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#Mister Brexit und Frau Nein

Mister Brexit und Frau Nein

Protestantisch, pragmatisch und ohne Pomp – für viele im Königreich ist Angela Merkel eine Bundeskanzlerin mit britischen Attributen, jedenfalls mit Tugenden, die man sich gerne selbst zuschreibt. Seit dem Kriegsende wurde vermutlich nur Helmut Schmidt für noch wesensverwandter gehalten; in seinem Fall zu Recht.

Jochen Buchsteiner

Das Bild, das sich die Briten von Merkel gemacht haben, ist nicht nur in vielen Schattierungen fragwürdig – es hat in den vergangenen Jahren wiederholt zu Fehlkalkulationen verleitet. Nur langsam verblasste die Idee, Merkel würde das Vereinigte Königreich besser verstehen, als es andere europäische Regierungschefs tun, und deshalb im Brexit-Prozess zugunsten der Briten eingreifen.

In der letzten Zeit, und gerade kurz vor der Einigung in letzter Minute, schlug die empfundene Nähe stellenweise in Distanz, in Kühle und sogar in Abneigung um: Von „Frau Nein“ schrieb eine große britische Sonntagszeitung in der vergangenen Woche und titelte, dass Merkel die Briten in den Verhandlungen „über zerbrochenes Glas kriechen“ lassen wolle. Auch sonst stehen die Zeichen nicht gerade auf Annäherung: Derzeit gibt es keine Flüge mehr aus Großbritannien nach Deutschland. Das hat zwar nichts mit dem Brexit zu tun, sondern mit mutierten Coronaviren, passt aber ins Bild der Entzweiung.

Autos und gemeinsame Werte

Als der endlose Brexit-Prozess begann, gab es in der britischen Regierung zwei scheinbare Gewissheiten. Die erste lautete, dass Deutschland zu viele Autos auf die Insel verkaufe, um das Verhältnis ernsthaft zu gefährden. Die zweite hatte mit der Erfahrung zu tun, dass Deutschland im Laufe der langen gemeinsamen Institutionsgeschichte oft an der britischen Seite gestanden hatte – gemeinsam gegen Franzosen oder Südeuropäer. Daraus leitete man eine weltanschauliche Nähe ab, vor allem in Fragen des Markts und des Wettbewerbs. Sollten sich diese Überschneidungen von Interessen und Werten nicht mindestens in Wohlwollen übersetzen, wenn nicht in klandestine Unterstützung für die Insel?

Im August des vergangenen Jahres wurde Boris Johnson von Bundeskanzlerin Merkel mit militärischen Ehren in Berlin empfangen. Deutlich verbessert hat das die Stimmung zwischen den beiden nicht.


Im August des vergangenen Jahres wurde Boris Johnson von Bundeskanzlerin Merkel mit militärischen Ehren in Berlin empfangen. Deutlich verbessert hat das die Stimmung zwischen den beiden nicht.
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Bild: Matthias Lüdecke

Tatsächlich begann die Enttäuschung schon in der Zeit David Camerons. Vor den sogenannten Reformverhandlungen, den „Renegotiations“, in denen der damalige Premierminister der EU vor dem Referendum Veränderungen abtrotzen wollte, lud er Merkel ins Königreich ein und breitete ihr im Frühjahr 2014 den ganz roten Teppich aus. Die Kanzlerin wurde nicht nur in Camerons Privaträumen bewirtet und im Buckingham Palace von der Queen zum Tee empfangen, sie durfte in der ehrwürdigen „Royal Gallery“ eine Rede vor beiden Kammern des Parlaments halten.

Doch statt Gemeinsamkeiten hervorzuheben, präsentierte Merkel sich als Sphinx. Sie werde beide Lager enttäuschen, sagte sie lächelnd – jenes, das auf ihre Unterstützung, aber auch jenes, das auf ihre Ablehnung britischer Reformvorschläge zähle. Nur so viel gab sie preis: dass die Verhandlungen kein „piece of cake“ seien, also kein Kaffeekränzchen, sondern harte Arbeit würden.

Wo Merkel wirklich stand, machte sie wenige Monate später deutlich. Als Cameron versuchte, den passionierten Integrationisten Jean-Claude Juncker als neuen EU-Kommissionspräsidenten zu verhindern, ließ ihn Merkel ins Leere laufen. Als politisch verheerend sollte sich dann der Ausgang der „Renegotiations“ im Februar 2016 erweisen. Cameron scheiterte mit seinen wichtigsten Vorstößen, was seine Kampagne für den Verbleib in der Europäischen Union empfindlich schwächte.

Merkel, die Sphinx

In der britischen Regierung sieht man Merkel als treibende Kraft hinter Camerons Pleite. „Wäre Deutschland damals nicht von jemandem regiert worden, der durch die DDR und das Ausreiseverbot geprägt war, hätten wir vermutlich mehr Gehör für unsere Forderung nach beschränkter EU-Migration gefunden“, glaubt ein Beamter, der damals eng mit Cameron zusammengearbeitet hat.

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