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#Jesiden-Prozess in Augsburg: Urteil ist gefallen

„Jesiden-Prozess in Augsburg: Urteil ist gefallen“



Eine 16-jährige Jesidin aus Augsburg geht eine Beziehung mit einem Muslim ein – und wird von ihrer Familie geschlagen und bedroht. Nun sind ihr Vater und ein Bruder verurteilt worden.

Der Prozess ist fast vorbei, da möchte der 23-jährige Angeklagte doch noch etwas sagen. Wochenlang hat er geschwiegen, sich angehört, was die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, was diverse Zeugen über ihn zu sagen haben – und sein Vater, der sich gemeinsam mit ihm vor dem Amtsgericht Augsburg verantworten muss. Der 23-Jährige spricht lange und schnell, immer wieder bricht er in Tränen aus, manches ist akustisch wie inhaltlich nur schwer zu verstehen. Aber er räumt ein, seiner 16-jährigen Schwester Haare ausgerissen zu haben. Sie bereits Monate zuvor mit einem Gürtel geschlagen zu haben. Aus Sicht der jesidischen Familie bestand das Vergehen des Mädchens wohl vor allem in einem Wunsch: darin, ein eigenständiges Leben führen zu wollen. Nun hat das Schöffengericht unter Richterin Silke Knigge ein Urteil gesprochen.

Es verurteilte den 23-Jährigen am Mittwoch zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten, auch gegen den 44-jährigen Vater verhängt das Gericht eine Strafe in dieser Höhe. Vater und Sohn hatten das 16-jährige Mädchen nach Ansicht des Gerichtes attackiert und bedroht, sie körperlich und seelisch misshandelt. Richterin Knigge betonte in der Urteilsbegründung, es gebe keinen Zweifel daran, „dass das Mädchen von vorne bis hinten die Wahrheit sagt“. Juristisch ging es unter anderem um gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung.

Prozess in Augsburg: Jesidische Familie soll Mädchen misshandelt haben

Es war eine Verhandlung, die bundesweit Beachtung fand, weil sie Einblicke in eine Parallelgesellschaft bot, zumindest in die Parallelgesellschaft dieser Familie: Sie gehört dem Jesidentum an, einer Religion, die von Kurden praktiziert wird, die vor allem aus dem Irak, der Türkei und Syrien stammen. Ein Beitritt zu der Religionsgemeinschaft ist nicht möglich, geheiratet wird bis heute nur innerhalb der Gemeinschaft. Jesiden wurden vielfach verfolgt und ermordet. In Augsburg sollen rund 2000 Jesiden leben, vergleichbare Fälle wie jenen um das 16-jährige Mädchen gab es in Augsburg in den vergangenen Jahren nicht.

Ein Prozess in Augsburg drehte sich um archaische Praktiken einer streng religiösen Familie, die der jesidischen Glaubensrichtung angehört.

Foto: Silvio Wyszengrad

Laut Anklage sahen die beiden angeklagten, irakischstämmigen Männer die Ehre der Familie beschmutzt, weil die Jugendliche eine Beziehung zu einem türkischen Mitschüler eingegangen war. Unter Jesiden werden in der Regel nur Beziehungen innerhalb der religiösen Gruppe akzeptiert, der damalige Freund der 16-Jährigen aber war Muslim. Der heute 18-Jährige sagte als Zeuge aus, er habe die Jugendliche in der Schule kennengelernt, man sei in eine Klasse gegangen. Im Laufe der Beziehung habe die 16-Jährige ihm erzählt, dass sie zu Hause geschlagen und bedroht worden sei, auch habe er bei ihr Würgemale und ausgerissene Haare bemerkt. Nachdem die Schule Polizei und Jugendamt kontaktierte, nahm die Behörde die 16-Jährige aus der Familie; heute lebt sie an einem geheimen Ort. 

Urteil im Prozess: Jesidische Familie bedroht 16-jährige Tochter

Staatsanwalt Philipp Bodenmüller sagte in seinem Plädoyer, man könne die Frage nicht beantworten, ob die 16-Jährige noch am Leben wäre, hätten Schulumfeld und Behörden nicht so schnell reagiert – es sei aber auch nicht auszuschließen, dass es zu einem Tötungsdelikt gekommen wäre. Die Angeklagten hätten gezeigt, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Religion auszuüben, ohne Straftaten zu begehen. „Wir sind hier nicht im Irak“, sagte der Staatsanwalt. Es gebe hier einen Rechtsstaat, und der müsse in solchen Fälle klare Kante zeigen. In einer offenen, werteorientierten Gesellschaft könne so etwas nicht toleriert werden. Bodenmüller sprach von einem „patriarchalen Rollenbild“ in der Familie und forderte für beide Angeklagte eine Freiheitsstrafe von jeweils drei Jahren und zehn Monaten. 

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Den Ermittlungen zufolge sollen beide Männer das Mädchen im Tatzeitraum von Dezember 2018 bis Mai 2022 in mehreren Fällen bedroht und geschlagen haben. Im Mai 2022 soll der Vater das Mädchen von der Schule abgeholt und sie aufgefordert haben, von einer Lechbrücke zu springen. Den türkischen Freund der Tochter sollen Vater und Sohn mit dem Tod bedroht haben, schließlich diskutierte die Familie den Ermittlungen zufolge, wie die 16-Jährige umgebracht werden könnte.

Die Verteidiger plädierten auf Bewährungsstrafen für ihre Mandanten. Sein Mandant habe in den Monaten der Untersuchungshaft Zeit gehabt, über seine Taten nachzudenken, sagte ein Verteidiger des 44-Jährigen. Es tue ihm aus der Seele leid, er wisse auch, dass er für seine Fehler geradestehen müsse. Die Familie habe das 16-jährige Mädchen einschüchtern wollen, damit sie die Beziehung zum muslimischen Junge beende, ein Ehrenmord habe aber nicht im Raum gestanden. „Niemals hat mein Mandant auch nur einen Gedanken verschwendet, seine Tochter ums Leben zu bringen.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

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