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#Jetzt nimmt Brüssel die Staatsunternehmen ins Visier

Jetzt nimmt Brüssel die Staatsunternehmen ins Visier

Seit 2004 hat die Europäische Union Sanktionen gegen das Regime von Alexandr Lukschenko in Belarus verhängt. Doch die Maßnahmen, auf die sich die Staats- und Regierungschefs am Montagabend in Rekordtempo verständigt haben, gehen deutlich über den bisherigen Rahmen hinaus. So wird das Land de facto vom Flugverkehr nach Westen abgeschnitten. Außerdem wurde der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beauftragt, „gezielte wirtschaftliche Sanktionen“ vorzubereiten. Das richtet sich gegen ganze Wirtschaftssektoren und erlaubt es der Union, den Handel mit bestimmten Gütern einzuschränken.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Solche Restriktionen gibt es seit 2011 für Waffenlieferungen und für die Lieferung von Ausrüstung, die zur internen Repression verwendet werden kann. Neue Maßnahmen könnten sich nun gegen die Energie- und Chemiebranche richten, in der mächtige Staatsunternehmen tätig sind, deren Einkünfte das Regime finanzieren.

Die Vereinigten Staaten haben Ende April  schon vorgelegt. Sie untersagten jegliche Transaktion mit neun Unternehmen. Dazu gehört Belneftekhim, der Staatskonzern für Öl und Chemie. Das größte Industriekonglomerat des Landes fördert Öl und Gas, betreibt Pipelines, Raffinerien und chemische Betriebe. Es erzeugt ein Drittel der Industrieprodukte und der Exporte des Landes. Mehrere Töchterunternehmen stehen ebenfalls auf der amerikanischen Sanktionsliste: die Raffinerie Naftan, der Reifenhersteller Belshina und der Düngemittelhersteller Hrodna Azot.

Europa wollte Untersuchung der ICAO nicht abwarten

Nicht aufgeführt, aber ebenfalls für das Regime lebenswichtig ist der Staatskonzern Belaruskali, der etwa 20 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kalidüngemitteln deckt. Dieses Unternehmen exportiert seine Erzeugnisse über den litauischen Hafen Klaipeda. Litauische Politiker brachten am Montag die Option ins Gespräch, Belarus auch Transportwege am Boden zu versperren – das würde Belaruskali hart treffen.

Freilich muss die EU bei allen Entscheidungen abwägen, ob sie zu unerwünschten Nebeneffekten führen. Das betrifft zum einen die Versorgung der belarussischen Bevölkerung, die nicht unter den Sanktionen leiden soll. Zum anderen könnten sanktionierte Unternehmen gezwungen sein, sich in russische Arme zu begeben.

Der Kreml und einige Oligarchen sollen schon ein Auge auf Belaruskali und Hrodna Azot geworfen haben. Allerdings wurde nach den amerikanischen Sanktionen auch berichtet, dass russische Ölexporteure aus Angst vor amerikanischen Strafmaßnahmen ihre Lieferungen an die Raffinerie Naftan eingestellt haben.


Bild: Flightradar24

Der Entzug von Lande- und Überflugrechten in der Europäischen Union richtet sich allgemein gegen „belarussische Fluggesellschaften“. Freilich gibt es nur eine, nämlich Belavia. Belarus wird damit faktisch vom Westen abgeschnitten, da andere Staaten sich am Vorbild der EU orientieren. So hat das Vereinigte Königreich Belavia schon am Dienstag die Überflugrechte entzogen. In der Europäischen Union ist dafür ein formeller Beschluss des Rates, also der Fachminister, erforderlich. Die Außenminister treffen sich am Mittwoch und Donnerstag informell in Lissabon, sie könnten eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren einleiten.

Bei den Beratungen im Europäischen Rat hatten sich Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine entschlossene und schnelle Reaktion stark gemacht – mit Rückendeckung aus Berlin, Paris und den Staaten, die von der Zwangslandung des Ryanair-Flugzeugs in Minsk am Sonntag betroffen waren Griechenland und Litauen, sowie Irland als Sitz von Ryanair.

In einer nächtlichen Pressekonferenz hoben die EU-Spitzen den präzedenzlosen Charakter des Vorfalls und die Gefahr für Leib und Leben der Passagiere an Bord des Flugzeugs hervor. Michel verglich das Eingreifen eines Abfangjägers mit „Russisch Roulette“. Von der Leyen sagte, die russischen Behörden hätten mit ihrer „Entführung“ des Flugzeugs gezielt einen Notfall herbeigeführt. „Deshalb kann bei Flügen durch den belarussischen Luftraum nicht mehr auf Schutz und Sicherheit vertraut werden.“

Damit begründete sie nicht nur die Aufforderung an alle europäischen Fluggesellschaften, Flüge über Belarus zu vermeiden, sondern auch den Entzug von Lande- und Überflugrechten. Das entspricht einer Rechtsposition, die die EU-Kommission schon 2010 dargelegt hatte. Demnach ist es unter der Chicago-Konvention über internationale Zivilluftfahrt zulässig, einem Staat diese Rechte zu entziehen, wenn er selbst die Sicherheit der Luftfahrt über seinem Gebiet nicht gewährleisten kann – in extremen Fällen und als letzter Ausweg.

Juristen der Kommission kamen am Montag zu der Einschätzung, dass die erzwungene Landung diese Kriterien erfüllt, weshalb es nicht notwendig sei, die beantragte Untersuchung der zuständigen Behörde ICAO in Montreal abzuwarten.  

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