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#Frankreich will nicht mehr alles allein regeln

Frankreich will nicht mehr alles allein regeln

Der französische Präsident Emmanuel Macron strebt eine Europäisierung der französischen Afrika-Politik an. Bei seinem jüngsten Staatsbesuch in Ruanda, dem zweiten eines französischen Staatschefs seit dem Völkermord an den Tutsi 1994, verfolgte er nicht nur das Ziel einer Normalisierung der bilateralen Beziehung. Dem Präsidenten ging es um die Signalwirkung, dass Frankreich sich seiner Verantwortung für vergangene Fehler auf dem afrikanischen Kontinent bekennt.

Dies ist Teil eines großangelegten Erneuerungsprozesses, den er mit dem Bericht zu Restitutionen afrikanischer Kulturgüter, dem Abschied von der postkolonialen Währung Franc-CFA und der Revision der Frankophonie-Einflusspolitik angestoßen hat. Macron bekannte erstmals, dass die Regierung in Paris zwischen 1990 und 1994 „de facto an der Seite eines Völkermord-Regimes stand“.

Über Waffenlieferungen und Militärausbilder stärkte der Elysée-Palast das Regime in Kigali. Auch wenn sich französische Soldaten nicht direkt am Genozid beteiligten, verhinderten sie ihn nicht und ließen die Opfer schutzlos zurück. Frankreich fiel in letzterem Punkt nicht aus der Reihe. Ganz Europa unterließ es, sich als Schutzmacht einer verfolgten Minderheit zu bewähren. Deshalb sieht Macron sein Eingeständnis auch als Mahnung an die gesamte EU, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Suche nach zuverlässigen Partnern

Im Blick hat er dabei die Risikoaversion in vielen europäischen Partnerländern, insbesondere in Deutschland, wenn es darum geht, Schutz notfalls auch mit militärischer Gewalt zu gewähren. Diese Erwartung an eine gemeinsame strategische Kultur in der EU unterscheidet sein Vorgehen von der fast gleichzeitig von der Bundesregierung vollzogenen Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama während der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. In Paris hat man die deutschen Verhandlungen genau verfolgt und diese begrüßt. Doch Macron geht es nicht allein darum, der Wahrheitsfindung zu dienen und einen Versöhnungsprozess einzuleiten. Er sucht vor allem nach zuverlässigen Partnern, um die europäische Nachbarschaft zu Afrika auf neuen Grundlagen aufzubauen.

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Der autoritäre Staatschef Ruandas, Paul Kagame, erscheint dabei als idealer Kandidat. Unter Kagame hat das Land trotz fehlender Rohstoffvorkommen einen wirtschaftlichen Boom erlebt, das Bildungsniveau verbessert und die Infrastruktur ausgebaut. Die jüngere Generation, die nach dem Völkermord geboren ist (etwa 60 Prozent der Gesamtbevölkerung), bleibt im Land und denkt nicht an Auswanderung. Kagame hat sich in der Migrationsfrage sogar zum Anwalt der Idee „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ aufgeschwungen. Die EU finanziert in Ruanda ein Projekt für Flüchtlinge aus Lagern in Libyen, die in dem ostafrikanischen Land eine Bleibe erhalten. Macron fehlte die Zeit, das Vorzeigelager in Gashora zu besuchen, aber er lobte ausdrücklich, wie Ruanda die Migrationsfrage in den Griff bekommen habe und zum verlässlichen EU-Partner geworden sei.

Abschied vom Postkolonialismus

Macron nimmt dabei bewusst in Kauf, mit einem autokratischen Staatschef zusammenzuarbeiten. „Frankreich hat keine Lektionen zu erteilen“, betonte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kagame. Von dem lange gültigen Vorsatz in der afrikanischen Entwicklungspolitik, dass sich freiheitliche Demokratie und Entwicklungsperspektiven bedingen, verabschiedet er sich damit. Wie er betonte, ist Ruanda ein „Schlüsselpartner im Gesundheitsbereich, beim Klimaschutz, Innovation und Ökonomie“.

Die Hinwendung zu Ruanda leitet auch den Abschied von der postkolonialen Frankophonie-Politik ein. Macron hatte die Bewerbung der ehemaligen ruandischen Außenministerin Louise Mushikiwabo an die Spitze der Internationalen Frankophonie Organisation OIF tatkräftig unterstützt, obwohl Ruanda Englisch als Amtssprache eingeführt und sich vom Französischen abgewandt hatte. In Kigali weihte Macron an der Seite Mushikiwabos nicht ein Institut Français, sondern ein aus Paris finanziertes Kulturzentrum für Frankophonie ein.

Er bekannte sich zur Vielsprachigkeit und gab es auf, die französische Sprache in einem Konkurrenzverhältnis zur englischen zu positionieren. Vielmehr predigte er eine Koexistenz, die für alle bereichernd sei. Das ist angesichts der Geschichte Ruandas eine Zäsur. Präsident François Mitterrand hatte seinerzeit das militärische Engagement mit der Mission begründet, Ruanda als französischsprachiges Land vor englischsprachigen „Rebellen“ schützen zu müssen. Macron bemüht sich seit seinem Amtsantritt, sich ganz Afrika zu erschließen, und hat stärker als seine Vorgänger englisch- und portugiesischsprachige Länder auf dem Kontinent besucht.

Macron definierte in seiner Eröffnungsrede auch die Rolle Frankreichs für die Frankophonie neu. Das Gravitätszentrum der französischen Sprache verortete er im Herzen Afrikas. Künftig sei es die Aufgabe Frankreichs, den innerafrikanischen Austausch in französischer Sprache zu befördern, statt sich als Fixstern eines frankophonen Gestirns zu sehen.

Mit Blick auf die aktuellen Krisenherde in Mali und im Tschad bekannte er, von der Sorge vor einer fehlerhaften Lageanalyse „besessen“ zu sein. Mehr denn je geht es Macron darum, die europäische Lastenteilung bei den Stabilisierungsbemühungen zu verbessern. Zudem hofft er darauf, dass die Regierungen der Region stärker Verantwortung übernehmen. „Frankreich will helfen, regionale Antworten auf Krisen zu finden“, sagte Macron. Doch nach dem zweiten Putsch in Mali hat die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS bei ihrem jüngsten Krisengipfel in Ghana keine schnellen Lösungen in Aussicht gestellt. Die Lage in dem westafrikanischen Land ist verfahren und droht die Glaubwürdigkeit von Macrons Erneuerungspolitik zu gefährden.

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