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#Christus von Auschwitz

„Christus von Auschwitz“

Ihr schmales, strenges Gesicht, das so gar nicht zu ihrer freundlichen Art zu passen schien, war zuletzt eines der bekanntesten aus Auschwitz. Zofia Posmysz, 1923 im nahe gelegenen Krakau geboren, war als „Nummer 7566“ eine Insassin des Vernichtungslagers gewesen und hat das Lager um 77 Jahre überlebt.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Als der „Spiegel“ vor Kurzem einige lebende ehemalige Häftlinge großformatig porträtierte, zeigte er auch sie. Ja, freundlich und warmherzig konnte sie sein: deutsche Besucher, deutsche Musik? Aber sehr gerne! Nur herein in die gemütliche Zweizimmerwohnung in Warschau, in der uns wenig an die Zeit des Weltkriegs erinnert – bis auf die Tatsache, dass das Haus selbst auf dem ehemaligen Ghetto-Gelände steht.

Posmysz war 1942 wegen des Besitzes NS-feindlicher Flugblätter verhaftet worden. Als eine der nichtjüdischen Gefangenen überlebte sie das Lager, teils dank eines polnischen Lagerarztes, teils dank der Tatsache, dass sie nach einer Zeit der Schwerstarbeit als „Schreiberin“ in der Lagerverwaltung angestellt wurde.

Viele Jahre nach Auschwitz und Ravensbrück machte sie sich als Journalistin des Polnischen Radios in Warschau daran, diese Zeit in Rundfunkreportagen und Hörspielen aufzuarbeiten. 1970 entstand der Roman „Urlaub an der Adria“, der wie mehrere ihrer Werke ins Deutsche übersetzt wurde.

Überlebensstrategien im Lager

Er kreist um die Lagerfreundschaft zweier weiblicher Häftlinge und ihre Überlebensstrategien und klagt weniger die Täter, die Lagerwärter, plakativ an, sondern will vielmehr das Verhalten der Opfer ergründen. Das wurde im kommunistischen Polen als Verharmlosung des Naziterrors missverstanden und der Autorin vorgehalten. Die größte Bekanntheit brachte Posmysz jedoch der heikle Stoff der „Passagierin“: Hauptfiguren sind die deutsche SS-Frau Lisa und „ihre“ polnische Gefangene Marta.

Beider zufällige Begegnung auf einem Ozeandampfer, lange nach Auschwitz, ist der Rahmen, in dem sich die KZ-Erinnerung öffnet. Später nahm sich der große Andrzej Munk des Themas an, erst für das polnische Fernsehen, dann für das Kino – Munks letzter Film blieb durch den Unfalltod des Regisseurs unvollendet. Mieczysław Weinberg, der in Warschau geborene, 1996 in Moskau gestorbene Komponist, schrieb in den Sechzigerjahren eine gleichnamige Oper. Posmysz glaubte zunächst nicht, dass eine Auschwitz-Oper, wie sie sagte, „gelingen“ könne. In der Sowjetunion verboten, wurde die „Passagierin“ erst 2010 in Bregenz uraufgeführt.

Für Posmysz selbst war ein Stück Metall ihr wertvollstes Erinnerungsstück: ein von Mithäftlingen illegal angefertigtes Medaillon. Es zeigt das Haupt Christi und auf der Rückseite die Worte „Oświęcim (Auschwitz) 1943“. Der später erschossene Mithäftling Tadeusz Paolone hatte es der jungen Frau geschenkt.

Im Text „Christus von Auschwitz“ leuchtet diese Begebenheit auf. Ihre letzten Wochen verbrachte Zofia Posmysz auf eigenen Wunsch in dem von einem Mithäftling ins Leben gerufenen Hospiz in der Stadt Oświęcim. Dort ist sie, bis zuletzt von Freunden besucht und betreut, kurz vor ihrem neunundneunzigsten Geburtstag am Montag gestorben.

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