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#Leihstimmen auf leisen Sommersandalen

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Leihstimmen auf leisen Sommersandalen

An der Ostsee beginnt der Bundestagswahlkampf vorsichtig. Der Bürgervorsteher des Seebades Grömitz in Schleswig-Holstein, der FDP-Mann Heinz Bäker, begrüßt die Passanten, die vor seinem Mikrofon auf der Strandpromenade angehalten haben, zunächst einmal nicht als Wähler, sondern als Feriengäste: „Danke dass Sie hier sind“, sagt er, „und dass Sie uns die Treue halten“.

Auch der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten, der gleich darauf auf die Promenade tritt, will erst einmal die Ferienlaune halten. Er kommt im Poloshirt. Wie schön, dass man wieder ans Meer fahren könne, und den Sommer genießen, sagt Christian Lindner. Dann schwenkt er weg von der Urlaubsseeligkeit und kommt auf die Pandemie zu sprechen. Lindner beteuert, dass seine Partei ja bei aller Kritik Covid ernst nehme und für eine schlimme Krankheit halte. Er sei auch doppelt geimpft und werbe fürs Impfen. Zugleich warnt er aber auch vor neuem wirtschaftlichen Stillstand im Herbst. Da sei eine Phase, „wo die individuelle Verantwortung für die Gesundheit wieder mehr Raum bekommen muss“, so Lindner.

Die FDP-Vorhaltungen an die große Koalition, welche die Monate vor der Sommerzeit bestimmten, kommen in Lindners Promenadenrede nicht mehr vor: dass die Beschränkungen in der Corona-Krise zu starr, zu pauschal und zu unflexibel gehandhabt würden. Stattdessen hält der der FDP-Bundesvorsitzende neue Lehren parat, die er offenkundig gezogen hat: Der Staat, auf den viele so bedenkenlos vertraut hätten, funktioniere offenkundig nicht so gut wie gedacht. Die Fax-Geräte in den Gesundheitsämtern zählt er auf, auch die fehlenden Sirenen, die vor Blitz-Überschwemmungen warnen könnten, die brüchige Infrastruktur, „Funklöcher und Schlaglöcher“, kaputte Schulen. Er fordert: Auf diese Kernaufgaben müsse sich der Staat besinnen, statt neue Ausgaben anzukündigen, sei es für kostenlose Grundeinkommen, wie dies die Grünen wollten, oder höhere Mütterrenten, wie sie die CSU verspreche.

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Das Image der Freien Demokraten als Wirtschaftspartei zu ergänzen oder zu relativieren, bemüht sich der FDP-Vorsitzende an diesem Tag nicht. Im Gegenteil: Er hebt es vielmehr noch hervor: Die FDP wolle „für das stabile wirtschaftliche Fundament“ in Deutschland zuständig sein. Ohne dieses ließen sich soziale und ökologische Ziele nicht verwirklichen. Die Gegensätze, die Lindner sucht, um die eigenen Standpunkte und Haltungen zu illustrieren, findet er weiterhin vor allem bei den Grünen. Die wollten die bevorstehenden „großen Veränderungen“, den notwendigen ökologischen Umbau – den ja auch die FDP für notwendig halte – mit Verboten und Einschränkungen vollziehen, mit Tempolimit, einem Produktionsstopp für Verbrennungsmotoren sowie Skepsis gegenüber dem Bau von Einfamilienhäusern. Als Moralweltmeister könnten die Deutschen kein Vorbild sein im Kampf gegen den Klimawandel. Das gelinge nur, wenn Tatkraft und Zuversicht die Einstellung bei der Ökologisierung der Wirtschaft bestimmten. 

Für seine Ausführungen erntet Lindner hin und wieder Applaus; in Grömitz morgens genauso wie mittags am Südstrand auf Fehmarn, wo Lindner zwischen den Hotelhochhäusern steht und das Publikum – ausweislich der Autokennzeichen auf dem Großparkplatz – überwiegend aus seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen stammt. 

Lindner übergeht Jamaika

Auf der Fehmarner Strandplaza reiht sich seine Wahlkampfschau ein in das Urlauberprogramm, das abends noch eine „Italienische Nacht“ ankündigt und im Kinderprogramm verheißt: „Der Ostseekasper kommt“. Der FDP-Vorsitzende selbst schlüpft am Ende in die Rolle eines Wahrsagers: er prophezeie jetzt mal, dass Annalena Baerbock nach der Wahl nicht Bundeskanzlerin werde, und Olaf Scholz auch nicht. Der Kanzler werde ja immer von der stärksten Partei gestellt, also stehe quasi schon fest, dass Armin Laschet das Amt übernehmen werde. Offen sei bloß, wer der kleine Partner werde. Die Frage sei also, ob der Finanzminister dann Robert Habeck heiße, oder Christian Lindner.  

So taucht in der Wahlkampftaktik der Freien Demokraten, die seit ihrer bundespolitischen Wiedergeburt stets ihre Eigenständigkeit postulierten, auf leisen Sommersandalen doch wieder eine Art Leihstimmen-Argumentation auf. Und indem Lindner den Sieg der Unionsparteien ausruft, übergeht er die Variante, dass die Bundestagswahl womöglich auch eine gemeinsame Mehrheit für Grüne, SPD und FDP ergeben könnte. Wenn man nur die Stimmen der Liberalen wollen, aber ihre Ideen nicht in ein Regierungsprogramm Aufnahme fänden, dann werde das nicht gehen, so Lindner. Die FDP werde zu Kompromissen bereit sein, aber nicht ihre Überzeugungen aufgeben. So enden die Auftritte am Meer dann doch mitten im Wahlkampf. Lindner reist weiter.

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