Nachrichten

#Ist die Wahrheit für Rutte nur eine Option?

Ist die Wahrheit für Rutte nur eine Option?

Im Kabinett sei nichts „Merkwürdiges“ oder „Unangemessenes“ geschehen, rechtfertigte sich Mark Rutte, als er auf die jüngste Enthüllung reagierte. Doch hat es inzwischen einen seltsamen Beiklang, wenn der niederländische Regierungschef so spricht. Viele Niederländer fragen sich, ob es sein könnte, dass im System Rutte ganz normal sei, was außerhalb als Lug und Trug gelte? Der Verdacht steht schon seit längerem im Raum, vor allem aber, seit Rutte vor Ostern zugab, er habe „mit bestem Gewissen“ falsch Auskunft erteilt – was ihm die Missbilligung des ganzen Parlaments eintrug, mit Ausnahme seiner eigenen Fraktion.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Damals ging es um pikante Interna der Regierungsbildung nach der Parlamentswahl, die Rutte Mitte März überlegen gewonnen hatte. Jetzt geht es wieder um die Kinderzuschlagsaffäre, derentwegen Rutte samt Kabinett im Januar zurückgetreten war. Seither ist er nur noch geschäftsführend im Amt – und seine Chancen, noch eine Regierung zu bilden, schwinden weiter. Seit 2013 hatte die niederländische Steuerbehörde von mehr als 20.000 Eltern zu Unrecht Beihilfen für die Kinderbetreuung zurückgefordert. Die Beträge gingen bis in die Zehntausende Euro, Familien mussten sich verschulden oder ihr Eigentum verkaufen. Von „beispielloser Ungerechtigkeit“ und einem „Verstoß gegen Grundprinzipien des Rechtsstaats“, sprach die parlamentarische Untersuchungskommission, die den Fall aufklärte. Die Regierung habe das Parlament zu spät und unvollständig informiert.

„Keine vollständige Darstellung der Tatsachen geben“

Wie das vonstatten ging, enthüllte am Mittwochabend der Fernsehsender RTL. Unter Berufung auf Quellen, welche die vertraulichen Protokolle kennen, rekonstruierte er mehrere Sitzungen des Kabinetts im Jahr 2019, als die Affäre ruchbar wurde. Eine Anwältin, die 300 Familien aus Eindhoven vertrat, hatte Einblick in die Steuerakten ihrer Mandanten bekommen. Das bestärkte sie in dem Verdacht, dass die Behörden vor allem Eltern mit doppelter Staatsangehörigkeit ins Visier genommen hatten und sie es nicht mit einem Einzelfall zu tun hatte. Im Parlament wurde sie von einem Abgeordneten des Christlich-Demokratischen Aufrufs (CDA) unterstützt: Pieter Omtzigt. Der verlangte, dass die Hintergründe aufgeklärt würden, obwohl der CDA an der Regierung beteiligt war und das verantwortliche Finanzministerium führte.

Für das Kabinett war Omtzigts Forderung äußerst unbequem, denn intern war klar, dass noch viel mehr Personen betroffen waren. Wie RTL berichtet, soll Finanzminister Wopke Hoekstra, Finanzminister und inzwischen CDA-Parteiführer, in einer der Sitzungen gesagt haben: „Wir haben versucht, ihn zur Vernunft zu bringen, aber das hat nicht geklappt.“ Im November 2019 musste sich das Kabinett mit einem Antrag Omtzigts befassen, weitere Informationen herauszugeben. Am Ministertisch hagelte es wieder Beschwerden über den unbequemen Abgeordneten. Laut RTL erging der Beschluss, keine „vollständige Darstellung der Tatsachen“ zu geben. Ein Minister soll gefragt haben, ob das nicht gegen die Verfassung verstoße. Der Einwand wurde übergangen. Das Parlament bekam lediglich eine bedeutungslose Zeitleiste geliefert, aus der nichts Neues hervorging.

Der Ministerpräsident mag daran nichts „Merkwürdiges“ erkennen. Doch für einen Teil des Parlaments gelte nun, fasst die Zeitung „De Volkskrant“ zusammen“: „Rutte lügt, bis das Gegenteil bewiesen ist.“ Unter Druck geraten auch seine drei Koalitionspartner. Die Führerin der Linksliberalen, Sigrid Kaag, saß seinerzeit als Ministerin für Entwicklung und Außenhandel mit am Tisch. Sie hatte bei der Wahl im März das zweitstärkste Ergebnis geholt und sich danach deutlich von Rutte und seinen Methoden abgesetzt. Aber war sie nicht selbst Teil des Systems und hat die sogenannte „Rutte-Doktrin“ mitgetragen, nämlich die Öffentlichkeit nicht oder nur selektiv zu informieren?

Regierung soll brisante Kabinettsprotokolle veröffentlichen

Noch brisanter sind die Enthüllungen für Finanzminister Hoekstra. Omtzigt ist sein parteiinterner Gegenspieler. Derzeit sitzt der rebellische Abgeordnete mit einem „Burn out“ zu Hause, zieht von dort aber weiter Fäden. „Im Wahlkampf haben wir ihre Wertschätzung und Anerkennung für Pieter Omtzigt vermisst“, schrieben jetzt die Vorsitzenden von zwanzig CDA-Kreisverbänden in einem Brief an Hoekstra. Das Regieren sei der Partei fast zur „zweiten Natur“ geworden, doch brauche das Land endlich eine Erneuerung, die mit Rutte nicht möglich sei. Für den sei die Wahrheit „nicht der Ausgangspunkt, sondern bloß eine Option“. Das war die Aufforderung, in die Opposition zu gehen.

Rutte braucht die Linksliberalen, den CDA und einen weiteren Partner für eine Mehrheit. Am Freitagnachmittag teilte er mit, dass das geheime Protokoll der Kabinettssitzung im November 2019 Anfang der Woche veröffentlicht werde. Anschließend wird das Parlament über den Fall debattieren. Wenn es schlecht läuft für Mark Rutte und nur zwei Abgeordnete mit der Opposition stimmen, hätte er auch einem weiteren Misstrauensvotum nichts mehr entgegenzusetzen. Dann müsste er endgültig sein Amt aufgeben.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!