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#Mit der Violine fürs Vaterland

„Mit der Violine fürs Vaterland“

Es sind mal traurige, dann wieder heiter tänzelnde Klänge, die durch den alten Ballsaal schweben, vorbei an den mannshohen Holzrahmen, auf die Netze aus dünnen Schnüren gespannt sind. Ein historisches Bürgerpalais am Marktplatz von Lemberg (Lwiw). Dicht beieinander stehen junge Ukrainer und knoten dunkle Stoffstreifen in das Geflecht, die Finger den immer gleichen Bewegungen folgend, aufmerksam für jedes Detail. Das Rohmaterial kommt in Säcken aus dem Erdgeschoss, wo die Älteren in einer Bibliothek zusammen­sitzen und mit ihren Scheren Vorhänge und gespendete Kleider in schmale Streifen schneiden.

In einem schmalen Gang werden die Netze aus Nylonschnüren geknüpft. Es sind Tarndecken, die ukrainische Soldaten vor den Angriffen der russischen Invasionsarmee schützen sollen. Oben, in einer Ecke des Ballsaals, an einem schon lange verstimmten Klavier der Marke Ukraina, sitzt Antonii Bary­shevskyi, neben ihm Aleksey Semenenko an der Violine.

Der junge Semenenko sollte eigentlich gar nicht hier sein. Das mag für viele in Lemberg gelten, doch für Semenenko ganz besonders. Er ist mit 33 Jahren schon Professor für Violine an der renommierten Folkwang-Universität in Essen und trat in vielen großen Konzertsälen der Welt auf. Doch am Vorabend des Krieges hatte ihn das Schicksal nach Kiew geführt, in die Philharmonie. Als Zugabe spielte er ausgerechnet Tschaikowsky, die „Sérénade mélanco­lique“. „Das war schon ein Zeichen“, sagt er. Der helle Anfang, der in eine nachdenkliche Trauer gleitet. Am nächsten Morgen gingen die ersten Raketen auf die Ukraine nieder, und der Frieden war vorbei.

Alexey Semenenko ist Professor für Violine in Essen.


Alexey Semenenko ist Professor für Violine in Essen.
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Bild: Laila Sieber

Selbst der deutsche Pass half nicht

Er habe Glück gehabt, sagt Semenenko. Erst dachte er, es würde schnell vorbei sein, doch dann wurde der bittere Ernst der Lage offenbar. Er ergatterte ein Ticket in einem der wenigen Züge nach Westen und schaffte es schnell bis Lemberg. Nur ging es hier für ihn nicht weiter. Denn Semenenko, in Odessa geboren, hat noch einen ukrainischen Pass. Und als Mann im wehrfähigen Alter darf er seit der General­mobil­machung das Land nicht mehr verlassen.

Zweimal machte er sich auf zur Grenze, ohne Erfolg. Beim zweiten Versuch sogar mit einem deutschen Pass, den ihm seine Frau innerhalb eines Tages in Köln besorgt hatte. Wenn es sein muss, mahlen selbst die Mühlen der deutschen Verwaltung schnell. „Alle Hebel wurden da in Bewegung gesetzt, bis hinauf zur Bürgermeisterin.“ Seine Einbürgerung war eigentlich längst durch, die Kölner Behörden warteten nur darauf, dass ihn die Ukraine aus seiner Staatsangehörigkeit entließ. Auch Semenenko hatte keinen Grund zur Eile gesehen, warum auch. Bis zum 24. Februar.

Doch selbst der deutsche Pass half ihm nichts. Semenenko ist immer noch Ukrainer und damit dem Kriegsrecht unter­worfen. Nun wartet seine Frau auf der polnischen Seite, dass irgendetwas passiert. Sogar Anne-Sophie Mutter und Daniel Barenboim waren involviert, doch genützt habe das alles nichts.

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