#Kommt Frankreichs Rentenreform – oder nicht?
Inhaltsverzeichnis
Der französische Verfassungsrat will um 18 Uhr mitteilen, ob der Nachtragshaushalt zur Sozialversicherung 2023 verfassungskonform ist. Die schrittweise Erhöhung des Rentenalters bis 2031 auf 64 Jahre ist von der Regierung in das Haushaltsgesetz integriert worden. Gegen dieses Vorgehen wurden drei Verfassungsbeschwerden von jeweils 60 Abgeordneten beziehungsweise Senatoren eingereicht.
Wogegen richten sich die Beschwerden?
Die Beschwerden wurden von der Fraktionsvorsitzenden des Rassemblement National, Marine Le Pen, sowie von den vier Fraktionsvorsitzenden des Linksbündnisses Nupes unterzeichnet. Eine Gruppe von Sozialisten und Grünen im Senat hat ebenfalls den Verfassungsrat angerufen. Der Hauptvorwurf lautet, dass ein Nachtragshaushalt nicht der verfassungsgerechte Rahmen für eine Strukturreform der Rentenversicherung bilde. Beklagt wird zudem, dass die parlamentarische Debattenzeit sowohl in der Nationalversammlung als auch im Senat verkürzt wurde.
Auch Premierministerin Elisabeth Borne hat den Verfassungsrat gebeten, vor der Verkündung des Gesetzes eine Prüfung vorzunehmen. Der Verfassungsrat hat die Möglichkeit, das Gesetz zu billigen, teilweise zu beanstanden oder es als nicht verfassungskonform abzulehnen. Letzteres gilt als unwahrscheinlich und würde bedeuten, dass die Rentenreform annulliert ist.
Ist der französische Verfassungsrat mit dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vergleichbar?
Die neun Mitglieder des Conseil Constitutionnel werden ähnlich wie die Verfassungsrichter in Karlsruhe von den politischen Organen nominiert. Ernannt werden sie für die Dauer von neun Jahren zu je einem Drittel vom Präsidenten der Republik sowie der beiden Parlamentskammern. Voraussetzung ist eine juristische Ausbildung. Das Durchschnittsalter der Mitglieder – drei Frauen und sechs Männer – beträgt 72 Jahre.
Ein Mitarbeiter des Verfassungsrats bringt am 13. April 2023 eine französische Flagge an der Fassade des Gebäudes des Verfassungsorgans an, nachdem Demonstranten die Flaggen entfernt haben.
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Bild: dpa
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist der Präsident des Verfassungsrates, der frühere sozialistische Premierminister Laurent Fabius. Der frühere rechtsbürgerliche Premierminister Alain Juppé gehört ebenfalls dem Gremium an. Lange gehörten die ehemaligen Staatspräsidenten dem Verfassungsrat auf Lebenszeit an. Präsident Francois Hollande hat diese Regelung abgeschafft. Seit der Verfassungsreform vom 23. Juli 2008 hat der Verfassungsrat an Bedeutung gewonnen, da es seither möglich ist, die Verfassungsmäßigkeit eines bereits in Kraft getretenen Gesetzes anzufechten.
Wird der Verfassungsrat den Rentenkonflikt entschärfen?
Die neun „Weisen“ sind unabhängig. Sie entscheiden über die Verfassungsmäßigkeit und sollen sich nicht von politischen Argumenten leiten lassen. Der Verfassungsrat hat sich seit seinen Anfängen 1958 zusehends emanzipiert. Als wegweisend gilt in dieser Hinsicht die Entscheidung des Verfassungsrates, dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy wegen Unregelmäßigkeiten die Wahlkampfkostenerstattung zu verweigern.
Verfassungsratspräsident Fabius hat mit Blick auf die politisch aufgeladene Stimmung darauf verzichtet, Präsident Emmanuel Macron auf seiner China-Reise zu begleiten, um nicht den Verdacht der Mauschelei aufkommen zu lassen. Dennoch hält die extreme Linke dem Verfassungsrat vor, die Interessen der „Besitzenden“ zu verteidigen.
Kann ein Referendum die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre rückgängig machen?
Der Verfassungsrat muss auch entscheiden, ob er Anträgen auf einen Volksentscheid über die Rentenreform stattgibt. Seit 2008 sieht die Verfassung vor, dass auf Bürgerinitiative ein Referendum abgehalten werden kann. Ein Fünftel der Mitglieder des Parlaments müsste die Initiative dazu ergreifen. Dem Verfassungsrat liegen zwei Anträge auf einen Volksentscheid vor, mit dem das Mindestrentenalter auf 62 Jahre begrenzt werden soll. Sollten sie gültig sein, müsste ein Zehntel der in den Wählerlisten eingetragenen Wähler dem Referendum mit seiner Unterschrift zustimmen.
Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Ifop sind 71 Prozent der Wähler dazu bereit, ein Referendum mit ihrer Unterschrift einzufordern. Die Verfassung sieht aber eine Einschränkung vor: Ein Volksentscheid kann nicht die Aufhebung einer seit weniger als einem Jahr verkündeten Rechtsbestimmung zum Gegenstand haben.
Wie geht es weiter?
Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, dass er sich nach der Entscheidung des Verfassungsrates im Fernsehen an seine Landsleute wenden will, voraussichtlich Anfang kommender Woche. Sein Plan ist es, dass das Gesetz über die Rentenreform zum 1. September in Kraft tritt. Die Gewerkschaften haben bereits gedroht, ihre Aktionen fortzusetzen, sollte der Verfassungsrat das Gesetz nicht beanstanden. Der Tag der Arbeit am 1. Mai soll nach den Worten des CFDT-Vorsitzenden Laurent Berger eine Demonstration der Stärke der arbeitenden Bevölkerung werden.
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