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#Jürgen Habermas äußert sich zum Ukraine-Krieg

„Jürgen Habermas äußert sich zum Ukraine-Krieg“

Ein alter Krieger erinnert sich. An „wilde Spekulationen“ der Leitmedien zur Zeit der Blockmächte. An die postheroische Haltung Westeuropas, die sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts unter dem atomaren Schutzschirm der Vereinigten Staaten gebildet habe. An „kulturelle Selbstverständlichkeiten“, die ihm noch immer selbstverständlich erscheinen, aber heute offenbar von einer jüngeren Generation nicht mehr akzeptiert werden. Vor allem die mühsam errungene pazifistische Nachkriegsmentalität der Deutschen sieht er in Gefahr. Die Überzeugung, dass Kriege gegen eine atomare Macht sowieso nicht gewonnen werden können und man daher all seine Hoffnungen nur auf Kompromisse und Annäherungsversuche setzen darf.

Der Chef-Kritiker der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit sieht seine Felle davonschwimmen. Alles, was Jürgen Habermas Zeit seines Lebens als politischer Kommentator erreicht zu haben meint, löst sich in diesen Tagen auf. Im Angesicht des russischen Angriffskrieges siegt das emphatische Gefühl gegen die kalkulierende Rationalität, weicht die erinnerungspolitisch begründete Skepsis gegenüber Pathos und Gemeinschaft vor dem aufgewühlten Ausdruck von Verteidigungspflicht und Bündnistreue. Selbst der nüchterne Bundeskanzler ruft inzwischen zum „Patriotismus“ auf. Das hat Habermas willentlich überhört, wenn er jetzt in der „Süddeutschen Zeitung“ zu einer akklamatorischen Verteidigung des deutschen Regierungschefs ansetzt. Das, was im „schrillen, von der Presse geschürten Meinungskampf“ untergehe, sei die Hochachtung vor einer reflektierten Kanzlernatur, die auf eine „sachlich umfassend informierte Abwägung“ bestehe, so der hochbetagte Soziologe und Philosoph, der in Scholz einen späten Schüler zu erkennen scheint.

Kein Problem, sondern ein Paradox

Habermas deutet die aktuelle Konfliktlage in altbewährter Manier als kommunikationstheoretisches Problem: Da der rechtsbrechende russische Präsident frei darüber entscheide, wann er den Westen als aktive Kriegspartei betrachtet, falle dem eine Verständigung mit ihm schwer. Bei jedem Schritt seiner militärischen Unterstützung müsse der Westen daher abwägen, ob er nicht die „unbestimmte, weil von Putins Definitionsmacht abhängige Grenze des formalen Kriegseintritts überschreitet“. Was als Problem beschrieben wird, läuft in Wahrheit auf ein Paradox hinaus. Wie soll jemand bei allem kommunikativen Geschick denn Grenzen beachten, die ein anderer zieht? Wie soll der Westen Grenzüberschreitungen verhindern, wenn die Gegenseite definiert, was eine Grenze ausmacht? Vielleicht, indem er Putin jedes Mal um Erlaubnis fragt, bevor er eine Entscheidung trifft?

Wo sind die Gewissheiten hin? Jürgen Habermas bei der Verleihung des deutsch-französischen Medienpreises 2018


Wo sind die Gewissheiten hin? Jürgen Habermas bei der Verleihung des deutsch-französischen Medienpreises 2018
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Bild: dpa

Im Kern ein Generationenkonflikt?

Das, was Habermas‘ Wortmeldung so zweifelhaft macht, ist nicht sein oberlehrerhafter Aufruf zur Mäßigung, nicht seine widersprüchliche Charakterisierung des russischen Präsidenten (in einem Absatz wird er als „rational kalkulierender Machtmensch“, im nächsten als „unberechenbar“ vorgestellt), nicht seine reflexhafte Verteidigung einer sozialdemokratischen Politik, die von heute aus gesehen alles andere als rational gehandelt hat – es sind vor allem die rhetorisch ummantelten, fahrlässigen Denunziationen der ukrainischen Regierung. Nicht nur Selenskyjs „gekonnte Inszenierung“ wird abwertend angeführt, sondern auch dessen eindrucksvolle Verzweiflungsrede vor dem Deutschen Bundestag als „moralischer Ordnungsruf“ desavouiert. Habermas versteigt sich sogar dazu, auf ukrainischer Seite den Versuch einer „moralischen Erpressung“ festzustellen. Man muss sich das vor Augen führen: Da erpresst also ein überfallenes, in seiner Unabhängigkeit bedrohtes und von Kriegsgräueln versehrtes Land die viertgrößte Wirtschaftsmacht? Und selbst, wenn es so wäre, geschähe die Erpressung dann nicht aus guten Gründen? Das entscheidende Stichwort „Nord Stream 2“ fällt bei Habermas jedenfalls nicht.

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