#Film rollt Politskandal auf: Tatort Aserbaidschan
Inhaltsverzeichnis
Ein gelungener Film über politische Korruption auf höchster Ebene feiert Premiere – im Deutschen Bundestag. Warum dort? Weil es um einen wahren Skandal geht, der noch andauert. Er spielt im Europarat und bei uns.
Gleich zwei als „Tatort“-Kommissare bekannte Schauspieler haben ARD und SWR aufgeboten, um das Publikum für ihre neue Gemeinschaftsproduktion mit dem Titel „Am Abgrund“ zu interessieren: Hans-Jochen Wagner, der als Kommissar Friedemann Berg im Schwarzwald ermittelt, und Axel Milberg, der als Klaus Borowski in Kiel Unholde jagt. Außerdem sind da noch Heiner Lauterbach und weitere namhafte Besetzungen. Die schauspielerische Prominenz wurde wohl auch deshalb als nötig angesehen, weil das Thema dieses Films auf den ersten Blick wenig attraktiv wirkt: Es geht um Aserbaidschan und den Europarat.
Also um eine ehemalige Sowjetrepublik im Kaukasus, die vermutlich nicht viele Zeitgenossen auf Anhieb auf einer Weltkarte finden könnten, und um ein politisches Gremium, das mitunter selbst von politisch Interessierten mit dem Europäischen Rat verwechselt wird, also mit der EU.
Ein europäisches Drama
Doch dem Regisseur Daniel Harrich gelingt es, das Thema spannend, wirklichkeitsnah und ohne groteske Übertreibungen zu erzählen. Natürlich muss er seinen Stoff, der bedauerlicherweise auf einer wahren Begebenheit beruht, straffen und vereinfachen, muss weglassen und hinzuerfinden, um aus der komplizierten Wirklichkeit eine Geschichte zu machen, die sich in Spielfilmlänge erzählen lässt. Aber das gelingt ihm. Selbst wer Aserbaidschan nicht auf der Karte finden und den Europarat noch nie vom Europäischen Rat unterscheiden konnte, wird dieses europäische Drama und Korruption und Verführbarkeit, das sich in scheinbar weiter Ferne ereignet und doch mitten ins Herz unserer Demokratie führt, auf Anhieb verstehen können und wohl auch spannend finden.
Im Mittelpunkt steht der fiktive Bundestagsabgeordnete Gerd Meineke (gespielt von Hans-Jochen Wagner), der auch dem Europarat angehört. Der wurde nach der Zäsur des Zweiten Weltkrieges bereits 1949 gegründet, um unter seinen Mitgliedstaaten Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Meineke ist Mitglied von dessen parlamentarischer Versammlung. Die ist ein Gremium, in das die mehr 46 Mitgliedstaaten des Europarats Abgeordnete entsenden.
„Das ist unser Europarat!“
Doch mit der Zeit entdeckt Meineke, dass diese alte Organisation keinesfalls durchweg ehrwürdig ist. Aserbaidschan, ein von seinem Präsidenten Ilham Alijew diktatorisch geführtes Regime, reich geworden durch Geschäfte mit Öl und Gas, hat die Organisation unterwandert. Zu seinem Schrecken muss Meineke erkennen, dass auch deutsche Abgeordnete den Lockungen des menschenverachtenden Clans in Baku erlegen sind. Als Gegenleistungen für großzügige Geschenke – Geld, Gold, Prostituierte und andere Gefälligkeiten – stimmen sie im Europarat nicht im Sinne von Demokratie und Menschenrechten ab, sondern dienen den aserbaidschanischen Machthabern.
Besonders auffällig wird das bei einer von Meineke initiierten Abstimmung, die Aserbaidschan wegen der vielen politischen Gefangenen dort hätte verurteilen sollen. Doch die Resolution wird niedergestimmt von den vielen fürstlich bestochenen Freunden des Regimes. „Das ist nicht Ihr Europarat, das ist unser Europarat!“, ruft ein Vertreter des Regimes dem über seine Abstimmungsniederlage fassungslosen Politiker in einer Szene höhnisch zu.
Gegenspieler: der Unternehmer Konrad Günther (Axel Milberg, links), der Abgeordnete Gerd Meineke (Hans-Jochen Wagner) und der aserbaidschanische Vertreter Tofik Gasimov (Navid Negahban, Mitte).
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Bild: SWR/ARD/diwafilm/Maria Wiesler
An manchen Stellen werden sich Zuschauer, die noch nie von Aserbaidschans sogenannter Kaviar-Diplomatie gehört haben, womöglich ungläubig fragen, ob so viel Chuzpe, so viel offene Korruption, so viel kaltschnäuzige Missachtung der Demokratie nicht doch etwas übertrieben seien. Das ist verständlich, aber nicht begründet: Denn das, was in diesem dokumentarischen Spielfilm gezeigt wird, hat sich tatsächlich ereignet. Schlimmer sogar: Es ereignet sich noch.
Einer ließ sich nicht kaufen oder einschüchtern
Das wurde an Dienstabend im Bundestag deutlich, wo eine parteiübergreifende Koalition aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen zur Uraufführung des Films geladen hatte. Anwesend war auch der SPD-Politiker Frank Schwabe, das reale Vorbild für Gerd Meineke im Film. Schwabe ließ sich nicht kaufen und einschüchtern, sondern stellte sich – zwar nicht allein, aber auch nicht mit einer großen Mehrheit der Abgeordneten im Rücken – den anfangs überaus erfolgreichen Versuchen Aserbaidschans entgegen, den Europarat und damit auch die westlichen Demokratien zu kaufen.
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