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#Gertraud Klemms Gesellschaftsroman „Einzeller“

„Eine junge Unbedarfte, eine alte Hart­gesottene, eine gemütliche Omi, eine verkorkste Hardlinerin und ein lesbischer Freak “ – was lesen wir da? „Fünf negative Zuschreibungen“, empört sich Simone Hebenstreit.

Sie ist die Hauptfigur im neuen Roman „Einzeller“ der Österreicherin Gertraud Klemm, der von angewandtem WG-Feminismus im Zeitalter der Realityshows und des Internets handelt: Simone Hebenstreit gründet in einer früheren Berufsschule die fünfköpfige Frauen-WG „Bienenstock“. Das Gebäude ist renovierungsbedürftig, zugig und im Winter kalt. Tiere und Männer sind in den Gefilden des prekär lebenden „Matriclans“ verboten. Sex mit Männern natürlich erlaubt. Nur halt anderswo. Das gilt auch für die „Direktorin“ selbst, wie Simone von ihren Mitbewohnerinnen etwas zynisch genannt wird.

Privat-politischer Widerspruch

Die ehemalige Lehrerin unterhält, so erfährt man bald, seit Jahrzehnten eine Affäre mit einem verheirateten rechtskonservativen Politiker, den sie aus ihrer oberösterreichischen Dorfjugend kennt und der mit Abtreibungsverboten in den Wahlkampf zieht. Auch eine politisierte Altfeministin trägt so manchen Widerspruch mit sich herum.

Und nun kommt in ebenjenem Widerspruch aus Politischem und Privatem die vom rechtskonservativen Politiker mit den zitierten „negativen Zuschreibungen“ gebriefte Fernsehjournalistin Halbritter auf die stadtbekannte Frauenrechtlerin Hebenstreit zu – mit folgendem Angebot: Wie wäre es, in den Räumen der feministischen Frauen-WG ein neues Fernsehformat zu produzieren? Eine Reality-TV-Show mit dem Titel „Big Sista“!

Gertrau Klemm: „Einzeller“. Roman


Gertrau Klemm: „Einzeller“. Roman
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Bild: Kremayr & Scheriau Verlag

Darin soll es um Frauenthemen, Frauengeschichte, Frauenleben geben. „Stell dir vor“, sagt die Halbritter, „wir entstauben die ganzen alten Themen.“ Jede Folge mit einer externen „Gästin“, wie die Journalistin weiter ausführt. Influencerinnen, Politikerinnen, Journalistinnen und so. „Gästinnen“, denkt Simone spöttisch. „Wie sie dieses Wort hasste. Wie sie diese Sprachpolitik nervte. Dieses woke Erbsenzählen. Jeder Text ein Minenfeld, an jeder Ecke die neuen Moralistinnen, die einem an den Lippen hingen und jedem falschen Wort auflauerten und Aussagen auf Mi­kroaggressionen prüften. Die einem bis in die Kindestage nachrecherchierten, ob immer alles politisch korrekt gewesen war.“

Damit hat Gertraud Klemm ihre Hauptfigur weltanschaulich verortet – und als Leserin meint man zu spüren: auch sich selbst. Das Diskursfeld „Feminismus 2.0“ wird im Roman mit einer innerfeministischen Mahnrede eröffnet, die den guten alten Zweite-Welle-Feminismus noch einmal hochleben lässt, dessen Zielsetzung die Unabhängigkeit vom Patriarchat war, das Recht am eigenen Bauch und auch der Kampf gegen die käufliche Liebe, die der „Emanze“ früher und heute als Hauptveranstaltungsort des Geschlechterkriegs gilt.

Eher unmütterliche Mutter

Simone ist trotz privater Widersprüche also eine Feministin alten Schlags, realitätserprobt in Brennpunktschulen, als eher unmütterliche Mutter und abwesende Großmutter. Im Roman figuriert sie als alternde Frauenrechtlerin mit autoritären Neigungen à la Alice Schwarzer: rhetorisch brillant, einnehmend, aber auch hart gegen sich und Andersdenkende.

Eine solche Figur braucht eine starke Antagonistin. Klemms Wahl fällt auf das jüngste WG-Mitglied Lilly. Sie ist ein sexpositiver Millenial, der beim Gedanken an mutterlose Kälbchen furchtbar traurig wird und deshalb zum Veganismus überläuft. Das WG-Kälbchen Lilly, lässt uns die Autorin indes bissig wissen, „will alles richtig machen“. Seine Theoriemama heißt Simone. An ihr wird sich die eher unbedarfte junge Frau, die in den Diskursblasen des Netzfeminismus recht praxisarm unterwegs ist, abarbeiten. Nicht nur, nachdem sie wieder ausgezogen ist aus dem Bienenstock und in einer woken Konkurrenz-WG unterkommt. Sondern auch, nachdem sie von einem Mann schwanger wird, der gerne mal mit Sesseln herumwirft. Der Sex aber ist „überirdisch“, denkt sie gleichsam bedrückt und beglückt.

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