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#Krypto-Rätsel aus dem Zweiten Weltkrieg (wahrscheinlich) gelöst – Klausis Krypto Kolumne

Krypto-Rätsel aus dem Zweiten Weltkrieg (wahrscheinlich) gelöst – Klausis Krypto Kolumne

Das Rilke-Kryptogramm ist ein 33-seitiger Text aus dem Zweiten Weltkrieg, der wie verschlüsselt aussieht. Dank Tobias Schrödel und einigen anderen Blog-Lesern kann ich heute die wahrscheinliche Lösung präsentieren. Leider ist sie nicht so spannend wie erhofft.

English version (translated with DeepL)

Vor fünf Jahren stellte mir Blog-Leser Karsten Hansky dankenswerterweise ein rätselhaftes Dokument zur Verfügung. Es handelt sich um ein Exemplar des Buchs “Rainer Maria Rilke” von Gert Buchheit. Die Ausgabe, um die es hier geht, ist 1942 im Berliner Buchmeister Verlag erschienen, und zwar als “Einmalige Sonderausgabe der Zentrale der Frontbuchhandlungen Paris”.

Rilke-Einband

Das Besondere an diesem Exemplar: Der Besitzer (oder wer auch immer) hat über 30 Zettel in das Buch geklebt, auf denen jeweils ein mutmaßlich verschlüsselter Text notiert ist (ich nenne ihn “Rilke-Kryptogramm”). Praktisch jede freie Stelle des Buchs wurde dafür genutzt. Kein Buchtext wurde überklebt.

Vor dem ersten verschlüsselten Zettel findet sich der einzige handschriftliche Eintrag:

Rilke-Cryptogram-001

Quelle/Source: Hansky

Die handschriftliche Passage könnte lauten: “Wtm. Klaus 06531. April 1944”. Die Abkürzung “Wtm.” steht vermutlich für Wachtmeister. Vor “Klaus” könnte ein “I” stehen. Vermutlich gehörte das Buch einem Wachtmeister Klaus, oder es sollte dieser Eindruck erweckt werden. Am “K” von “Klaus” kann man erkennen, dass der Zettel eingeklebt wurde, bevor jemand den Namen ins Buch schrieb.

So sieht Seite mit dem Buchtitel aus:

00063-Rilke-Cryptogram

Quelle/Source: Hansky

Weitere Seiten aus dem Buch sind auf einer Seite zu sehen, die ich mit Karsten Hanskys Hilfe für diesen Zweck eingerichtet habe. Auch in meine Liste verschlüsselter Bücher habe ich das Rilke-Kryptogramm aufgenommen – mit der Nummer 00063. Karsten Hansky hat eine statistische Untersuchung des Texts erstellt.

 

Ein paar Beobachtungen

Das Alphabet des Rilke-Kryptogramms besteht aus den Kleinbuchstaben von “a” bis “z”, wobei das “l” offensichtlich durch das “L” ersetzt wurde, um eine Verwechslung mit dem Großbuchstaben “I” zu vermeiden. An einigen wenigen Stellen ist dennoch ein (kleines) “l” zu sehen, was vermutlich auf Tippfehler zurückzuführen ist. Außerdem sind die Ziffern von “0” bis “9” sowie die Umlaute “ä”, “ö” und “ü” enthalten.

Was sonst noch auffällt:

  • Die verwendeten Buchstaben und Ziffern sind genau diejenigen, die im deutschen Morsealphabet vorkommen. Dieses enthält auch die Umlaute “ä” (· − · −), “ö” (− − − ·) und “ü” (· · − −).
  • Auf einigen Seiten sind handschriftliche Korrekturen angebracht, beispielsweise auf Seite 5 (rechts im Bild). Soweit ich sehe, werden hier jedoch keine Buchstaben bzw. Ziffern, sondern irrtümlich getippte Leerzeichen korrigiert.
Rilke3

Quelle/Source: Hansky

  • Die Zettel sind vermutlich Hektografien. Das Hektografieren war vor Aufkommen des Fotokopierers eine weit verbreitete Möglichkeit, um ein Schriftstück zu vervielfältigen. Leser über 40 kennen Hektografien sicherlich noch aus der Schule, wo diese Technik für Übungsblätter und Klassenarbeitsaufgaben angewendet wurde. Das Hektografien waren die Methode der Wahl, wenn es um eine Auflage von etwa zwischen fünf und einigen Hundert Exemplaren ging. Darunter war Blaupapier zur Vervielfältigung praktischer. Mehr als einigen Hundert Kopien machte die Vorlage (Matrize) eines Hektografiergeräts nicht mit.

 

Die Lösung: Übungsmaterial

Vor ein paar Tagen hat mich Tobias Schrödel angerufen. Leser dieses Blogs kennen ihn als Comedy-Hacker, Stern-TV-Mitarbeiter, Krypto-Buch-Experten und Krypto-Postkarten-Sammler.

