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#Gibt es Sprechverbote in Deutschland?

Gibt es Sprechverbote in Deutschland?

Frau Topçu, Sie haben kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“ den Essay „Nicht mein Antirassismus“ veröffentlicht. Sie schreiben darin, trotz Ihrer deutsch-türkischen Herkunft und erlebter Diskriminierung stimmten Sie nicht mit den Menschen mit Migrationshintergrund überein, die Deutschland einen allgegenwärtigen Rassismus attestieren und rassistische Tendenzen bei jedem Herkunftsdeutschen wittern. Die Verwendung des Rassismus-Begriffs sei inflationär und es gebe Sprechverbote. Was hat Sie dazu bewogen, sich so klar zu positionieren?

Karen Krüger

Karen Krüger

Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Canan Topçu: Das Thema gärte zwei Jahre in mir, nachdem ich mehrfach Teilnehmerin bei Veranstaltungen der postmigrantischen Szene, der Pocs, gewesen bin.

…Person of Color, kurz Poc, ist eine selbstgewählte Bezeichnung von Menschen, die sich als nicht „weiß“ definieren. Sie verbindet Rassismuserfahrungen, Ausgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft und kollektive Zuschreibungen des Andersseins…

T: Die Pocs zeichnen ein Bild von diesem Land, das ganz anders ist, als ich es erlebe. Ihnen zufolge ist Deutschland durch und durch rassistisch, überall sind Neonazis, man traut sich kaum auf die Straße. Bin ich im falschen Film? Ich habe ernsthaft angefangen, mich zu fragen, ob etwas an mir nicht stimmt. Weil ich – ohne Ausgrenzungen, Herabwürdigungen und Diskriminierungen auszublenden – dieser krassen Beschreibung nicht zustimme. Mir wurde deswegen sogar das Stockholm-Syndrom attestiert. Wenn man also eine andere Position vertritt als diese Meinungsmacher, dann ist man ein Psycho. Irgendwann habe ich einfach drauflosgeschrieben. Ich wollte etwas tun, damit die Diskussion in eine andere Richtung läuft und eine Lanze brechen für dieses Land, in dem ich sehr gerne lebe. Ich fühle mich glücklich, dass meine Mutter damals sehr viele Entbehrungen auf sich genommen hat, damit ihren drei Töchtern eine Zukunft ermöglicht wird, die wir in der Türkei so nicht gehabt hätten.

Es gab sehr viele Reaktionen auf den Text, besonders in den sozialen Medien. Viele Menschen mit Migrationsbiographien haben Ihnen voll zugestimmt. Andere haben Sie stark kritisiert. Einer davon waren Sie, Herr Lazarević. Was stört Sie an der These, der Rassismusbegriff werde inflationär benutzt?

Krsto Lazarević: Er wird häufig benutzt, weil es sehr häufig Rassismus in Deutschland gibt. Für viele fängt Rassismus erst an, wenn Neonazis eine Hetzjagd auf schwarze Menschen veranstalten. Er beginnt aber schon dort, wo Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe benachteiligt und diskriminiert werden. Studien zeigen, wie weit verbreitet das in Deutschland ist. Rassismus ist hier Alltag. Deshalb sollte es auch alltäglich sein, darüber zu sprechen.

T: Natürlich gibt es Ausgrenzung und Diskriminierung. Aber es ist vollkommen übertrieben, Rassismus als Alltag zu bezeichnen. Mit einem solchen Pauschalurteil steckt man Menschen in eine Schublade, die da nicht rein gehören und löst Empfindlichkeiten aus, die einer Gesellschaft der Vielfalt und des freundlichen Miteinanders im Wege stehen.

L: Höre ich da etwa ein Sprechverbot heraus?

T: Überhaupt nicht.

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