Nachrichten

#Kampf ums Kindeswohl

Kampf ums Kindeswohl

Jedes Jahr entscheiden Richter über das Schicksal von 170.000 Kindern. Die Beamten müssen verbindlich festlegen, was nach der Trennung der Eltern das Beste für die Minderjährigen ist: Sollen sie vor allem bei einem Elternteil wohnen (Residenzmodell) oder künftig die eine Hälfte der Zeit beim Vater und die andere bei der Mutter leben (Wechselmodell)? Es geht um Lebensentscheidungen – und um sehr viel Geld.

Christoph Schäfer

Dem Bundesfamilienministerium zufolge kommt es in neun von zehn Fällen zur klassischen Rollenverteilung: Die Kinder bleiben bei der Mutter, der Vater zahlt Unterhalt. Die Frage ist, ob das so bleiben sollte. Würde das Wechselmodell zum neuen Ideal erhoben werden und ein Kind fortan genau 50 Prozent beim Vater leben, müsste dieser erheblich weniger Unterhalt fürs Kind an seine Exfrau zahlen. Vor allem für die Mütter im Land stehen viele Milliarden Euro im Feuer.

Für den Gesetzgeber und die Familienrichter sollte das aber nicht entscheidend sein. Zentrale Frage ist schon heute, was das Beste für das Kind ist. Ein paar internationale Studien dazu gibt es, mit Blick auf die deutschen Verhältnisse aber ist die empirische Forschungslage dünn. Diesen Missstand soll die 1,5 Millionen Euro teure Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ beheben. Sie soll wissenschaftlich fundiert beantworten, was nach einer Scheidung im Regelfall gut fürs Kind ist.

Zumindest sollte sie das mal. Fakt ist: Die kostspielige Erhebung ist lange überfällig. Die Entscheidung, sie in Auftrag zu geben, fiel vor knapp sieben Jahren. Den Zuschlag erhielt die Forschungsgruppe Petra, die jahrzehntelange Erfahrung in der Kinder- und Familienhilfe hat, sowie Franz Petermann von der Universität Bremen. Koordiniert und praktisch umgesetzt wurde die Studie von Anfang an von Stefan Rücker, der die Forschungsgruppe Petra leitet.

Mindestens drei Jahre überfällig

Dem Ausschreibungstext zufolge sollte das Forschungsvorhaben Mitte 2015 beginnen und „spätestens Ende 2018 mit der Abgabe des Schlussberichts abgeschlossen sein“. Das hat nicht geklappt, der Termin wurde mehrmals verlegt. Derzeit versichert das Ministerium, die Studie „noch in dieser Legislaturperiode“ zu veröffentlichen. Falls es so kommt, hätte sie doppelt so lange gedauert und wäre drei Jahre überfällig.

Warum aber dauert es sechs Jahre (oder länger), um zu klären, welche Erfahrungen Kinder nach der Trennung ihrer Eltern gemacht haben? Das Familienministerium nennt dafür zwei Gründe. Im Jahr 2018 erkrankte Petermann schwer, am 1. August 2019 verstarb er. „In der Folge ist sein Institut an der Uni Bremen aufgelöst worden, so dass ohne weiteres auch kein Mitarbeiter von dort die Abschlussarbeiten mitübernehmen konnte“, so das Ministerium. Danach habe die Corona-Pandemie zu weiteren Verzögerungen geführt.

Auf den ersten Blick sind das triftige Gründe, die selbst drei Jahre Verzögerung erklären könnten. Nun aber wird es spannend: Auf Nachfrage der F.A.Z. erklärt Marc Serafin, Leiter des Jugendamts von Sankt Augustin und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Studie, dass die gewünschte Auswertung bereits am 30. April 2019 abgegeben wurde. „Die Studie liegt dem Ministerium mit allen Ergebnissen vor, das hat mir Studienleiter Rücker schon vor fast zwei Jahren versichert.“ Falls das stimmt, wären die Rechtfertigungen des Ministeriums vorgeschoben, denn die Ergebnisse hätten bereits drei Monate vor dem Tod Petermanns und acht Monate vor Beginn der Corona-Pandemie vorgelegen.

„Vorfassungen, die Verschwörungstheorien nähren“

Genau an diesem Punkt beginnt der Streit, denn das Familienministerium bestreitet energisch, ein publizierfähiges Werk erhalten zu haben. „Die Studiennehmer haben im April 2019 einzelne Entwurfsteile in einer Rohfassung übermittelt“, behauptet das Ministerium. Der Streit darüber, was da im April 2019 abgegeben wurde, beschäftigt mittlerweile sogar das Verwaltungsgericht Berlin. Die Rechtsanwälte des Ministeriums schreiben, „die ersten Entwurfsteile bzw. vorläufigen Fassungen bedürfen noch grundlegender Überarbeitung“. Und noch härter: Eine öffentliche Diskussion könne nur auf einer substantiierten Erkenntnisgrundlage geführt werden „und nicht auf einer Materialsammlung/nicht ausgewerteten Vorfassungen, die Verschwörungstheorien nähren und interessengeleitetem Missbrauch offenstehen. Die vorgelegten Unterlagen entsprechen noch keinen wissenschaftlichen und fachlichen Standards.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!