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#In Frankreich trifft der Terror die Schule

In Frankreich trifft der Terror die Schule

Der Prozess gegen die Komplizen der Terroristen, die das Attentat auf „Charlie Hebdo“ verübt hatten, war längst im Gange, als neunzig führende Medien ein Manifest für die Meinungsfreiheit veröffentlichten. Keine Zeitung illustrierte den Aufruf mit einer der Mohammed-Karikaturen, die das Satiremagazin zum Auftakt des Prozesses nochmals gedruckt hatte. Wieder kam es zu Morddrohungen, eine Mitarbeiterin musste innerhalb von zehn Minuten ihre Wohnung verlassen – unter Polizeischutz steht sie seit 2015. Ein Messerangriff vor dem früheren Redaktionsgebäude forderte zwei Schwerverletzte. Auch der Geschichtslehrer Samuel Paty, der am Freitag enthauptet wurde, hatte zwei Wochen zuvor in einer Lektion über die Presse- und Meinungsfreiheit den Schülern die Karikaturen gezeigt.

Jürg Altwegg

Mit ihrem Manifest für die Pressefreiheit reagierten die Zeitungen auf die Verhandlungen vor Gericht. Vom „Prozess über eine Niederlage“ hatte der Anwalt von „Charlie Hebdo“, Richard Malka, gesprochen und die Mutlosigkeit der Zeitungen angeklagt. Zeugen und Überlebende unterstrichen im Gerichtssaal, wie sehr sich die Lage seit dem Attentat verschlechtert habe. Die Angst triumphiert – es gibt, stellte Malka resigniert fest, keine Bücher, keine Ausstellungen, keine Filme und Stücke, die sich kritisch mit dem Islam befassen.

„Charlie Hebdo“ rechnete mit den Politikern und Intellektuellen als geistigen Komplizen der Terroristen ab. Aus Angst, der „Islamophobie“ Vorschub zu leisten, verniedlichten sie die totalitäre Bedrohung. Auch der Aufruf der Medien zur Verteidigung der Pressefreiheit ist nicht als mutige Kampfansage formuliert. Begriffe wie „Islamismus“ und radikaler Islam vermeidet er. Von Fanatikern ist die Rede – aber ohne ideologische Zuordnung.

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Eine lange ignorierte Bedrohung

Das barbarische Attentat trifft ein Symbol der Republik. In den Schulen war ein Verbot des Kopftuchs angeordnet worden, das Frankreich zum Feindbild der muslimischen Welt machte. Der Tod Samuel Patys zwingt Frankreich, sich einer Realität zu stellen, die es zwar kennen könnte, doch verdrängt. In allen Medien erzählen Lehrer aus der Banlieue, dass es längst unmöglich geworden sei, Themen wie die Biographie des Propheten, die Schoa, den 11.September oder auch Darwin zu behandeln. Und freimütig bekennen sie, dass sie aus Angst und weil sie von den Schulbehörden nicht wirklich unterstützt würden, den Konflikten aus dem Weg gehen. Sie üben sich in Selbstzensur. Der Kniefall der Kultur, den „Charlie Hebdo“ anprangerte, ist in der Schule alltäglich; an vielen Orten war die Schweigeminute für die toten Journalisten seinerzeit gestört worden.

„Die Lehrer sind Zielscheiben“: 2004 erarbeitete Jean-Pierre Obin, ein Inspektor des Schulministeriums, einen Bericht über den zunehmenden Einfluss des Islams in den Schulen. Er verschwand in der Schublade des damaligen Bildungsministers François Fillon; Auszüge gelangten an die Öffentlichkeit, doch Konsequenzen gab es keine.

Tatsächlich ein Märtyrer der Republik

In diesem Herbst hat Obin ein Buch veröffentlicht: „Wie man den Islam in die Schule eindringen ließ“. Probleme gibt es nicht nur im Geschichts- und Biologieunterricht. Im Fach Französisch stößt der Lehrer mit der unmoralischen Emma Bovary und dem Religionskritiker Voltaire auf Widerstand. Immer mehr Mädchen bleiben zudem dem Turn- und Schwimmunterricht fern. Dreiste Kampagnen empörter Eltern, die in den Netzwerken die Entlassung und Bestrafung der Lehrer fordern, gibt es seit längerem. Erstmals aber hat jetzt der Fanatismus eines Vaters, der sich mit einem Hassprediger zusammentat, nach zwei Wochen zu einem Mord geführt.

Mitverantwortlich für die Tat des achtzehn Jahre alten Tschetschenen ist auch der Furor der „Cancel Culture“. Sie heizt das Klima gegen Aufklärung an und bewundert insgeheim die Terroristen als Widerstandskämpfer im gemeinsamen Feldzug gegen die Republik der Diskriminierung.

Mit der historischen Diskriminierung der Homosexuellen wurde unlängst die Forderung nach der Überführung von Rimbaud und Verlaine ins Pantheon begründet. Nun ist von der Überführung Samuel Patys die Rede – der tatsächlich ein Märtyrer der Republik ist. Auch die Schule, an der er unterrichtete, soll nach ihm benannt werden. Immer wieder ist Frankreich versucht, seine Konflikte in Erinnerungspolitik aufzulösen. Aber nach Jahren der Trauermärsche für Terroropfer scheint man die Dringlichkeit des Handelns zu erkennen. Bei den Gedenkzeremonien für den Geschichtslehrer war der Überdruss stärker als die Einmütigkeit: „Es reicht jetzt mit den Kerzen und Kränzen.“

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