Quelle/Source: Schrödel

Tobias war aufgefallen: Viele Textpassagen im Rilke-Kryptogramm (z. B. “cxsw”, “asdfghj” oder “wert”) bestehen aus Buchstaben, die auf der Schreibmaschinen-Tastatur nebeneinander liegen. Diese Beobachtung haben auch schon mehrere Blog-Leser gemacht, darunter Narga, Mr X und Rallinger. Tobias hat diesen Gedanken weiter verfolgt und dabei auch ein paar längere Buchstabenfolgen entdeckt, die auf der Tastatur beeinander liegen:

Quelle/Source: Schrödel

Im Rilke-Kryptogramm kommen zudem kaum Buchstaben-Doppelungen vor. Außerdem enthält nahezu jede Vierergruppe vier unterschiedliche Buchstaben.

Nun wäre es natürlich denkbar, dass hier ein Verschlüsselungsverfahren verwendet wurde, das mit doppelungsfreien Buchstaben-Kombinationen arbeitet, die auf einer Tastatur benachbart sind. Ein derartiges Verfahren ist mir jedoch nicht bekannt, schon gar nicht für den Zweiten Weltkrieg.

Theoretisch möglich wäre es außerdem, dass wir es hier mit einem Schlüssel für eine One-Time-Pad-Verschlüsselung zu tun haben. Allerdings wäre dies ein äußerst schlechter Schlüssel (mit viel zu vielen Regelmäßigkeiten). Darüber hinaus sehe ich keinen Grund, warum man einen solchen Schlüssel dutzendfach per Hektografie vervielfältigen sollte. Und schließlich wären für eine so lange Schlüsselliste Absatznummern oder andere Kennungen hilfreich, die es hier nicht gibt.

Am Ende halte ich (wie auch Tobias) nur eine Erklärung für das Rilke-Kryptogramm für plausibel. Mehrere Leser (z. B. Thomas Bosbach) und auch ich selbst haben diese Vermutung schon mehrfach geäußert. Sie lautet: Das Rilke-Kryptogramm diente als Übungsmaterial für jemanden, der das Morsen lernte. Meiner Meinung nach beantwortet diese Erklärung alle wichtigen Fragen:

  • Warum sind die Zettel hektografiert (also vermutlich dutzendfach vervielfältigt)? Weil das Übungsmaterial an eine Gruppe von Personen (z. B. Teilnehmer an einem Funkerkurs) ausgehändigt wurde.
  • Warum besteht der Text aus sinnlosen Buchstabenfolgen? Weil ein Funker üblicherweise verschlüsselte Daten versendete. Das Übungsmaterial sollte dies simulieren.
  • Warum kommen so viele Buchstabenkombinationen vor, die auf einer Schreibmaschinen-Tastatur nebeneinander liegen? Weil hier jemand wahllos Buchstaben auf einer Schreibmaschine getippt hat. Wenn man sich dabei keine besondere Mühe gibt, sind Muster unvermeidlich.
  • Warum sind die Zettel in ein Buch geklebt? Weil die Kursteilnehmer auf diese Weise das Morsen im Bett, im Zug, auf der Parkbank oder sonst irgendwo üben konnten, ohne dass anderen dies auffiel. So konnte man die im Militär übliche Geheimhaltung bewahren.

Für mich ist das Rilke-Kryptogramm hiermit kryptografisch gelöst. Dass man mehr aus diesen Buchstabenfolgen herauslesen kann, halte ich für äußerst unwahrscheinlich.

 

Offene Fragen

Ein paar offene Fragen gibt es trotz allem noch:

  • Warum stehen die Buchstaben in Vierergruppen? Weiß ein Leser, wo diese Praxis im Zweiten Weltkrieg üblich war? Fünfergruppen waren in jedem Fall weiter verbreitet.
  • Wo wurde im Zweiten Weltkrieg das Morse-Alphabet mit Ziffern und Umlauten eingesetzt? Funksprüche, die mit der Enigma oder anderen gängigen Methoden verschlüsselt wurden, enthielten weder Ziffern noch Umlaute.
  • Klebte der Besitzer des Buchs die Zettel eigenmächtig ein oder war dies eine vom Kursleiter vorgegebene Maßnahme? Für Letzteres spricht, dass der Besitzer des Buchs offenbar nach dem Einkleben seinen Namen in das Buch schrieb. Er ging also wohl zumindest nicht davon aus, etwas Verbotenes zu tun.

Vielleicht lassen sich auch diese letzten Fragen noch klären.

Further reading: Als die Briten Geheimbotschaften für Kriegsgefangene im Monopoly-Spiel versteckten

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