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#Frühling der Spießbürger

„Frühling der Spießbürger“

Die Linke schluckt die SPD, und die CDU geht in der AfD auf: Dieser Vergleich kann einen Eindruck vom Umbruch in der französischen Politik vermitteln. Die Sozialisten, bis 2017 noch Regierungspartei, erreichten bei der Präsidentschaftswahl im April 1,7 Prozent der Stimmen. Die Republikaner, Erben des Gaullismus, 4,8 Prozent. Links wie rechts repräsentieren die „demokratischen“ Parteien nur noch eine winzige Minderheit. Die Extremisten triumphieren.

Gleichzeitig ist eine Bewegung entstanden, die es vor fünf Jahren noch nicht gab. Der Historiker Pierre Vermeren beschreibt sie in der Zeitschrift „Causeur“ unter der Überschrift „Le printemps des bourges“ – der Frühling der Spießbürger. „Beispiellos“ seien der Triumph und der Egoismus der Bourgeoisie – beispiellos seit der Juli-Monarchie des Jahres 1830: „Es ist wie bei Balzac, ohne die Romantik.“

Diese Bewegung entstand im schwarzen Loch des politischen Systems, in der Mitte. Über diese seit der Revolution bestehende Demarkationslinie hinweg sind Koalitionen unvorstellbar. Emmanuel Macron besetzt sie seit 2017, als er wie ein Messias die französische Politik verzauberte. Als erster Präsident seit zwanzig Jahren schaffte er die Wiederwahl. Und doch ist der König so ungeliebt, dass er sich zur Neubegründung seiner Partei genötigt sieht und ihr einen neuen Namen gibt: „Renaissance“.

Putin beendet einen Spuk

Frankreich ist dreigeteilt, jetzt wählt es sein Parlament. Macrons „Renaissance“ zittert. Allerdings nicht vor der extremen Rechten, der vor der Präsidentenwahl der Sieg im vierzigjährigen Kulturkampf bescheinigt wurde. Bis zum Angriff auf die Ukraine diktierte sie seine Themen und bestimmte seine Dramaturgie. Die Umfragen bescheinigten Eric Zemmour 16 Prozent, Tendenz steigend. Am Schluss waren es sieben. Jetzt bekämpft ihn Marine Le Pens „Rassemblement National“ (RN) in jedem Wahlkreis. Die scheinbar unaufhaltsame, triumphierende Rechte ist zerstritten. Als ob Putins Krieg in der Wirklichkeit den Spuk einer neofaschistischen Machtübernahme in Frankreich beendet hätte.

Macron zittert jetzt vor der Linken. Sie war unfähig, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten gegen ihn zu einigen. Doch mit einem überraschend guten Resultat und einem taktischen Geniestreich gelingt es Jean-Luc Mélenchon, für die Parlamentswahl die Linke hinter sich zu scharen: Er hat sich zum Kandidaten für das Amt des Premierministers erklärt. Mélenchon schmiedete eine Allianz mit den Kommunisten, Sozialisten und Grünen: Seine „Nouvelle Union populaire écologique et sociale“ (Nupes) bekennt sich zum „Ungehorsam“ gegenüber den europäischen Verträgen.

Vorbild für Mélenchons Vorgehen ist die Machtübernahme durch die Volksfront von Sozialisten und Kommunisten mit François Mitterrand 1981. Zwei Jahre lang huldigte der bekennende Marxist Mitterrand, der den Kapitalismus abschaffen wollte, anschließend mit Verstaatlichungen und Abwertungen dem Dogma. 1983 bekehrte er sich dann zur Marktwirtschaft und zu Europa. Fortan war seine Amtszeit von ideologischen Rückzugsgefechten geprägt. Der Historiker François Furet konstatierte das Ende der Revolution. Über den Niedergang des Kommunismus schrieb er „Das Ende der Illusion“. Furet prophezeite aber auch die Erneuerung der Utopie und revolutionären Leidenschaften. Mit Mélenchon wird sie wahr. Er war ein junger Weggefährte Mitterrands und verließ die Partei aus Protest gegen die Abstriche am Dogma.

Über ideologischen Altlasten

Parallel zum Niedergang des Kommunismus unter dem Einfluss der antitotalitären Neuen Philosophen hatte in den Siebzigerjahren der Kulturkampf der Neuen Rechten begonnen. Sie war, wie der 1972 von Jean-Marie Le Pen gegründete Front National, durchaus neofaschistischer Gesinnung. Der Zyniker Mitterrand gab den staatlichen Sendern Order, Le Pen vermehrt ins Fernsehen zu holen. Um den Front National zu fördern, veränderte er das Wahlsystem. Damit schwächte er die demokratische Rechte und sicherte sein Verbleiben an der Macht. Noch ignorierten die Franzosen Mitterrands braune Vergangenheit, während sich für die Gaullisten seither bei jeder Wahl die Gewissensfrage der Abgrenzung von der neofaschistischen Rechten stellt. 2022 geht es für sie wie für die Sozialisten um das Überleben.

Die Republikaner gehen im Kräftemessen gegen das Rassemblement National zugrunde. Der linksradikale Mélenchon schluckt die Sozialisten. Mit ihnen unterwirft sich die gesamte Linke einem Politiker, der mit Putin und den lateinamerikanischen Diktatoren fraternisiert und den siebzig Prozent der französischen Muslime gewählt haben. Jeremy Corbyn, den seine Labour Party wegen Antisemitismus ausgeschlossen hat, kam nach Paris, um Mélenchons Kandidaten zu unterstützen.

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