#„Ich tendiere zu einer allgemeinen Impfpflicht“
„„Ich tendiere zu einer allgemeinen Impfpflicht““
Herr Lindner, vor vier Wochen hat die künftige Koalition es gar nicht abwarten können, schon Gesetze zu machen, bevor sie im Amt war. Nun sieht es so aus, als müsste sie ihr Corona-Gesetz korrigieren, bevor sie ins Amt kommt. Ist das die Nachhaltigkeit der Ampel-Regierung?
Die Pandemie-Lage ist dynamisch und erfordert eine ebenso flexible Antwort der staatlichen Verantwortungsgemeinschaft. Das ist herausfordernd in einer Zeit, in der eine neue Parlamentsmehrheit mit einer nur geschäftsführenden Bundesregierung und den Ländern zusammenarbeitet. Es ist aber seit der Bundestagswahl eine neue Verständigung gelungen, die eine konsequentere Bekämpfung von Corona verbindet mit einer gewachsenen Sensibilität für die gesellschaftlichen Schäden möglicher Lockdowns.
Aber die Ministerpräsidenten-Konferenzen mit der Bundesebene, von denen es nun zwei in der laufenden Woche gab, hätten schon viel früher stattfinden können, wenn sich die künftige Regierung nicht lange geweigert hätte, ein solches Treffen zu veranstalten.
Wir sind im ständigen Austausch mit den Ländern. Die von der neuen Mehrheit vorgenommene Änderung der gesetzlichen Grundlagen hatte die Parlamentarisierung der Entscheidungen über die Einschränkung von Grundrechten zum Ziel. Bis dato hatten die Länder die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente auch nicht ausgeschöpft, die Kontakte vor allem der Ungeimpften wirksam zu reduzieren. Das ändert sich. Wenn es aufgrund etwa der noch beklagenswerten Impf-Logistik, der enttäuschenden Impfbereitschaft oder der Risiken der Virusvariante Omikron neue Notwendigkeiten gibt, werden wir auch gesetzgeberisch handeln.
Meinen Sie mit „Parlamentarisierung“ der Corona-Maßnahmen den Vorschlag, über eine künftige Impfpflicht den Bundestag ohne Fraktionszwang entscheiden zu lassen?
Das war eine richtige Initiative des designierten Justizministers Marco Buschmann. Alle politischen Kräfte haben zu Beginn der Pandemie eine Impfpflicht ausgeschlossen. Verfassungsrechtlerinnen und -rechtler meldeten Bedenken an. Wenn dieser bisherige Konsens geöffnet wird, sind damit ethische Abwägungen verbunden. Die Debatte sollte daher nicht entlang von Fraktionsgrenzen geführt werden, sondern übergreifend. Wenn das Meinungsspektrum im Parlament sichtbar wird, dann ist dies auch ein Beitrag zur Beruhigung des entsprechenden Konflikts in unserer Gesellschaft.
Vor einigen Tagen haben Sie selbst noch verfassungsmäßige Zweifel gegenüber einer generellen Impfpflicht angeführt.
So wurde von anderen argumentiert. Wenn es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt, dann tendiere ich persönlich inzwischen zu einer allgemeinen Impfpflicht. Da wir längere Erfahrungen mit der Wirkung der Impfstoffe haben, halte ich das für verantwortbar. Anlass für meine Neubewertung ist die enttäuschend geringe Impfbereitschaft. Sie belastet wellenartig das Gesundheitswesen und führt uns immer neu an den Rand von Lockdowns. Als Liberaler fällt mir diese Entscheidung schwer, weshalb ich Respekt vor anderen Abwägungen habe.
Am vergangenen Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht Klagen der FDP gegen die Corona-Maßnahmen aus dem Frühjahr abgewiesen. Der designierte FDP-Justizminister Buschmann hat angegeben, die FDP habe sich ein anderes Urteil gewünscht. Halten Sie den Wunsch weiter für berechtigt, hat Karlsruhe das Grundgesetz hier im Stich gelassen?
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