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#Ostdeutsche und die AfD: Die stille Mehrheit

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Die Ostdeutschen wählen AfD. So lautet eine beliebte Erzählung dieser Tage. Sie hat bloß einen Haken: Die Ostdeutschen, die nicht AfD wählen, kommen nicht vor.

Forscher untersuchen, warum viele Ostdeutsche rechtsextremen Aussagen zustimmen, und Journalisten fahren nach Sachsen und Thüringen, um Ostdeutsche rechtsex­treme Sätze sagen zu hören. Irgendwo in den Studien und Artikeln schreiben sie dann auch immer, dass natürlich nicht alle Ostdeutschen so seien. Um dann wieder zurückzukommen auf die Extremen. Das folgt den Gesetzen der Aufmerksamkeit: Das Ungewöhnliche ist interessant. Aber wenn alle über die Extremen reden, macht das auch etwas mit den Normalen.

Sie rutschen an den Rand. In der Mitte stehen plötzlich die Erklärungen dafür, dass Ostdeutsche AfD wählen: die DDR, die Treuhand, die Westdeutschen, der Frust. Als folgte daraus logisch, dass Rechtsextreme als Retter erscheinen müssten. Die Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland ist ostdeutsch, hat Sorgen – und wählt trotzdem nicht AfD. Auch interessant.

Noch nie im Westen gewesen

Stichprobe in Eberswalde, Brandenburg. Ziemlich typisch ostdeutsch. Keine Vorzeigestadt wie Leipzig, aber auch kein Kaff am Ende der Welt. Eberswalde hat schöne Seiten, viel Wald, Fachwerk und weithin bekannte Spritzkuchen. Vor der Wende lebten sie hier von der Schwerindustrie, Kranbau, Walzwerke. In Eberswalde prügelten aber auch Deutsche den angolanischen Vertragsarbeiter Amadeu Antonio Kiowa zu Tode, 1990 war das. Bei der Bundestagswahl 2021 landete die AfD in dem Wahlkreis, zu dem Eberswalde gehört, auf Platz zwei hinter der SPD. Seit einigen Wochen betreibt die AfD in Eberswalde ein Bürgerbüro.

Rentnerin Gisela Lange will mit der AfD nichts zu tun haben. Ihr missfällt „das ganze Hetzen, was die machen, und nichts Konkretes“.


Rentnerin Gisela Lange will mit der AfD nichts zu tun haben. Ihr missfällt „das ganze Hetzen, was die machen, und nichts Konkretes“.
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Bild: Hannes Jung

Ein Freitag im Juli, Sonne zwischen Wolken, Menschen in Cafés, deutsche Bratwurst und polnische Kirschen auf dem kleinen Wochenmarkt. Mehr Rollatoren als Kinderwagen, aber das liegt vielleicht auch daran, dass Vormittag ist und Ferienzeit in Deutschland.

Die Wähler der AfD treten selbstbewusst auf. Vor einem Elektroladen lehnt ein Mann in der Sonne. Er wähle AfD, sagt er, und alle, die er kenne, täten das auch. Andere wolle er auch überhaupt nicht mehr kennen. Vor der Eisdiele sitzt einer, Eis schleckend, und entgegnet, als er hört, dass Nicht-AfD-Wähler gesucht würden, triumphierend: „Da sind Sie hier völlig falsch.“

Ein paar Tische weiter sitzt ein Mann, und liest Zeitung. Er freut sich, dass Journalisten ihn ansprechen. Er lese gerade die Lokalzeitung, doch die sei ein Käseblatt. Früher habe er die F.A.Z. gelesen, aber die sei ihm jetzt zu teuer. In der „Bild“ lese er nur die Seite mit dem Sport, denn diese Zeitung sei ein Hetzblatt. Wie sie damals den Bundespräsidenten Christian Wulff aus dem Amt gejagt habe! Jörg-Peter Klaws, 70, geboren in Eberswalde, ist ein Mann mit starken Meinungen, die einander allerdings oft widersprechen. Auf den einen Unterarm hat er in Fraktur „No future“ tätowiert, auf den anderen „Born to be free“.

Beide Tätowierungen habe er sich im Knast stechen lassen, sagt er, in Bautzen. Acht Jahre habe er gesessen, weil er Menschen durch Abwasseranlagen und U-Bahn-Tunnel nach Westberlin geschleust habe. Er krempelt seinen linken T-Shirt-Ärmel hoch: der Bundesadler auf Deutschlandflagge, gestochen 1972. Dafür habe er noch mal ein halbes Jahr extra gekriegt. Man könnte denken, die Bundesrepublik sei sein Sehnsuchtsziel gewesen. Doch als sie ihm endlich offen stand, wollte er nicht hin. Er sei nie im Westen gewesen, sagt Jörg-Peter Klaws, nicht mal in West-Berlin.

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