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#Kommentar zur Bundestagswahl: Dieser Wahlkampf macht dumm

Kommentar zur Bundestagswahl: Dieser Wahlkampf macht dumm

Ende April, Anfang Mai gab es einige Wochen, in denen man sich auf die Bundestagswahl freuen konnte. CDU und Grüne hatten gerade ihre K-Frage geklärt. Und die drei Kanzlerkandidaten Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz hatten bis zum Wahltag noch fünf Monate Zeit, ihren Plan für das Land vorzustellen. Es war der Moment, an dem es so etwas wie Aufbruchstimmung gab: Nach 16 Jahren Angela Merkel erhält ein neuer Kanzler oder eine neue Kanzlerin die Chance, die großen Themen anzupacken: Klimawandel, Digitalisierung und die Trägheit des Staatswesens, die im Verlauf der Pandemie deutlich zutage getreten ist. Laschet hat diesen Wunsch nach Veränderung sogleich aufgegriffen und versprach ein „Modernisierungsjahrzehnt“.

Drei Monate sind seither vergangen. Jetzt sind es also nur noch knapp zwei bis zur Wahl. Abzüglich der Ferien schrumpft die verbleibende Zeit sogar noch. Die Chance, eine Debatte über Deutschlands Weg in die Zukunft auszutragen, ist damit vermutlich verpasst. Stattdessen fühlt sich der Wahlkampf 2021 an, als hätte man sich im Fernsehprogramm geirrt: Die erhoffte Sendung läuft leider nicht, also zappt man planlos von Kanal zu Kanal. Man schaut Leuten dabei zu, wie sie sich in ihrer engen Küche beschimpfen.

Einen Sender weiter fällt ein Kind mit seinem neuen Fahrrad in den Pool. Der eine Sender stellt auf Fremdschämen ab, der nächste auf Schadenfreude. Die Talkshows triggern gekonnt Empörung. Irgendwann der Blick auf die Uhr: Oh je, wieder zu spät. Ein Gefühl der Leere. Was für ein sinnloser Abend.

Riesige Schlagzeilen, Tweet-Lawinen

Das politische Pendant zum Trash-TV sind heute Videoschnipsel, an denen sich sogenannte Debatten aufhängen. Armin Laschet hat im Flutgebiet gelacht. Untragbar, dieser Mann, hieß es, der Hashtag dazu war #Laschetverhindern. Und hat Annalena Baerbock tatsächlich in einem Interview, von dem sonst kaum jemand etwas mitbekommen hätte, das N-Wort gesagt? Riesige Schlagzeilen, Tweet-Lawinen.

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Der bisherige Gipfel des Stumpfsinns wurde erklommen, als Laschet eine Moderatorin angeblich altväterlich als „junge Frau“ ansprach. Tatsächlich hatte er nur ein rheinisches „tschuldijung Frau…“ gesagt, aber da war der Hashtag #JungeFrau schon in der Welt. Ganz vorne mischte Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer mit, die ihre falsche Anschuldigung bis heute stehenlässt. Der Vorgang ist bezeichnend, weil sich die Klimabewegung damit unnötig kleinmacht. Statt die Debatte konsequent auf den Klimawandel zu fokussieren, begibt man sich auf Nebenschauplätze.

Solches Verhalten liegt in der Logik der sozialen Medien, die sich zu gewaltigen Ablenkungsmaschinen entwickeln. Und es wäre zu einfach, die Verantwortung dafür der AfD oder russischen Trollen zuzuschieben. Denn die etablierten Akteure sind selbst gewichtiger Teil des Problems: Journalisten, die sich wie die Axt aufführen. Politiker und ihre Anhänger, die hemmungslos jedes schiefe Wort aus anderen Parteien skandalisieren.

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet begrüßt eine Mitarbeiterin bei einer Veranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus.


CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet begrüßt eine Mitarbeiterin bei einer Veranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus.
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Bild: dpa

Ergebnis ist ein Bundestagswahlkampf, der das Land dümmer macht. Die Diskussion verheddert sich in Nebensächlichkeiten, und immer mehr Zeit wird mit identitätspolitischen Fragen verplempert. Welche Merkmale muss eine Person aufweisen, um sich zu einer bestimmten Frage äußern zu können? Für die Themen selbst fehlt dann oft die Aufmerksamkeit.

Manche Pläne sind so vage, dass sie nicht überprüfbar sind

Die Parteien scheinen sich auch auf diese Entwicklung bereits eingestellt zu haben. Der Steuerexperte Frank Hechtner berichtete in dieser Woche in der F.A.Z., dass die Parteien ihre finanzpolitischen Pläne in diesem Wahlkampf derart vage halten, dass sich die Auswirkungen für die Bürger nicht mehr seriös berechnen ließen. Seine konkreten Nachfragen prallten bei den Parteien an eine „Wand des Schweigens“, beklagt der Professor.

So kommen die Parteien nicht nur in der Steuerpolitik durch. Beispiel Rentenpolitik: Das Erbe der Ära Merkel auf diesem Feld besteht im Wesentlichen darin, 16 Jahre lang Demographie und Mathematik ignoriert zu haben und weiter auf Instrumente wie die Riester-Rente zu setzen, die inzwischen mausetot ist. Obwohl diese Entwicklung fast jeden Bürger betrifft, wird im Wahlkampf auch darüber kaum gesprochen.

Mit der Klimapolitik verhält es sich nur auf den ersten Blick anders. Die Parteien überbieten sich zwar gegenseitig mit ihren Klimazielen. Die konkreten Herausforderungen werden indes kaum diskutiert. Ohne neue Stromtrassen wie Südlink zum Beispiel wird die Energiewende kaum gelingen. Die Leitung sollte rechtzeitig zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke 2022 fertig sein. Bis heute ist nicht ein Kilometer davon verlegt. Kein Hashtag.

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