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#Dieser Krieg ist kein Computerspiel

Es ist vielleicht keine gute, aber letztlich doch eine unvermeidbare Idee, wenn das ZDF beschließt, die sogenannte Repräsentationslücke endlich mal wieder zu schließen; wenn also Maybrit Illner in ihre Sinnstiftungsrunde den Vertreter einer Partei einlädt, für die sich anscheinend jeder fünfte Deutsche entscheiden würde, wenn es am nächsten Sonntag schon so weit wäre.

Und zugleich ist es ein fürchterliches Dilemma, weil jede Talkshow aufhörte, eine Talkshow zu sein, sobald da Björn Höcke, das Mastermind der AfD, säße, der Mann der neuerdings immer irrsinnigere Ideen über die Weltverschwörung der Wallstreet, den Klimawandel und Deutschlands baldigen Ruin entwickelt; und mit dem man sich vermutlich sogar über die Frage, was zwei mal zwei ergibt, nur schwer einigen könnte.

Und wer gesehen und gehört hat, wie Timo Chrupalla, der Vorsitzende, bei Markus Lanz saß und über den Krieg der Russen gegen die Ukraine sprach, ohne Empirie, ohne Empathie, ohne irgendeine Ahnung von Diplomatie und Geschichte, der weiß, dass man Chrupalla zwar in eine Talkshow laden kann. Deren Thema wird dann aber nicht der NATO-Gipfel sein. Sondern die Frage, ob es eine Versöhnung zwischen den Fakten und Chrupalla geben kann.

Mehr „sozusagen“ wagen

Bleibt also Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende, der, schon indem er dauernd „sozusagen“ sagt, eine gewisse Nachdenklichkeit, eine gewisse Skepsis gegen die schnellen Schlagworte suggeriert. Und der die deutsch-russische Geschichte gut genug kennt, dass er ein paar Jahreszahlen nennen kann, die beweisen sollen, dass Russland, wenn es stark war, den Deutschen (womit er allerdings vor allem die Preußen meint) geholfen habe, weshalb ein starkes Russland auch heute im deutschen Interesse sei. Und ein schwaches eher nicht.

Eigentlich sollte es um die Analyse des NATO-Gipfels gehen, um die Frage, ob dieser Gipfel, wie Alexander Graf Lambsdorff, der designierte deutsche Botschafter in Moskau, ausführte, ein Erfolg gewesen sei und, dank der Entschlossenheit aller Mitglieder, auch weiterhin Geld und Waffen bereitzustellen, auch für die Ukraine letztlich ein Fortschritt.

Oder ob, wie das Melanie Amann vom „Spiegel“ und Roderich Kiesewetter von der CDU sahen, das Zögern der Vereinigten Staaten und Deutschlands, eine Einladung in die NATO jetzt schon auszusprechen, und die Haltung der Osteuropäer, die genau das aber wollten, ein zu deutlich sichtbares Bild der Uneinigkeit ergeben hätten, ein Ergebnis, das Wladimir Putin nur freuen könne, weil er auf die Zerstrittenheit des Westens von Anfang an spekuliert habe.

Gauland gegen alle

Zu dieser Diskussion kam es aber nicht, weil Alexander Gauland auch eine Meinung hat, die sich so zusammenfassen lässt: er ist dagegen. Gegen Waffenlieferungen, gegen eine NATO, die lange Grenzen mit Russland hat, gegen die Fortsetzung des Kriegs, gegen Sanktionen und vor allem gegen einen Westen, der solidarisch mit sich selber und der Ukraine ist. Weil nämlich, erstens, die Interessen zum Beispiel Polens nicht die Interessen Deutschlands sind. Und weil der Krieg in der Ukraine nicht Deutschlands Krieg sei.

Gauland Positionen sind, seit der Krieg begonnen hat, von ganz links wie von ganz rechts, schon hundert Mal formuliert worden. Dass Russland berechtigte Sicherheitsinteressen habe. Dass gerade Deutschland jetzt diplomatisch aktiv werden müsse. Interessant war es auch, vom Vertreter einer Partei, die nicht die ganze Zeit von deutscher Schuld sprechen will, jetzt zu hören, dass es, angesichts deutsche Geschichte und deutscher Schuld, nicht tragbar sei, wenn aus deutschen Panzern auf russische Soldaten geschossen werde. Kurzum, Gauland sprach wie Chrupalla, nur in elaborierteren Sätzen. Und befeuert von einem Geschichtsverständnis, das sein Verhältnis zu Nationen, deren Charakter und deren Seele, gleichermaßen dem Pomp des 19. Jahrhunderts, der Spenglerschen Geschichtsmorphologie und der Konfliktstrategie von Computer-Strategie-Spielen zu verdanken scheint: Das Völkerrecht oder die Selbstbestimmungsansprüche Estlands sind nicht spielentscheidend.

Groundhog Day

Das kann man, einerseits, als argumentativen Groundhog Day wahrnehmen, so lange, wie das schon erzählt wird. Und andererseits sind halt auch im Fach allerjüngste Geschichte die Wiederholungsstunden gut für den Kopf. Wenn also die drei anderen Teilnehmer immer wieder Gauland darüber aufklärten, dass es genau die von ihm geforderte Extrem- und Intensivdiplomatie gab, in den Monaten vor der Invasion. Und dass all das nichts gebracht hat. Oder wenn er daran erinnert wurde, dass nicht die NATO, wie der Brei im Märchen, sich unaufhaltsam nach Osten ausgebreitet hat; sondern dass es die Litauer oder die Tschechen waren, die schon wussten, warum sie bei wem Schutz suchten. Das waren nicht die allerheißesten Neuigkeiten. Aber es sind eben die Tatsachen, an die immer wieder erinnert werden muss – was jetzt, da angesichts des Stellungskriegs eine allgemeine Gewöhnung, vielleicht auch eine Solidaritätserschöpfung droht, besonders wichtig ist.

Es war also tatsächlich nicht unbedingt falsch, Gauland einzuladen. Andererseits hätte man die genauere Analyse des NATO-Gipfels womöglich mit noch größerem Gewinn gehört.

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