahlen ebenfalls steigen – und damit auch die Zahl der Covid-19-Opfer. Um es noch deutlicher zu machen: Ein R-Wert von 1,0, bei dem jeder Infizierte einen weiteren ansteckt und damit die Fallzahlen in einer beliebigen Region stabil auf tausend Neuinfektionen pro Monat hielte, müsste mit der Variante in einem Monat mit zehntausend Neuinfektionen rechnen.

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