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#Klimawandel sorgt für neue Flüsse in der Arktis

Durch die globale Erwärmung schmilzt der Permafrost in der Arktis. Eine Studie zeigt nun, wie dadurch in den letzten 60 Jahren neue Flusssysteme entstanden sind, die den Prozess weiter beschleunigen. Auf Basis von Feldstudien und historischen Luftbildern haben die Forschenden die Landschaftsentwicklung eines Tals auf der kanadischen Axel-Heiberg-Insel rekonstruiert. Physikalische Modelle beleuchten das komplexe Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich das Abschmelzen in Zukunft weiter beschleunigt – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme und auf das Weltklima.

Permafrostböden zählen zu den wichtigsten Kohlenstoffsenken der Erde. Während die oberen Schichten Jahr für Jahr in den Sommermonaten tauen, bleiben die unteren Schichten üblicherweise gefroren und speichern den in ihnen enthalten Kohlenstoff sowie zahlreiche Nährstoffe und Mineralien teils über Jahrtausende. Durch die globale Erwärmung taut der Permafrost jedoch immer weiter. Verstärkt wird dieser Prozess dadurch, dass sich Flüsse aus Schmelzwasser bis in tieferliegende Bodenschichten graben und dabei Teile des Bodens abtragen. Wie genau diese Flüsse entstehen und wie sie die Landschaft beeinflussen, war allerdings bislang unklar.

Netzwerke aus Eiskeilen

Ein Team um Shawn Chartrand von der Simon Fraser University in Kanada hat die Entstehung und die Auswirkungen dieser Flüsse nun genauer untersucht. Dabei fokussierte sich das Team auf ein rund acht Kilometer langes Tal auf der Axel-Heiberg-Insel in der kanadischen Arktis. Das jahreszeitliche Tauen und Gefrieren der oberen Bodenschichten hat hier zu einem für Permafrostböden typischen Muster geführt: Im Winter bilden sich tiefe Risse im Boden, die sich im Frühjahr mit Schmelzwasser füllen. Wenn dieses wieder gefriert, entstehen Eiskeile, die sich im Laufe der Zeit zu Netzwerken zusammenfügen. Dadurch entsteht ein vieleckiges Muster, die sogenannten Polygonfelder.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Polygonfelder beeinflussen, wie abfließendes Oberflächenwasser durch die Landschaft geleitet wird“, berichtet das Team. „Dabei tragen sie zur Entstehung von Flusssystemen bei, die die Landschaft aufgrund der Klimaerwärmung verändern.“ Für die Studie haben Chartrand und sein Team historische Luftaufnahmen der Region ausgewertet und mit eigenen Feldstudien sowie physikalischen Modellierungen kombiniert. „Die Zeitreihe von Luftaufnahmen seit 1959 zeigt, dass sich Polygonfelder, die mit Frost und Tauwetter zusammenhängen, relativ schnell innerhalb einiger Jahrzehnte bilden können“, berichten sie.

Komplexes Zusammenspiel von Einflussfaktoren

Dabei folgt die Entstehung der Flusssysteme anderen Regeln als in Gebieten ohne Permafrost. Während sich Flüsse normalerweise in Abhängigkeit davon bilden, wie leicht der Boden erodiert und wie stark die Wasserströme sind, kommt es in Gebieten mit Permafrost auf andere Faktoren an: „Wichtig sind der Zeitpunkt, das Ausmaß und die Dauer von Überschwemmungsereignissen und die Frage, ob die darunter liegenden Sedimentpartikel vollständig oder nur teilweise gefroren sind“, erklärt Chartrand. „Durch die Modellierung der Wasserbewegungen in der Landschaft haben wir herausgefunden, dass Hochwasser, das durch miteinander verbundene Polygontäler geleitet wird, die Wahrscheinlichkeit von Erosion und Kanalbildung erhöht.“

Je nachdem, wie viel Schmelzwasser in einem Jahr anfällt und zu welchem Zeitpunkt im Jahr es das Tal durchströmt, schmelzen die Eiskeile der Polygonfelder, wodurch Flussnetzwerke entstehen. Dadurch vergrößert sich die Fläche für den Wärmeaustausch, was das weitere Tauen und die Vertiefung der Flussbetten fördert. „Diese Kaskadeneffekte können die Freisetzung von Treibhausgasen in der Arktis verstärken, wenn der organische Bodenkohlenstoff auftaut und der Permafrost sich zurückzieht“, sagt Co-Autor Mark Jellinek von der University of British Columbia in Vancouver.

Auswirkungen auf lokaler und globaler Ebene

Die Modelle des Teams zeigen, dass dabei auch höhere Lufttemperaturen eine Rolle spielen. „Wir sagen voraus, dass Erosion und Sedimenttransport davon abhängen, ob die Überschwemmungen vor oder nach einer Periode erhöhter Lufttemperaturen stattfinden, da dies die Tiefe beeinflusst, bis zu der die Sedimentpartikel aufgetaut werden, und somit auch, ob die Partikel von den Überschwemmungsgewässern transportiert werden“, erklärt Chartrand.

In einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, weist Joel Rowland vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sind, um genauer zu verstehen, wie jahreszeitliche Temperaturschwankungen und die globale Erwärmung die Landschaft in Permafrostgebieten beeinflussen. „Integrierte Modelle werden Vorhersagen darüber ermöglichen, wie die zunehmende Erosion von Permafrostböden die Freisetzung von Sedimenten, Kohlenstoff und Nährstoffen in der Arktis verändern wird“, schreibt er. Relevant ist das nicht nur für das globale Klima, sondern auch für die lokalen Ökosysteme. So könnten verstärkte Nährstoffeinträge in Fischereigebiete die Tierwelt erheblich beeinflussen und damit auch Auswirkungen auf die Bevölkerung der Küstengebiete haben.

Quelle: Shawn Chartrand (Simon Fraser University, Burnaby, Kanada) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-40795-9

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