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#Mit hundert Codewörtern zu Gold

Mit hundert Codewörtern zu Gold

Die Zeit ist reif – jedenfalls wenn es nach Erik Heil und Thomas Plößel geht. Wenige Wochen vor ihrem ersten großen Auftritt in der Bucht von Enoshima sitzen die beiden Segler fast ein wenig ungeduldig auf der Terrasse des Norddeutschen Regatta Vereins am Ufer der Hamburger Außenalster und sprechen über ihr großes Ziel: die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio. Zwar haben sie die Verschiebung der Spiele auf 2021 „eher als ein gewonnenes Jahr betrachtet, weil wir schon letztes Jahr qualifiziert waren und deswegen nicht so in der Luft hingen wie viele andere Athleten“, wie Plößel sagt. „Aber jetzt kann es dann doch endlich losgehen.“

Seit nunmehr zwanzig Jahren sitzen Heil und Plößel buchstäblich in einem Boot. Als Teenager segelten sie 2001 in ihrer ersten Regatta für den Tegeler Segel-Club gleich auf den zweiten Platz, blieben ein Team, gehören in der 49er-Klasse seit Jahren zu den besten Skippern der Welt – und sehen sich zum Jubiläum nun näher als je zuvor vor der Erfüllung ihrer sportlichen Träume. „Es kann alles passieren. Aber wir sind näher dran, als das noch vor zwei oder drei Jahren der Fall gewesen wäre. Wenn das Material mitspielt, haben wir gute Chancen auf Gold“, sagt Heil.

Ein wenig wie vor Helgoland

Vor fünf Jahren gewannen die beiden Berliner die Bronzemedaille und damit das einzige „Edelmetall“ für die deutschen Olympiasegler. Auch dieses Mal hat neben dem 49er-Duo aus dem insgesamt zehnköpfigen deutschen Segelteam maximal noch Philipp Buhl im Laser gute Aussichten auf eine Medaille. In Rio verpassten der 31 Jahre alte Heil und der anderthalb Jahre ältere Plößel eine höhere Stufe auf dem Siegerpodest nur aufgrund eines verpatzten Starts im letzten Rennen. Schon zuvor hatte es große Aufregung um die Wasserqualität vor der brasilianischen Küste gegeben, nachdem sich Heil bei Trainingseinheiten in der offenkundig von Abwässern verdreckten Bucht schwere bakterielle Entzündungen eingefangen hatte.

Bester Laune: Thomas Plößel (l.) und Erik Heil vor dem Abflug nach Tokio


Bester Laune: Thomas Plößel (l.) und Erik Heil vor dem Abflug nach Tokio
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Bild: Schade

Bei den Spielen in Japan rechnen Heil und Plößel mit ganz anderen Rennen als vor fünf Jahren in Rio de Janeiro – nicht nur wegen des deutlich saubereren Wassers. „Rio war total verwinkelt. Es gab oft verrückte Strömungen und hat sich angefühlt, wie in einem Labyrinth zu segeln“, sagt Plößel. In Japan dagegen gebe es konstanten Wind mit hohen Wellen, die das Bootshandling erschwerten und die Gefahr des Kenterns erhöhten. „Wir gehen davon aus, dass es sich ein wenig anfühlen wird, wie vor Helgoland zu segeln – nur viel heißer“, sagt Heil, der mit seinem Teamkollegen wegen der sehr hohen Luftfeuchtigkeit und des bis zu 28 Grad warmen Meerwassers noch darüber rätselt, wie sie zwischen und während der Rennen für Abkühlung sorgen könnten.

Das Revier in Japan kennen sie bislang nur aus Simulationen und Erzählungen. Um unter ähnlichen Bedingungen, wie sie in Enoshima erwartet werden, trainieren zu können, reisten die beiden Berliner nach Portugal, Lanzarote und zuletzt im Frühjahr ins spanische Santander – in den Hochzeiten der Pandemie teilweise mit Ausnahmegenehmigungen. Dazu arbeiten Heil und Plößel seit geraumer Zeit mit einem Meteorologen sowie einem Ernährungsexperten zusammen und unterhalten zu einem 49er-Duo aus Spanien, das ebenfalls in Tokio dabei ist und zur Weltspitze gehört, eine Sparringspartnerschaft.

Ihr Boot bezeichnen die beiden Olympioniken als „ein größeres Surfbrett mit Mast, das sich gerne überschlägt und überhaupt nicht für die Welle gemacht ist“, wie es Heil formuliert. Es mache den Reiz und die Spannung aus, dass es „keine 1000 verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten“ gebe und das Design verhältnismäßig einfach sei. „Es ist ein Boot, das du niemals ganz beherrschst. Es ähnelt mehr einem Tourenwagen als einem Formel-1-Boliden“, sagt Plößel. Jeder Quadratzentimeter sei samt den dazugehörigen Aufgaben einem von beiden zugewiesen. Es gebe zudem Hunderte Codewörter, die sie sich immer wieder zurufen würden und die mit einer bestimmten Aktion und einem kalkulierten Risiko verbunden seien. „Es gilt, Wörter, Kraft und am Ende auch Zeit zu sparen. Wenn die Welle kommt, können wir nicht lang diskutieren“, sagt Plößel, der von sich selbst sagt, „manchmal vielleicht ein bisschen der Exzentrischere von uns“ zu sein und „auch mal meine Wut rausbrüllen“ zu müssen. Aber am Ende sei der 49er eine „richtig coole Klasse“ – in der auf dem Weg zur Goldmedaille zwei der besten Segler der Welt geschlagen werden müssen.

„Pete ist ein wirklich abgekochter Typ“

Denn mit den Neuseeländern Peter Burling und Blair Tuke treten die beiden Deutschen gegen die Olympiasieger von 2016, die zweifachen America’s Cup-Gewinner sowie die einmaligen Weltumsegler im Zuge des Volvo Ocean Race an. „Peter und Blair segeln oft in einer eigenen Liga. Vor allem Pete ist ein wirklich abgekochter Typ“, sagt Plößel und fügt mit Blick auf deren Teilnahme im America’s Cup noch im Frühjahr an: „Aber sie haben sich in den letzten Jahren auch viel mit anderen Dingen beschäftigt und sind vielleicht nicht hundertprozentig vorbereitet. Das gibt uns im 49er eine echte Chance.“

Für die Zeit nach den Spielen hat das Duo noch keine Pläne. Von einem weiteren Olympiaanlauf in Paris 2024, über neue Ziele in anderen Segel-Wettbewerben wie dem High-Tech-Format „Sail GP“ bis zum Abschluss des Studiums von Maschinenbau (Plößel) und Medizin (Heil) sei alles möglich, aber noch nichts konkret ins Auge gefasst. „Olympia ist am Ende ein Big Mental Game“, sagt Plößel. Egal ob Materialauswahl, Routinen oder Taktik: man müsse sich in allem, was man tue, absolut sicher sein und müsse sich total fokussieren, sonst könne man die Medaille vergessen. Dass es so kommen könnte, daran verschwenden Erik Heil und Thomas Plößel keinen Gedanken.

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