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#Italienischer EU-Kommissar rüttelt am Stabilitätspakt

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Italienischer EU-Kommissar rüttelt am Stabilitätspakt

Der Tagesordnungspunkt für das wöchentliche Treffen der EU-Kommission an diesem Mittwoch klingt harmlos. Die Kommissare wollen eine Mitteilung beschließen, in der Bilanz über die „haushaltspolitische Reaktion“ der Behörde ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Krise gezogen wird. Diese bestand im Wesentlichen darin, die Regeln des Stabilitätspakts für die Dauer der Pandemie außer Kraft zu setzen. Grundlage ist eine Klausel, wonach der Pakt im Fall „außergewöhnlicher Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle einer Regierung liegen“, auf Eis gelegt werden kann.

Werner Mussler

Seit einem Jahr können die Mitgliedstaaten deshalb zur Abfederung der Covid-Folgen ohne Rücksicht auf die EU-Regeln Schulden machen. Im Schnitt des Euroraums ist die Schuldenquote zwischen 2019 und 2020 um rund 15 Prozentpunkte (von 85,9 auf 101,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) gestiegen, in den hochverschuldeten Ländern Italien und Griechenland um rund 25 Punkte – auf etwa 160 (Italien) und über 200 Prozent des BIPs (Griechenland). Der Maastrichter Referenzwert für die Schulden beträgt indessen 60 Prozent.

Bislang ist vorgesehen, die Regeln des Pakts nur bis Jahresende außer Kraft gesetzt zu lassen. Diese Frist will die Kommission nun verlängern, weil kein Mitgliedstaat im kommenden Jahr die ökonomischen Pandemiefolgen so verkraftet haben wird, dass er auch wieder eine „normale“ Haushaltspolitik fahren kann. Ferner wollen die Kommissare genauere Kriterien definieren, wann und unter welchen Umständen die Regeln des Pakts wieder gelten sollen. Das soll frühestens dann der Fall sein, wenn die Wirtschaftsleistung im Euroraum-Durchschnitt wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. Nach den jetzigen Kommissionsprognosen wäre das 2023 der Fall.

Gentiloni will das System umkrempeln

Geht es nach Währungskommissar Paolo Gentiloni, soll die „Corona-Bilanz“ aber weiter reichen. Der Italiener will sie möglichst stark mit der von ihm vor der Pandemie angestoßenen grundsätzlichen Reform des Pakts verschränken, die derzeit auf Eis liegt. In der vergangenen Woche sagte Gentiloni, die Eurozone werde im Durchschnitt sicher mit einer Schuldenquote von über 100 Prozent des BIPs aus der Pandemie hervorgehen. Für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen stelle das aber kein Problem dar, solange die Zinsen so niedrig seien wie derzeit.

Der Italiener warb dafür, die Haushaltspolitik stärker nach der aus seinem Heimatland und aus Frankreich bekannten Maxime zu beurteilen, dass wachstumsfördernde Schulden zu begrüßen sind. In Anlehnung an Italiens Ministerpräsident Mario Draghi unterschied der Kommissar „gute“ und „schlechte“ Schulden. Erstere nehme der Staat auf, um Forschung, Erziehung, Infrastruktur und Krankenhäuser zu finanzieren. Letztere dienten der Finanzierung laufender Ausgaben, und sie erhöhten das Wachstumspotential nicht.

Die „guten“ Schulden tragen in Gentilonis Lesart zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen bei, die „schlechten“ nicht. Diese Unterscheidung erinnert an die Diskussion, die kürzlich eine Ökonomengruppe um den früheren Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) Olivier Blanchard eröffnet hat. Diese plädieren dafür, dass die EU-Fiskalregeln künftig nicht mehr an den quantitativen Vorgaben des Pakts, sondern diskretionär an einem Kriterienkatalog auszurichten seien.

Der Katalog soll sich an der Schuldentragfähigkeit eines Landes orientieren. Letztere werde von vielen Einflussgrößen bestimmt, argumentieren die Ökonomen um Blanchard, von den Zinserwartungen bis zur Stabilität des politischen Systems. Nach Gentilonis Vorstellung läge es an der EU-Kommission, die Haushaltspolitik anhand all dieser Kriterien zu beurteilen.

Freilich sieht es so aus, dass Gentiloni sich und seinem Anliegen keinen Gefallen getan hat. Kommissionsintern sorgt sein Vorpreschen für großen Ärger. Deshalb soll über einen Vorschlag zur Reform des Paktes erst im Herbst entschieden werden. Die Aussagen des Italieners seien „nicht hilfreich“ und unter den Kollegen nicht abgestimmt gewesen, heißt es an anderer Stelle der EU-Behörde.

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