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#Ist die grüne Kanzlerkandidatin zu selbstkritisch?

Ist die grüne Kanzlerkandidatin zu selbstkritisch?

Perfektionistinnen sind zwar selten perfekt, aber meist besser als andere. Über Annalena Baerbock etwa heißt es, dass sie schon mal nachts um eins anrufe, weil sie zu einer Fußnote eine Frage habe. Diese Detailversessenheit, sagen ihre Parteifreunde, habe sie so weit gebracht.

Livia Gerster

Redakteurin in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Doch seit immer mehr Schlampereien in Baerbocks Lebenslauf und Finanzgebaren auftauchten, wirkt die Grünenvorsitzende weniger perfekt. Als würde sie ständig versuchen, bloß keine Fehler zu machen, und dann erst recht stolpern.

Diese Woche gab es schon wieder eine schlechte Umfrage. Und vom Parteitag in der vergangenen Woche blieb vor allem ein Wort in Erinnerung: „Scheiße!“ Das Mikrofon war noch an, als sie von der Bühne ging. Dabei hatte sie sich nur einmal versprochen und neu ansetzen müssen. Ist Annalena Baerbock vielleicht ein bisschen überstreng mit sich?

„Sie hat keinen Panzer um sich rum“

Baerbock hält am Telefon kurz inne. Dann sagt sie: „Ich glaube, man kann gar nicht zu selbstkritisch sein, denn aus jeder Sache lernt man.“ Aber dass man sich dermaßen über sich selbst ärgert, nur weil man sich verhaspelt? Baerbock lacht. „Man sollte vielleicht nicht ausgerechnet bei laufendem Mikro Selbstkritik üben!“

Baerbock hatte sich entschieden, wieder ganz klassisch am Pult zu stehen, vor ihrer ausgedruckten Rede. Nach der Talfahrt der vergangenen Wochen sollte das Sicherheit geben. Den Teleprompter vom letzten virtuellen Parteitag hatte sie in schlechter Erinnerung. Zu künstlich – zu wenig sie.

„Nach den Fehlern, die sie selbst am allermeisten geärgert haben, war es wichtig, diese supergute Rede zu halten“, sagt ihre Parteifreundin Claudia Roth. Dass sich der Druck dann so entladen habe, zeige doch nur: „Sie ist keine Maschine, und sie hat keinen Panzer um sich rum. Sie ist ein Mensch.“

Solche ähnlichen Sätze sagt Baerbock auch am Telefon über sich: Auch als Spitzenpolitikerin wolle sie Mutter bleiben. Auch als Kanzlerkandidatin eine Frau mit Gefühlen. „Es ist halt ein Spagat: tough sein, aber zugleich empathisch bleiben.“ Baerbock will gar nicht alles an sich abprallen lassen. Will für Kritik empfänglich bleiben.

„Das verfolgt mich bis heute“, sagt Baerbock

Eigentlich weiß sie aus dem Leistungssport, wie das geht: „Schnitzer abhaken, hart trainieren und nach vorn schauen.“ Aber das klappt nicht immer. Dann schleppt sie wochenlang etwas mit sich herum, was eigentlich gar nicht so schlimm war.

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Wie die Sache mit dem Kobold. Sie sprach über Batterien und meinte Kobalt, sagte aber Kobold. Gleich zweimal. Im Netz mokieren sich ihre Feinde auch zwei Jahre später noch darüber. „Das verfolgt mich bis heute“, sagte sie im Februar in einem Videogespräch mit der Wochenzeitung Zeit – und genau das ist es, was sie von anderen Politikern unterscheidet.

Die würden das einfach wegwischen, nicht der Rede wert finden oder jedenfalls so tun. Baerbock hingegen erklärte an anderer Stelle sogar, wie es dazu kam. Für Diskussionen auf Englisch habe sie sich eine Eselsbrücke gebaut: Auf Englisch klingt „cobalt“ wie Kobold. Und vom Berggeist kommt das Wort ja auch. Mittlerweile kann sie darüber lachen. Bei einem Test kam gerade raus, dass sie gegen Nickel und Kobalt allergisch sei: „Das erklärt einiges!“

Gehen Politikerinnen anders mit Schwächen um als ihre männlichen Kollegen? So pauschal will Baerbock das natürlich nicht sagen. Aber Unterschiede sieht sie schon. Ihr fällt ein Satz von Rita Süssmuth ein, die mal in einem Interview erzählte, wie sie nach harten Angriffen auch im stillen Kämmerlein geweint habe. Baerbock fand das total beeindruckend: „So einen offenen Satz habe ich von einem Spitzenpolitiker noch nicht gelesen.“

Die Schlagzeile mit Rita Süssmuth

Die CDU-Politikerin und frühere Familienministerin Rita Süssmuth kennt Baerbock nicht persönlich. Aber mit ihren 84 Jahren hat sie es schon lang nicht mehr nötig, so zu tun, als sei sie immer nur tough gewesen – wobei Rita Süssmuth das natürlich anders ausdrückt: „Ich habe gar nicht so viel Contenance, wie man meinen könnte.“

„Süssmuth redet sich um Kopf und Kragen“: An diese F.A.Z.-Schlagzeile aus dem Jahr 1993 erinnert sich die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth gut.


„Süssmuth redet sich um Kopf und Kragen“: An diese F.A.Z.-Schlagzeile aus dem Jahr 1993 erinnert sich die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth gut.
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Bild: Picture-Alliance

Jetzt, mit all dem Abstand, fällt es ihr leicht, auch über jene Momente zu sprechen, in denen einem der Gegenwind ins Gesicht blies – so wie Baerbock in den letzten Wochen. „Manchmal sind die Stürme so heftig, dass man fragt: Woher soll ich jetzt noch Gelassenheit nehmen?“

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