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#„Wir werden Russland schwächen“

„Wir werden Russland schwächen“

Eigentlich wollte sich Ursula von der Leyen am Donnerstagmorgen mit Jens Stoltenberg treffen, dem NATO-Generalsekretär. Das wurde auf den Nachmittag verschoben, nachdem beide Institutionen in den Krisenmodus schalten mussten. Un­vorbereitet waren sie nicht, am Vorabend hatte Washington vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff gewarnt. Da hatte Charles Michel, der EU-Ratspräsident, schon die 27 Staats- und Regierungschefs für Donnerstagabend zu einem Sondertreffen des Europäischen Rats eingeladen, für 20 Uhr. Um die weiteren Schritte gegenüber Russland und Unterstützung für die Ukraine sollte es gehen. Nun, am Morgen, war klar: Es ist der Tag gekommen, um jene „massiven und gezielten“ Sanktionen gegen Russland zu beschließen, die unter von der Leyens Führung in den vergangenen Wochen vorbereitet worden waren.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

„Mit diesem Paket werden wir auf stra­tegische Sektoren der russischen Wirtschaft zielen, indem wir ihren Zugang zu Schlüsseltechnologien und Märkten blockieren“, kündigte die Kommissionsprä­sidentin an, als sie um halb neun vor die Kameras trat. „Wir werden die wirtschaft­liche Basis Russlands schwächen und seine Fähigkeit, sich zu modernisieren.“ Zudem werde man russische Vermögenswerte in der EU einfrieren und den Zugang russischer Banken zum europäischen Finanzmarkt „beenden“. „Diese Sanktionen sind darauf angelegt, die Interessen des Kremls und seine Fähigkeiten, den Krieg zu finanzieren, mit hohen Kosten zu belegen“, sagte von der Leyen. Eine Stunde später traten die EU-Botschafter zusammen, um das Sanktionspaket abzustimmen.

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Dabei zeigte sich, dass die Staaten – entgegen früheren Beteuerungen – noch nicht über dessen Umfang einig waren. Das be­traf die sogenannte nukleare Option, nämlich Russland vom gesamten internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden. Das gilt als härteste Sanktion, weil russische Bürger, Unternehmen und der Staat dann keine Transaktionen mehr in Devisen vornehmen könnten. Allerdings hatten Deutschland und andere Staaten in den in­ternen Beratungen darauf gedrungen, weiter Zahlungskanäle offen zu halten. Denn sonst könnten russische Schuldner auch Kredite nicht mehr bedienen, die sie im Westen aufgenommen haben. Außerdem könnten Energielieferungen nicht mehr be­zahlt werden.

Strafmaßnahmen in Schlüsselbereichen

Zu dem Paket, das die Kommission am Morgen vorlegte und das mit den Vereinigten Staaten abgestimmt war, gehörte das Zahlungssystem SWIFT nicht. Stattdessen richtete es sich gegen mehrere große Banken und staatliche Unternehmen, die von europäischem Kapital abgeschnitten werden sollen, auch durch ein Verbot des Handels mit ihren Aktien. Mehrere Osteuropäer sowie die Niederlande drangen darauf, SWIFT einzuschließen. Deutschland und Italien, die darunter am meisten leiden würden, wollten diese Option in der Hinterhand behalten, aber noch nicht anwenden.

So wurde es dann von den Regierungschefs am Abend auch beschlossen, ohne größere Debatten. Auch die weiteren Elemente in dem Paket dürften schmerzhafte Folgen haben. So bekommt Russland  keine Ersatzteile und Technik mehr für seine Flugzeuge – was praktisch bedeutet, dass Maschinen von Airbus- und Boeing in Kürze nicht mehr (sicher) fliegen können. Zudem forderten die Mitgliedstaaten den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, ein Sanktionsregime für Oligarchen in Putins Umgebung auf­zulegen. Auch gegen Belarus werden neue Strafmaßnahmen vorbereitet.

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Während diese Maßnahmen schnell greifen sollen, werden sich die geplanten Ex­portbeschränkungen erst auf mittlere und längere Sicht auswirken. Die EU will in en­ger Abstimmung mit Amerika ein Embargo über Spitzentechnologie in Sektoren ver­hängen, wo Europa und Amerika dominant sind. Man werde Russlands Position in Schlüsselbereichen schwächen, von denen die Elite besonders profitiere, sagte die Kommissionspräsidentin, „von Hightechkomponenten bis zu innovativer Software“. Amerikanische Regierungsvertreter hatten zuletzt beispielhaft Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Laser und Sensoren, Rüstung und Raumfahrt genannt.

Hilfe bei der Versorgung von Geflüchteten

Einige ostmitteleuropäische Staaten drangen am Abend auch auf eine EU-Beitrittsperspektive der Ukraine. Nachdem sich schon die Präsidenten Polens und Litauens am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung mit ihrem ukrainischen Kollegen dafür stark gemacht hatten, der Ukraine den Kandidatenstatus zu verleihen, richteten die Regierungschefs von Polen und Slowenien ein gemeinsames Schreiben an Ratspräsident Michel. Da­rin forderten sie einen „ambitiösen und handfesten Plan für die schnelle Integration der Ukraine in die EU bis 2030“. Dessen erste Phase solle die „unmittelbare“ Anerkennung der Ukraine als Beitrittskandidat sein, sobald das Land ein Gesuch gestellt habe. Dann müsse man klare Schritte und Zeitmarken definieren, verbunden mit „einer Garantie auf Mitgliedschaft 2030, vorausgesetzt die notwendigen Bedingungen werden erfüllt“, schrieben die Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und Janes Jansa.

In den Schlussfolgerungen wurde dies jedoch nicht aufgegriffen. Der Europäische Rat erkenne „die europäischen Aspirationen und die europäische Wahl der Ukraine an“, heißt es dort, wie es im Assoziationsabkommen von 2016 zum Ausdruck komme. Diplomaten verwiesen darauf, dass ohnehin nur Staaten der EU beitreten könnten, die ihre „Nachbarschaftskonflikte“ ge­löst haben. So war es schon 1999 vereinbart worden.

Michel und von der Leyen wollten die Debatte am Abend auf praktische Hilfe fokussieren. Das betrifft weitere finanzielle Unterstützung über die zugesagten 1,2 Mil­liarden Euro Budgethilfe hinaus und Hilfe bei der Versorgung von Geflüchteten, in der Ukraine und in den Nachbarländern. „Wir haben für alle Mitgliedstaaten klare Notfallpläne, um Flüchtlinge sofort unterbringen zu können“, sagte von der Leyen.

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