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#Küstenkillers Nemesis

„Küstenkillers Nemesis“

Die „Auszeichnung für die sicherste Region in Niedersachsen“ hat sich dann wohl erledigt. Noch hängt die Urkunde in der heimeligen Polizeiinspektion von Werlesiel, einem fiktiven Ort an der Nordsee (Drehorte waren Norderney und Norddeich), wo die größte Gefahr bislang von Schlicklöchern ausging. Aber das Dreifachgrab im Dünensand, das gleich zu Beginn der Küstenkrimiserie entdeckt wird (die Hügel waren freilich schwer zu übersehen), macht der Sanddorntee-Beschaulichkeit den Garaus, zu­mal der Serientäter, der es nach Serientäterart auf junge Frauen abgesehen hat, die er gefesselt im Watt ablegt und ertrinken lässt, sein krankes Werk noch nicht vollendet hat.

Und das ist erst der Anfang, denn bereits in der zweiten „Dünentod“-Episode – mehr wurde noch nicht produziert – erweist sich die Region dank des Container-Terminals von Wilhelmshaven als Drehkreuz der ganz großen und ziemlich gewaltbereiten Drogenmafia. Da fällt eine ausgehobene Chrystal-Meth-Küche kaum ins Gewicht.

„True Detective“ vor Seehundbänken? „The Wire“ in ostfriesischer Urlaubskulisse? Und das in halsbrecherischem Tempo und mit enormem Schauwert gefilmt? Es verwundert nicht, dass dieser neueste Blaulichtangriff im deutschen Free-TV von der Seite kommt, vom Privatsender RTL nämlich, wo Krimis unter „Crime“ laufen (also gern in Richtung Thriller ausgreifen) und Eigenproduktionen seltener, dafür aufwendiger sind als im Öffentlich-Rechtlichen.

Es braucht einen abgezockten Darsteller

In erster Linie ist „Dünentod“ dabei Spielfläche für einen der beliebtesten Schauspieler des Senders, Hendrik Duryn, dem man nach seinem Ausstieg aus der Erfolgsserie „Der Lehrer“ etwas bieten musste. Vierzehn Jahre lang gab Duryn den knallherzlichen Pauker Stefan Vollmer, der mit unkonventionellen Methoden zum Helden einer Problemschule avancierte, ein Upgrade von Doktor Specht sozusagen. Inmitten der neunten Staffel wurde seine Figur er­setzt, nach dieser Staffel die Serie hastig beendet. „Bis ich nicht wirklich akzeptiert habe, dass irgendwann andere das Zepter in der Hand hatten, die eine andere Version von der Durchführung der Show hatten“, sagte Duryn kürzlich in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur, wolle er über das un­rühmliche Ende nicht sprechen, auch nicht in seinem bald erscheinenden Buch „Sie sind doch der Lehrer, oder?“

Jedenfalls darf er als Kriminalpolizist Tjark Wolf das RTL-Publikum nun wieder mit unkonventionellen Methoden erfreuen. Noch cooler ist er dabei geworden, ein nonchalanter Raubein-Cop mit Ausstrahlung, Sonnenbrille und großkalibriger Intuition, der sich ungern an Vorschriften hält. Dabei kann er sehr sympathisch lächeln, tief melancholisch an einem Muttertrauma laborieren (das Meer hat sie geholt) und als Connaisseur überzeugen. Im Nostalgie-Daimler rollt er durch die Fußgängerzone: „Sie haben gerufen, ich bin gekommen.“ Seine Vinyl-Plattensammlung ist ihm wichtiger als alle Frauen, die ihn gleichwohl anhimmeln: „Wer schwärmt nicht für Tjark?“ Wettergegerbt und wortkarg hat er diesen unrasierten Wie-das-Land-so-das-Jever-Blick drauf, weit raus übers Watt. Ein freier Friese. Kurz: Alles an Tjark Wolf ist Klischee, und es braucht wohl einen abgezockten Darsteller wie Duryn, das nicht als Hemmnis zu be­greifen, sondern als Chance. Tatsächlich lässt er sich nicht in die Defensive drängen.

Ein Held alten Zuschnitts

Entscheidend für die Stimmung der Serie ist das Zusammenspiel Tjarks mit seiner Kollegin und Ko-Protagonistin Femke Folkmer. Pia-Micaela Barucki spielt die Streifenpolizistin aus Werlesiel, die bald als Kommissarin beim LKA Wilhelmshaven reüssiert, mit innerem Enthusiasmus und äußerer Gelassenheit, was selbst Alphamännchen Wolf imponiert. Als Sidekicks fungieren die Kollegin Ceylan (Yasemin Cetinkaya), der joviale, Tjark in Schach haltende Vorgesetzte Hauke Berndsten (der auf Polizeirollen abonnierte Florian Panzner) und ein typisch verschnarchter Provinz-Sesselbeamter (Rainer Reiners).

Obwohl sich dieses Ensemble zu null Prozent von Standardkrimis unterscheidet, sieht „Dünentod“ doch ein wenig anders aus, was nicht nur am hohen Erzähltempo liegt, sondern auch an der weiten Optik, der stets in Bewegung bleibenden Kamera von Aljoscha Hennig sowie der Auf-den-Punkt-Inszenierung durch Regisseur Ismail Sahin. Dabei wurde der kühlen Sturm-und-Regen-Küste etwas von der Sexyness einer Beach-Serie mitgegeben – nicht zu ihrem Schaden. Dieser physische Charme unterscheidet die Reihe auch von den schmerzprallen Ostfriesenkrimis des ZDF.

Um Logik schert man sich traditionell nicht bei RTL. Dass die Plausibilität der Kriminalfälle zwischen unwahrscheinlich und blödsinnig schwankt, ist aber einigermaßen egal, weil es lediglich um Spannung und Atmosphäre geht. Die Handlung ist reines Genussmittel. Erfrischend kommen einige unübliche Figuren daher wie der leicht behinderte Maxim (Leonard Kunz), dem hier keine Opferrolle zufällt. Überhaupt wirkt die zweite Episode mit dem Titel „Tödliche Falle“ (Buch Gregor Erler) erzählerisch deutlich stärker als die erste mit ihrem krausen Psychopathen-Plot („Das Grab am Strand“; Buch: Kai Uwe Hasenheit und Jan Conauer). Bis dahin sollte man also durchhalten, um zu entscheiden, ob man Tjark Wolf eine Chance geben möchte. Niemand hat gerufen, gekommen ist er trotzdem, ein Held alten Zuschnitts. Ihn in der Krimipampa wieder anzusiedeln, fällt vielleicht schon unter Artenschutz.

Die beiden ersten Episoden von „Dünentod“ laufen an diesem Dienstag („Das Grab am Strand“) und nächsten Dienstag („Tödliche Falle“), um 20.15 Uhr, bei RTL.

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