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#Mut der Verzweiflung: Deutschland nach dem Putin-Schock

„Mut der Verzweiflung: Deutschland nach dem Putin-Schock“

Zu den Politikern, die sich um die Einheit von EU und NATO verdient gemacht haben, muss man nun auch Wladimir Putin zählen. Ausgerechnet der Mann, zu dessen außenpolitischen Hauptzielen es gehört, Amerika von Europa abzukoppeln und auch die Europäer durch Spaltung zu schwächen, hat mit seinem Überfall auf die Ukraine den Westen zusammengeschweißt, wie es der Kreml seit sowjetischen Zeiten nicht mehr vermochte.

Auch beim Blick nach Deutschland muss Putin sich eigentlich fragen: Was habe ich nur getan? Aus Moralisten, Pazifisten und Putinisten machte der Putin-Schock über Nacht Realisten, die nicht mehr fassen können, dem russischen Alleinherrscher und seiner Propaganda jahrzehntelang auf den Leim gegangen zu sein. Deutschland war eines der wichtigsten und schwächsten Glieder in der Abwehrkette des Westens gegen Moskaus zunehmende Aggressivität. Das lag nicht allein an Schröder, Merkel und Steinmeier. Von Friedenssehnsucht und Profitgier getrieben, ignorierten auch viele andere die Zeichen an der Kremlmauer. Das geschah so konsequent, dass Putin annehmen konnte, es werde ewig so weitergehen.

Deutschland täuschte sich, Putin auch

Doch täuschte Putin sich so sehr in Deutschland wie Deutschland sich in Putin. Berlin steht nach einer jähen Wende in seiner Außen- und Verteidigungspolitik plötzlich in der ersten Reihe jener, die Putin zurufen: Keinen Schritt weiter! Um ihn zu stoppen, geben die Ampelparteien Positionen auf, die ihnen heilig waren. Man traut auch bei den vielen individuellen Kehrtwenden seinen Ohren kaum. Freilich ist es keine Neuigkeit, dass Konvertiten meinen, die Zugehörigkeit zur neuen Religion ganz besonders deutlich machen zu müssen. Schließlich will man ja auch selbst vergessen, einem Irrglauben angehangen zu haben.

Putins Krieg in der Ukraine wird von Tag zu Tag teuflischer. Solange in der Ukraine die Tore zur Hölle geöffnet bleiben, wird es in Deutschland schwer sein, sich wieder den alten Träumen vom Frieden schaffen ohne Waffen hinzugeben. Bisher verlangt das neue Glaubensbekenntnis auch noch keine großen Opfer von den Deutschen. Noch muss keiner für die Verteidigung der Ukraine frieren, geschweige denn einrücken. Auch die Steuern sind noch nicht für die Aufrüstung erhöht worden.

Vor allem kann – und muss – man noch die Hoffnung haben, dass Putin, wenn schon nicht von der Vernunft, so doch vom Widerstand der Ukrainer und den Sanktionen des Westens dazu gezwungen wird, die Kriegshandlungen einzustellen. Allerdings könnte es auch sein, dass Putin, das Scheitern seines Feldzugs vor Augen, auf der Eskalationsleiter weiter nach oben steigt. Er kämpft jetzt nicht mehr nur für einen Regimewechsel in der Ukraine, sondern auch für die Bewahrung seiner Herrschaft in Russland.

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Aus der Sorge heraus, ein bedrängter Putin könnte aufs (nukleare) Ganze gehen und auch noch eine Front gegen die NATO eröffnen, fragt man sich im Westen, wie ihm ein „gesichtswahrender“ Rückzug ermöglicht werden könnte. Doch eine Lösung, die diese Bedingung erfüllt, ohne die eigenen Werte und den Kampf der Ukrainer um ihre Freiheit, Souveränität und territoriale Integrität zu verraten, ist kaum vorstellbar.

Freiheit ist ansteckend

Der Gedanke, Putin werde vielleicht einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine zustimmen, wenn diese auf ewig der NATO abschwöre, offenbart, wie stark der alte Aberglaube noch ist, man könnte mit dem Kreml zu Kompromissen kommen, an die dieser sich halten werde. Putin torpediert die Annäherung der Ukraine an die EU schon seit 2014. Die EU steht für Freiheit, Demokratie, Prosperität. Das alles kann Putin vor seiner Haustür nicht dulden: Es besteht Ansteckungsgefahr. Eine westliche Ukraine ist für Putin das „Antirussland“, das er mit allen Mitteln verhindern will, und sei es mit dem Beschuss von Atomkraftwerken.

Wie aber will der Westen Putin am Verhindern hindern? Was sind die Ziele des Westens in diesem Konflikt über das Herbeiführen eines Waffenstillstands hinaus? Vorbereiten müssen sich EU und NATO auch darauf, dass Putin weiter Züge macht, die man von ihm nicht erwartet, weil sie nicht westlicher Logik und Kosten-Nutzen-Rechnung folgen. Es könnte die Stunde kommen, in der Deutschland zum Schwur seiner Regierung stehen muss, jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.

Auch in der realen Welt gibt es einen Sauron

Das alles ist viel verlangt von einer Republik, die bis vor Kurzem meinte, ein Auenland zu sein, wie es Tolkien in „Herr der Ringe“ ersann. Brutal von Putin aus seinen Träumen geweckt, stellt Deutschland fest, dass es auch in der realen Welt ein dunkles Reich Mordor und einen Sauron gibt, der alle knechten will. Und dass es viel Mut braucht, sich ihm in den Weg zu stellen. Die Ukrainer tun es mit dem Mut der Verzweiflung. Ein gehöriges Maß an Mut ist nun auch in der deutschen Politik zu erkennen, allerdings auch eine bislang ungekannte Verzweiflung.

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