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#Ganz, als seien nur wir gemeint

Ganz, als seien nur wir gemeint

Rau und rissig wie die Hand einer greisen Bäuerin oder die Rinde einer wettergegerbten Ulme ist der Klang von Wolfgang Amadé Mozarts eigener Bratsche, als Gérard Caussé sie spielt. Mozarts originale Violine dagegen klingt in den Händen von Renaud Capuçon so strahlend jugendlich, als schrieben wir noch immer das Jahr 1764, in dem sie gebaut wurde. Als sich beide in der innig bebenden Kadenz des todtraurigen Mittelsatzes von Mozarts Sinfonia concertante KV 364 vereinen, wird das seltsame Wechselspiel von Ferne und Nähe dieser Musik zu einem dichten Gleichnis: Das Alte, das die Spuren der Zeit trägt, spricht als Versehrbares ebenso zu uns wie die scheinbar alterslose Schönheit, die über die Jahrhunderte hinweg redet, als hätte sie nie andere Adressaten gehabt als uns.

Natürlich sind diese alten Instrumente, die hier zum Eröffnungskonzert des Würzburger Mozartfestes im Kaisersaal der Residenz erklingen, Berührungsreliquien. Aber sie sind es eben nicht nur darin, dass sie sich berühren lassen, sondern auch dadurch, dass sie uns durch Mozarts Musik und die Kunst der Solisten, die hier von der Camerata Salzburg und dem äußerst achtsamen Dirigat von Jörg Widmann getragen werden, berühren. Es sind klangliche Ikonen, die darauf achten, wie wir leben. Wir müssen uns ihnen, nicht sie uns gegenüber verantworten.

Seit hundert Jahren gibt es das Mozartfest in Würzburg, fast genauso lange wie die Salzburger Festspiele. Hermann Zilcher hatte es gegründet. Vom Dirigenten Karl Böhm und der Sängerin Maria Cebotari an über den Geiger Yehudi Menuhin bis zum Pianisten Alfred Brendel ist Würzburg ein Jahrhundert lang ein Ort exzellenter Auseinandersetzung mit Mozart gewesen. Diese lange Beschwörung von Gegenwart darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um „ein fragiles Gut“ handele, merkte Würzburgs Bürgermeister Christian Schuchardt in seiner Eröffnungsrede an, die einen Satz enthielt, der aus dem Mund eines aktiven Politikers schwer wiegt: „Ein Bekenntnis bleibt wertlos, solange der politische Wille nicht in Taten mündet.“

Der ebenfalls redende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, in dessen Gefolge sich irritierenderweise Gerhard Schröder befand, hatte es da bequemer, weil er es beim Bekenntnis belassen und die politischen Taten anderen überantworten konnte: „Ohne Mozart und seine Musik würde unserem Selbstverständnis, unserem Weltverständnis und unseren Möglichkeiten, einen Ausdruck dafür zu finden, etwas Wesentliches fehlen.“ Aber Evelyn Meining, die Intendantin des Festivals, spürt natürlich die Erschütterungen, die durch unser Land gehen: den zunehmenden politischen Rechtfertigungsdruck für „Hochkultur“ durch Exklusivitätskampagnen, das schikanöse Klima im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Zurücksetzung der Kultur in der Pandemie, die sich bei allen Öffnungsszenarien immer hinter dem Einzelhandel und den Friseuren anzustellen hat.

Und weil Evelyn Meining sich eben nicht ausruhen will bei Konzerten unter Tiepolo-Fresken, bei der Bespielung einer touristisch attraktiven Immobilie also, hat sie die vier Wochen Konzert-Programm, die nun folgen, durchzogen mit Widerhaken. In der Reihe „Wie viel Mozart braucht der Mensch?“ äußern sich Wissenschaftler, Politiker, Künstler und Wirtschaftsfachleute zur Frage nach Sinn und Zukunft von „Hochkultur“. Die Dichterin Ulla Hahn geht gemeinsam mit dem Pianisten Kit Armstrong der „Sehnsucht nach der Anderswelt“ in Zeiten der Künstlichen Intelligenz mit dem Anspruch auf künstlerische Autorschaft nach.

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