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#Gasumlage kaputt?

„Gasumlage kaputt?“

So eine kultivierte Sendung! Einer ließ den anderen ausreden, niemand rief dazwischen oder schrie herum. Woran lag’s?

Uncharmanterweise muss man festhalten: auch daran, dass Anne Will sich nicht so oft zu Wort meldete. Ab und zu kam eine ihrer notorisch schnippischen Nachfragen – das war’s im Wesentlichen. Und dann wird aber auch das Thema disziplinierend gewirkt haben: das Gas und sein Preis. Wenn es nämlich ums Geld geht, wird es furchtbar ernst in Deutschland – obwohl, oder doch eher weil, hier so viel davon in wenigen Händen liegt und diese Wenigen es gerne behalten möchten, was die, die erheblich weniger davon oder gar nichts haben, ungerecht finden.

„Niemand soll im Winter frieren oder hungern müssen – Kann die Regierung dieses Versprechen halten?“ Der fragende Titel der Sendung von Sonntagabend im Ersten führte insofern in die Irre, als „die Regierung“, gleich welcher Couleur, es ja noch nie verhindert hat oder hat verhindern wollen, dass jemand im Winter friert oder hungert. Allein die nicht sinkenden Obdachlosenzahlen beweisen es.

Ein Quartettspiel zur Sozialpolitik

Dieser Winter könnte indes für eine gewaltig größere Zahl von Bürgern frostig werden, fast egal, ob die Gasumlage nun kommt oder nicht. Anne Will stellte gleich den Bundesfinanzminister zur Rede: Was das denn solle, quasi über Nacht über die „Bild am Sonntag“ verkünden zu lassen und nicht erst das Kabinett davon in Kenntnis zu setzen, dass es diese Umlage seinetwegen gar nicht zu geben brauche, sondern lieber etwas wie einen Energiepreisdeckel. Die Bombe jedenfalls konnte Christian Lindner entschärfen, indem er so ruhig, wie er die ganze Sendung über dann auch blieb, darauf hinwies, die anderen (Kollegen) hätten ihre Meinung dazu schon gesagt, das dürfe er mithin auch.

Finanzminister Christian Lindner während der TV-Runde bei „Anne Will“ am 25. September 2022


Finanzminister Christian Lindner während der TV-Runde bei „Anne Will“ am 25. September 2022
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Bild: NDR/Wolfgang Borrs

Es war ein paritätisch besetztes, seriös ablaufendes Quartettspiel zur Sozialpolitik. Neben Lindner gab sich Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, alle Mühe, glaubwürdig dabei zu wirken, wenn er immer mal wieder beteuerte, dass man bei der Bewältigung der keineswegs aufs Gas zu reduzierenden Energiekrise auch das untere Einkommensdrittel nicht vergessen dürfe – aber das obere Drittel vergisst man eben auch nicht, sage einer, was er wolle.

Den Part „soziale Gerechtigkeit“ hatten die Reporterin und Filmemacherin Julia Friedrichs und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann schon von Haus aus im Repertoire und spielten ihn dann auch sehr gut. Während Friedrichs den Ernst der Lage zunächst anhand von bedrückenden Einzelschicksalen illustrierte, um dann knallhart zur Verteilungs- oder vielmehr Umverteilungsfrage überzugehen – „Nun ist der Moment, wo man etwas zurückgibt an das Land, das einem den Wohlstand ermöglicht hat“ –, blieb Laumann eisern bei seiner klassisch sozialpolitischen Linie. Es ginge darum, den Bedürftigen zu helfen, ihnen aber auch wirklich zu helfen. „Leute“, sagte er erfrischend simpel, „denen es gut geht, müssen selbst sehen, wie sie mit der Situation fertigwerden.“ Er wolle jedenfalls keine Backindustrie, sondern auch weiterhin Bäcker, die Brot für vier statt für sieben oder acht Euro verkaufen.

Energiepreispauschale statt Gasumlage?

Als mögliches, ja, nun auch wahrscheinliches Instrument kristallisierte sich auf der wirtschaftsliberalen Seite, besonders propagiert von Fuest, so etwas wie eine Energiepauschale heraus. Die mache, anders als die Umlage für Gas, dieses nicht nur nicht teurer, sondern sie erfasse auch die anderen Energieträger und setze zudem die liberalerseits auch sonst gerne bemühten Anreize – und zwar nicht, Energie fröhlich zu konsumieren, sondern zu sparen.

Letzteres ist nur vernünftig. Das vorher Gesagte, das in ein verräterisches Schweigen auf die einfache Frage mündete, warum das viele Kapital im Land, das durch ordnungspolitisches Klein-Klein und steuerliche Winkelzüge ja noch vermehrt werde, weitgehend unangetastet bleibt, überzeugte weniger. Oder es überzeugte nur insofern, als wieder einmal deutlich wurde, wie schwer rein wirtschaftlicher Sachverstand und dauerhaft wirksame Sozialpolitik unter einen Hut gehen. Hier unterlagen Lindner/Fuest Friedrichs/Laumann: Letztere führten mit einfacher Rhetorik vor, dass das am Ende auch eine Frage der Entschlossenheit ist. Man kann noch so oft „Standort“ und „Wettbewerb“ sagen – dass aber, wie die beiden Anwälte des Sozialen vorrechneten, der zweifellos erwirtschaftete und in gewissen Schichten immer noch steigende Wohlstand seit 1990 längst nicht überall angekommen ist, ist offenkundig. Aber damals hatten auch noch 80 Prozent der Arbeitnehmer Tarifverträge. Doch, man fasst es einfach nicht, „Flexibilisierung“ gilt hierzulande nach wie vor viel. Warum eigentlich?

Es ist immer das Gleiche: Geht es dem Land oder wenigstens „der Wirtschaft“ gut, darf man den Wohlstand nicht gefährden, indem man soziale „Geschenke“ macht. Ist Krise und das Geld knapp, dann verbietet sich das erst recht und ganz von selbst. Aber „Krise“ ist eigentlich immer, so kommt es einem seit zwanzig Jahren jedenfalls vor. Das ist der Modus unserer Zeit. Und Abhilfe nicht in Sicht. Denn, das wenigstens wurde glasklar, Ökologie ist nun tatsächlich und bis auf Weiteres Schnee von gestern: Der Forderung, jetzt erstmal wieder auf Kohle und Atom zu setzen, bis das Schlimmste überstanden sei, widersprach keiner der Anwesenden.

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