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#„Manchmal habe ich mich gefühlt wie Harry Potter“

„Manchmal habe ich mich gefühlt wie Harry Potter“

Herr Minister, nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung profitiert die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied stärker als alle anderen Länder von der Teilhabe am europäischen Binnenmarkt. Mit dem Abschluss des auf dem Tisch liegenden Rahmenabkommens mit der EU hätten Sie diese Beziehung festigen und vertiefen können. Trotzdem haben Sie die Verhandlungen über diesen Vertrag nun beendet und damit Brüssel vor den Kopf gestoßen. Warum?

Ich war immer und bin weiterhin für gute Beziehungen zur EU. Ich stehe zu dem Weg, den die Schweiz mit dem Abschluss der bilateralen Verträge vor gut zwei Jahrzehnten eingeschlagen hat. Jetzt stellte sich die Frage, ob der zusätzliche Schritt einer institutionellen Anbindung an die EU machbar ist oder nicht. Ich habe wirklich alles versucht, ihn machbar zu machen. Mit dem Rahmenvertrag hätten wir unseren Marktzugang zur EU stabilisiert. Aber das Abkommen enthält Elemente im Bereich Personenfreizügigkeit und Lohnschutz, die für eine Mehrheit der politischen Kräfte nicht akzeptabel sind.

Aber was ist mit der Bevölkerung? Gemäß Umfragen sind 64 Prozent der Schweizer für oder eher für den Abschluss des Rahmenabkommens. Warum lassen Sie ausgerechnet in dieser wichtigen Frage nicht Ihre Bürger entscheiden?

Das Volk hat mehrmals den heutigen bilateralen Weg bestätigt. Aber dieser bezieht sich in der sehr sensiblen Frage der Personenfreizügigkeit ausschließlich auf EU-Arbeitnehmer und deren Familienangehörige und nicht auf die freie Zuwanderung aller EU-Bürger, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie festgehalten ist, die erst einige Jahre nach dem Abschluss der bilateralen Verträge verabschiedet wurde. Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied ist nicht bereit, diese Richtlinie zu übernehmen. Das ist die Krux.

Ignazio Cassis (FDP), Außenminister der Schweiz


Ignazio Cassis (FDP), Außenminister der Schweiz
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Bild: Reuters

Aber die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) kommt im Rahmenvertrag doch gar nicht vor.

Genau. Weil wir uns in dieser Frage nicht mit Brüssel einigen konnten, blieb sie draußen. Aber der Vertrag enthält einen Mechanismus zur Streitbeilegung. Die UBRL hätte also später auf Drängen der EU über die Hintertür des Schiedsgerichts noch auf den Tisch kommen können.

Aber in so einem Fall hätte die Schweiz die Übernahme der UBRL verweigern können. Die dann wohl fälligen Sanktionen Brüssels hätten gemäß Vertragstext „verhältnismäßig“ sein müssen.

Das Problem ist: Niemand konnte uns sagen, wie etwaige Ausgleichsmaßnahmen aussehen würden. Diese Unsicherheit war für die Schweiz nicht verdaubar.

Und wegen dieser Unsicherheit versenkt die Regierung nun gegen den Willen von großen Teilen der Wirtschaft einen für die Zukunft der Schweiz extrem wichtigen Vertrag. Warum haben Sie keine Lösung gefunden?

Ich habe mich anfangs klar im Dienste der Wirtschaft für den Rahmenvertrag eingesetzt. Aber im Laufe der Zeit kamen auch kritische Stimmen aus der Wirtschaft. So haben sich zum Beispiel der Schweizerische Gewerbeverband und weitere Unternehmergruppierungen gegen den Vertragsentwurf gestellt. Hinzu kam die harte Ablehnung der Gewerkschaften. Für uns war es schwierig, mit Brüssel zu verhandeln, weil hier in der Schweiz zuvor einige rote Linien definiert wurden.

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Zeigt sich im Scheitern nicht die Systemschwäche Ihrer Allparteien-Regierung, in der links und rechts eine Allianz gebildet und damit eine konstruktive Lösung verhindert haben?

Ob Parteien, Verbände oder Wirtschaft – die Positionen waren kontinuierlich volatil. Manchmal habe ich mich gefühlt wie Harry Potter, der in seinem Zauberschloss Treppen hinauflaufen will, die sich ständig bewegen. Gleichzeitig haben alle unmissverständlich klargemacht, wie sehr ihnen die Beziehungen zur EU am Herzen liegen. 1,4 Millionen EU-Bürger leben in der Schweiz; täglich pendeln 340.000 Grenzgänger in unser Land. Und dann ist da noch dieses allgemeine Bewusstsein: Eigentlich läuft in der Schweiz doch alles gut. Wozu also sollte man mit diesem Vertrag eine innenpolitische Zerreißprobe riskieren?

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